SEITE 18·FREITAG,13. MÄRZ2020·NR.62 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
E
sist einebemerkenswerteKonfe-
renz zur Vermögensverteilung,
die trotzCorona-Krise unbe-
dingtimBundesfinanzministeri-
um stattfinden sollteund tatsächlichstatt-
gefunden hat.ImkleinerenKreis, aber
gleichwohl mit Minister. Olaf Scholz
(SPD)verwies eingangs auf eineverbreite-
te Kluftzwischen positiver Einschätzung
der wirtschaftlichenUmstände und laten-
terUnzufriedenheit.„Zu den Dingen, die
wahrgenommenwerden, zählt einewach-
sendeUngleichheit“, betonteder Sozialde-
mokrat.Die Globalisierung,der Wohl-
standsgewinn vonMilliarden Menschen,
sei mit der Botschaftverbunden,dassjetzt
in derWelt unzähligeLänder und Men-
schen seien, die mehr oderweniger dassel-
be könnten wie man selbst. Populismus sei
darauf die falscheAntwort.
Wichtig istnachseinenWorten, dass
alle Menschen sichabgesichertfühlen.
„Esgeht nicht gut,wenn eine Gesell-
schaftvon zu vielUngleichheitgeprägt
ist“, betonteScholz zu Beginn derVeran-
staltung zu einerneuenStudie zurVermö-
gensverteilung.
In Kurzform lauten die Erkenntnisse
vonMoritz Schularick (Universität
Bonn), ThiloAlbers(HumboldtUniversi-
tätBerlin) und CharlotteBartels (Deut-
sches Institut fürWirtschaftsforschung):
Aufsehr langeSicht istinDeutschland
die Ungleichheitkleinergeworden, in
denvergangenen Jahrzehnten hingegen
größer.Vereinigtedas eine Prozent der
Reichs ten1895 die Hälftedes Vermö-
gens auf sich, istdieser Anteil bis in die
frühen fünfzigerJahreauf weniger als 25
Prozentgefallen –seither hat sichdaran
nicht sehr vielgeändert. Als Gründe für
den Rückgang werden genannt:Weltwirt-
schaftskrise der dreißiger Jahre, in der
das BetriebsvermögenstarkanWertver-
lor,und dieFolgen des ZweitenWelt-
kriegsmit dem anschließenden Lasten-
ausgleich(von1952 an). „DieseVermö-
gensteuer machteDeutschland zu einem
der egalitärsten Länder in der frühen Pha-
se desNachkriegsbooms“,folgertendie
Ökonomen.Die Kriegszerstörungenhät-
tenzwarauchAuswirkungen auf dieVer-
mögensverteilunggehabt, aber zu einem
geringeren Anteil.
Dochseit einemVierteljahrhundertöff-
netsichdie Scherezwischen der oberen
und der unteren Hälfte der Bevölkerung.
Die einen haben ihrVermögenverdop-
pelt, bei den anderen tat sichsogut wie
nichts.Die obereGruppe profitierte von
steigenden Aktienkursen und höheren
Preisen für Häuser oderEigentumswoh-
nungen. Da der Boom an den Immobilien-
und Finanzmärkten an der unteren Hälfte
der Vermögensverteilungjedoch beinahe
vollständigvorbeigegangen sei, habe sich
der Abstand zwischen oben und unten
deutlich vergrößert. In harten Zahlen
heißt dies: Hatte das obersteZehntel der
Bevölkerung 1993 einVermögenvongut
1Million Euro,waren2018 daraus 1,
MillionenEurogeworden,dieInflationist
dabei herausgerechnetworden. Die obe-
ren50bis 90 Prozent hatten durchschnitt-
lichein Vermögenvon224 000 Euro, 25
Jahrespäterwarenes417 000 Euro. Die
untereHälfte hatte20700 Euro, zuletzt
warenes22200 Euro. Inwieweit dabei die
Zuwanderung nachDeutschland eineRol-
le spielt, blieb bei demKurzvortrag von
SchularickimFinanzministerium offen.
Der französische Ökonom Thomas Piket-
ty be grüßtedie Studie. Erstreitet schon län-
gerfür eine offensive Umverteilungspoli-
tik.Man brauche eine progressiver eEin-
kommensteuer,aber aucheineVermögen-
steuer,sagteer. MenschenohneVermögen
hättenesschwerer,Unternehmen zugrün-
den,Wohnungen zukaufen oder gute Jobs
zu finden.Esgehe nicht nurumGeld, son-
dernauchumMacht, umVerhandlungspo-
sitionen. Piketty fiel es nicht schwer,einen
Hinweis auf seinBuch„Kapital und Ideolo-
gie“einzustreuen, in dem er füreine bis zu
90 ProzentreichendeVermögensteuer
wirbt.Gleichzeitigdenkt er daran,jungen
LeuteneinenVermögensstock von120 000
EurojeKopf zukommen zu lassen.
DieStudie vonSchularick,Albersund
Bartels enthält alsdrittes Element eine
neueSchätzung derVermögen deutscher
Haushalte. Betriebanteileund Immobilien
würden bisher unrealistischniedrigbewer-
tet. Letztlich sei dasVermögenrelativ zum
Bruttoinlandsprodukt um 120Prozent-
punktehöher als bisherangenommen.
„MitanderenWorten:Deutschland istweit-
aus reicher,als of fizielleStatistikenglau-
ben lassen.“
ash.FRANKFURT. Die Länderchefs
habenauf der Ministerpräsidentenkon-
ferenz in Berlin dieNeuregelung des
Glücksspielstaatsvertragesverabschie-
det. Dieser sieht eineteilweise Öff-
nung desstaatlichen Glücksspielmono-
pols für privateUnternehmen im Inter-
netvor und soll zum 1. Juli 2021 in
Kraf ttreten. Weiterhin gibt es jedoch
Kritik aus der Brancheund vonVerbän-
den privater Anbieter,dassdie Liberali-
sierung nichtweit genug ginge.
Eineweiter ewichtigeEntscheidung
trafen die Ministerpräsidenten hin-
sichtlichder nochaufzubauenden „ge-
meinsamen Glücksspielbehörde der
Länder“. Den Zuschlag erhielt das Bun-
desland Sachsen-Anhalt.Spekuliert
wird, dassdie neue Institution auf-
grund derNähe zum Großraum Leip-
zig ihren Sitz in Halle habenkönnte,
sollen doch mehrer ehundert neue Mit-
arbeitervorallem auchmit IT-Experti-
se gewonnenwerden. Ums tritten sind
die weitreichendenRechte der Behör-
de. Sie soll Informationen über alle
Spieler in Deutschland und ihr Spiel-
verhalten (auchzur Limitüberwa-
chung) sammeln.
hw./loe.BERLIN.Das Berliner Land-
gerichthält den für die Hauptstadt be-
schlossenen Mietendeckel fürverfas-
sungswidrig. Dem Land Berlinfehle
die Gesetzgebungskompetenz, teilte
das KammergerichtamDonnerstag
zur Begründung mit.Die 67. Zivilkam-
mer beschlossdaher,dem Bundesver-
fassungsgericht dieFrage zur Entschei-
dungvorzulegen. In demFall ging es
um Mieter, die sichgegen eine Miet-
erhöhung zurWehr gesetzt hatten. Ein
Eilverfahren gegenbestimmteVor-
schriftendes Berliner „Mietendeckels“
istunterdessenvordem Bundesverfas-
sungsgerichtgescheitert(Az.:1BvQ
15/20). Die Kläger,VermieterinBer-
lin, wollten Auskunftspflichten und
Verbote zur gesetzlichen Höchstmiete
vorläufig durch das höchste deutsche
Gericht aussetzen lassen. Die Hürden
für so einenvorläufigen Eingriff seien
jedochhoch, ließen die Richter in ih-
remAblehnungsbeschlusswissen. Die
grundsätzlicheFrage, ob das Land Ber-
lin derartindas Mietrecht eingreifen
darf, mussKarlsruhe allerdings erst
nochklären.
Scholzund di eVermö gensschere
mj. FRANKFURT. Die Deutsche
Bahn mussKunden beimKauf einer
Bahncardüber ihre Websitebesser
über ihreWiderrufsrechteinformie-
ren. Das hat der Europäische Gerichts-
hof am Donnerstag entschieden. Der
Kauf einer Bahncardfalle unter eine
EU-Richtlinie über Beförderungs-
dienstleistungen.Unternehmen müss-
tenihre Kunden darüber inKenntnis
setzten, dasssie sichvon einem On-
line-Kauf binnen zweiWochen ohne
AngabevonGründen mit einemWider-
ruflösenkönnen. Der deutsche Gesetz-
geber hat dies durch den Widerrufim
Fernabsatzvertrag im Bürgerlichen Ge-
setzbuch geregelt.Die BerlinerVer-
braucherzentrale hattemoniert, dass
die Bahn dieKäufer einer Bahncard 25
und 50 nicht über dieseRechte infor-
miert. Das OberlandesgerichtFrank-
furtlegteden Fall inLuxemburgvor.
Die Bahn will dasUrteil jetztgenau
prüfen.Für dieallermeistenKunden
habe die Entscheidungkeine Auswir-
kungen. „Die BahnCardliegtvoll im
Trend.Und daswirdauchnachdem Ur-
teil so bleiben“, erklärte eineKonzern-
sprecherin (Rechtssache C-583/18).
Großbehördefür
Sach sen-Anhalt
che. SYDNEY.Das groß angelegteHilfs-
paket der australischenRegierung für die
Konjunktur istander Börseverpufft.In
der gesamten Asien-Pazifik-Region san-
kendie Börsenkurse am Donnerstag,
nachdem der amerikanischen Präsident
DonaldTrumpein Einreiseverbotfür Eu-
ropäerverhängt hatte. Börsianer fürchten
immer stärkere Einschränkungen der
Weltwirtschaftund eineRezession durch
das Coronavirus.
Um diese inAustralien noch zuverhin-
dern, hat dieRegierung des zunächstvon
den Buschbränden, nunvomVirus hart
getrof fenen Landesweiter eHilfenver-
sprochen.Nachdemsie vorWochen2Mil-
liardenAustralischen Dollar (1,15Milliar-
denEuro) in den nächstenzweiJahren zu-
gesagt hatte, nimmt sie nunweiter erund
17,6 MilliardenAustralische Dollar in die
Hand. Diese Summe, die knapp einem
Prozent der australischen Wirtschaftsleis-
tung entspricht, sollvorallem knapp
700 000 Mittelständlernhelfen, die fast
acht Millionen Menschenbesc häftigen.
Geplant sind Anreize für Investitionen,
Lohnhilfenvon50Prozent für Auszubil-
dende über neun Monateund Barzahlun-
genbis zu 25 000 Dollar für Kleinunter-
nehmen. 11 Milliarden australische Dol-
lar sollen nochvor Junifließen.Fürdie-
ses Quartalbestehtkaum nochein Zwei-
fel, dassdie australischeWirtschaftge-
schrumpftist.AmletztenTagdieses Mo-
natssollen Bedürftigewie Kranke, Sozial-
schwache aber auchRentnereine Sofort-
hilfeinHöhevonje750australischen
Dollar bekommen. Dieskostet knapp 5
Milliarden australische Dollar.Knapp
Milliarden Dollarfließen in bessereAb-
schreibungsmöglichkeiten für Mittel-
ständler bis Ende des ersten Halbjahres.
Das Gesamtpaket soll dieWirtschaftum
22,9 Milliarden Dollarfördern.
Damit istder vonder Regierungver-
sprochenen Haushaltsüberschussinwei-
te Fernegerückt, wieFinanzminister Ma-
thias Corman bestätigte. Ministerpräsi-
dent Scott Morrison hatteschon erklärt,
seine Regierung habe gespart, um in
schwerenZeitenreagieren zukönnen:
„Diese hartenZeiten sind nun.“ Er appel-
lierte an australischeKonzerne, ihren
Teil zum Wiederaufschwungbeizutra-
gen. „Siewerden in den nächsten Mona-
tensehr genau beobachtet werden. Unter-
nehmenverbringen vielZeit damit, über
den Wert und die Integritätihrer Marken
zu sprechen–genau dieses wirdsichnun
beweisenmüssen.“
Luxus?BooteinDüsseldorfamRhein FotoMauritius
Widerruf beim
Bahncard-Ka uf
Sydn ey kämpft gegenRe zession
NiedrigerLeitzins und Bargeld fürPensionäresollen die Corona-Folgen dämpfen
Urteil zu
Mietendeckel
StudienzuArmut und
Reichtum gibt es einige
–aber nicht viele, die im
Finanzministerium
vorgestellt werden.
Geht die Schereauf?
VonManfred Schäfers,
Berlin
BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER
Bei der zunehmenden Geschichtsverges-
senheitverdient Ihreregelmäßige Spal-
te „1945“große Anerkennung.Wasvor
einem Dreivierteljahrhundertgeschah,
hat über die Grenzen Europas hinaus
Wundengeschlagen, die bis in die Ge-
genwartnachwirken. In denkurzen Tex-
tenwerden nicht nur dietäglichenWehr-
machtberichteund die militärischen
Fakten des deutschen Zusammenbruchs
erwähnt. Es istgut, auchjene Ereignisse
und politischenStimmen in Erinnerung
zu rufen, die damals in Deutschland
nicht zu hören und zu lesenwaren. Die
NS-Durchhaltepropagandakonnteda-
mals nur durchschauen,werunter Le-
bensgefahr „Feindsender“ mithörte.
Das Heuteist immer Schnittpunktvon
gesternund morgen. DieLicht-und
Schattenseiten des Gestern zu beleuch-
ten, kann Menschen gutenWillens hel-
fen, denWegvon heuteund morgenkla-
rerzusehen und sicherer zugehen.
WOLFGANGKNAUFT,BERLIN
Als jahrzehntelangeBesucher derFrank-
furter Operverfolgen wir natürlichdie
Diskussionen über Sanierung bzw.Neu-
bau der Frankfurter Bühnen. Über-
rascht haben dabei immer die horren-
den Summen –zwischen 600 und
900 Millionen Euro–die sowohl für Sa-
nierung als auchfür Neubaugenannt
wurden undwerden. Undjetzt kommen
innerhalbwenigerTage zwei Meldun-
genaus Bonn und Berlin, die bei den
Frankfurter Experten die Alarmglocken
läuten lassen müssten. Bonn zieht die
Sanierung des 1965 erbauten Opernhau-
ses und zweier Spielstätten für das
Schauspiel zuKosten von130 Millionen
einem Abrissvor, der 160 Millionen
(alsorund 23 Prozentteurer)kosten soll-
te.Und Berlin wirdseineKomische
Oper–das alteMetropoltheater,inden
fünfziger Jahren für die Oper wiederauf-
gebaut, 1967 und in den achtziger Jah-
renund später abermals saniert–für
nunmehr 237 Millionen auf den neues-
tenbaulichen undtechnischen Stand
bringen (die derzeitigeBühnentechnik
stammt nochaus den fünfzigerJahren).
Die Parallelen zwischen den Häusern
der dreiStädteliegen auf der Hand: Im
Kern geht die Bausubstanz aufWieder-
aufbau oderNeubau in den sechziger
Jahren zurück, dahergenereller Sanie-
rungsbedarf. In Bonn und Frankfurt
Spielstätten für Oper und Schauspiel.
In Frankfurtgibt es allerdings zwei
deutlichabweichende Kriterien, die er-
halten bleiben sollten: Die Architektur
mit der sichöffnenden breiten Glasfas-
sade isteine architektonische Ikone, die
den Besucher bzw.Betrachtervonin-
nen und außenfasziniertund ein selten
gewordenes Musterbeispiel der Moder-
ne darstellt, das sichwohltuendvonder
einfallslosen, eintönigen Architektur
der Gegenwart abhebt. Der zweite
Punkt istdas Bühnenhaus der Oper mit
seinerTechnik,das wohl weitgehend
dem neuesten Stand und den Anforde-
rungen der Regie entspricht.Selbst
wenn hier nochVerbesserungen denk-
bar und möglichwären, so dürftedoch
das derzeitigekünstlerische Spitzen-
niveauder Oper auch durch weiter eVer-
besserungen der Bühnentechnikkaum
nochzutoppen sein.
Wasdie hohenKosten inFrankfurt
verursacht,konnteman bisher nirgends
nachlesen–vielleicht haben wir daet-
wasverpasst.Eswar nurgelegentlich
vonKlimaschutz, zu vielen Treppen,
Brandschutz und anderem die Rede.
Das sind doch Themen, diegenerellgel-
ten. Die AlteOper hat mehrTreppen als
die Oper.Die Opernhäuser in Mün-
chen, Wien, Mailandetwa habenver-
gleichbareSituationen, die Glasfassade
der MetinNew York wirdnicht kleiner
sein als die derFrankfurterOper.Von
Abriss oderNeubau istdanirgendwo
die Rede. Zweifellos istder baulicheZu-
stand des Zuschauerraumes desSchau-
spielsverbesserungsbedürftig, erwar
vonAnfang an nicht besondersanspre-
chend, andererseits habenverschiede-
ne Inszenierungengezeigt, wieflexibel
der Gesamtraumgenutztwerden kann.
In der Oper istnicht ersichtlich,was
einegenerelle Veränderung zwingend
notwendig macht.Vor allemaber er-
scheintder jetzigePlatzimZentrum
derStadt fürdie Operunverzichtbar.
Die Differenzen zwischen denKos-
tenberechnungeninFrankfurt,Bonn
und Berlin, bei zwar im Detailunter-
schiedlichen, imKern abervergleichba-
renGegebenheiten, forderndie Verant-
wortlichen inFrankfurtzumindestzu
gründlicherÜberprüfung ihrerPosition
heraus,wollen sie sichnicht demVor-
wurfleichtfertigen Umganges mit öf-
fentlichen Mitteln aussetzen.Unterdie-
sen UmständenkönntesichauchRat-
schlagvonaußen–auchaus Bonn und
Berlin–anbieten und lohnen.
REINFRIEDVOGLER,KRONBERG
GegenVergessenheit
Zu KirkDouglas: IchreisteMitteder
sechziger Jahre alsJungredakteurzu
den FilmfestspieleninCannes, lasinder
Zeitung, inwelche mHotel Ki rk Douglas
residierte,ließ mir an derRezeption die
Zimmernummergeben(!), rief an, Kirk
Douglas antwortete aufmeine nWunsch
nacheinem Interview, ichsolle mich
schon mal in denVorgartensetzen, er
käme gleic hrunter.Kam nach15Minu-
tenund hatteunendlichviel Zeit.
Das mag man heutekaum glauben
bei der Abschirmung der Starsund
Sternchen, den wimmelnden Body-
guards, „Agenten“ undWichtigtuern,
die selbstdas Mögliche unmöglichma-
chen, dem Pressechef,der bei jedem In-
terviewdabeisitzt und alledrei Minuten
demonstrativauf die Uhr blickt, oder
den Massenpressekonferenzenmit limi-
tiertenFragen sowie der heutealltägli-
chen, unsäglichen„Autorisation“von
Texten. Nicht nur dieWelt desFilms hat
sichverändert, auchdie der Medien.
WOLF THIEME,BAD BELZIG(BR ANDENBURG)
ZumBeitrag „Kampf um den Theater-
platz“ (F.A.Z.vom10. März): Sehr er-
freut habe ichden ArtikelvonNiklas
Maakgelesen, er beleuchtetnochmals
alle wichtigen Aspekte, die für und be-
sondersgegen einen Abbruc hdes
Schauspielhauses sprechen. Mankönn-
te den Artikelfast für eineVorlesung in
nachhaltiger undgrünerPolitik halten;
ichhoffe,erwirdauchvon der Grünen-
Fraktion des FrankfurterStadtparla-
mentesgelesen. „Das Bauen isteiner
der größten Klimatreiber...“, eine Ar-
gumentation, die ichineinschlägigen
Interviews zuständigerPolitiker,gerade
bei den Grünen,vermisst habe.
ZumDenkmalschutz: DerNeubaube-
schlusssei „geschichtsvergessen“ und
„lösche identitätsstiftende Bauten aus“.
DasNeckermann-Gebäude an der Ha-
nauer Landstraße wirdlaut F.A.Z. un-
terDenkmalschutzgestellt, das Schau-
spielhaus aber nicht,welchein schräges
Verhältnis.
AXEL REINISCH,FRIEDRICHSDORF
ZumBeitragvonEva Menasse „Man
nennt es Pluralismus“ (F.A.Z.vom11.
März): EvaMenasses Eintreten für
Woody Allen, der „mitgroßerWahr-
scheinlichkeit einFall MiaFarrow ist“,
wie sie am Mittwoch, 11. Märzschreibt,
erinnertmichaneinen Spruchvon
ErnstJünger:„Man sieht sie mit Later-
nen die Inhumanität suchen. Dabei
phosphoresziertihrekainitische Sub-
stanz.“ Ein ähnliches Diktum gibt es
vonFriedrich Nietzsche,ich habe es mo-
mentan leider nicht gefunden. Viel-
leichtkönnen sichdie sechzehnRo-
wohlt-Autorendas, wenn schon nicht
zu eigen machen, aber einmal spiele-
rischkurzzur Selbstprüfungvorlegen?
UWE-JENS HAS,BERLIN
Zu der Berichterstattung in derF.A.Z.
zumUrteil zurSterbehilfe:Waserlaubt
sicheigentlichBundesgesundheitsminis-
terJens Spahn,wenn er bis heutedie
Umsetzung desUrteils,wonachschwer-
krankeMenschengegenüberdem Staat
Anspruchauf Suizidbeihilfehaben,ver-
hindertund nun auchnachdem Karls-
ruher Urteil wiederdas Bundesinstitut
für Arzneimittel anweist, schwerkran-
kenPatientenkeinetödlichen Medika-
mentezur Verfügung zustellen.Steht
er über dem Bundesverfassungs-
gericht?
Ichkann es nicht mehr hören,wenn
auf die Palliativmedizin und die Hospi-
ze verwiesen wird. Inganz Deutsch-
land gibt es nur 236 Hospize! Da einen
Platz zu bekommen, istein Glücks-
spiel.
MeinVaterhatteinoperablenLun-
genkrebs,ich versucht eeinen Hospiz-
platz für ihn zu bekommen,wurde na-
türlichvertröstet, weil keine Plätze frei
waren. Wirhaben ihn zu Hausege-
pflegt,bis er jämmerlicherstickt ist.
MeineTantehatteeine schwereKrebs-
erkrankung,kamineine Palliativein-
richtung, musstedortaber nach14Ta-
genwiederraus,weil Patienten dort
nicht langebleiben dürfen, in ein Hos-
piz konntesie nochnicht,weil sie dort
nur aufgenommenwäre,wenn sie nur
nochzirkadreiWochen zu leben hätte
und ihr wurden nochein bi szweiMona-
te vorhergesagt,also mussten wir ei-
nen Pflegeplatz in einem Heim für sie
finden,weil sie schon so schwer krank
war, dasseine PflegezuHause nicht
mehr möglichwar.Sie is tinnerhalb ei-
ner Wocheunter schwerster Atemnot
gestorben.Ich könntenochmehr Fälle
aus meinemBekanntenkreis beisteu-
ern, aber das würde zuweit führen. Ich
finde,niemand hat das Recht,
Schwerstkranken einen selbstbestimm-
tenwürde vollenTodzuverwehren,
auchnicht der (zeitweilige)Kanzler-
kandidat Jens Spahn!
BRIGITTEWAGNER,UNTERSCHLEIßHEIM
Zu den Berichten über dasUrteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Frei-
tod: Nach deutschemRecht gehörte der
Freitod immer zur menschlichenFrei-
heit.Das Urteil gibt dem einegrund-
rech tliche Begründung. Das istkonse-
quent, weil Freiheit zu Lebensentschei-
dungen in unseremVerfassungssystem
immer grundrechtlichbegründetist.
Der Gesetzgeberkann dieFreiheit ein-
schränken, aber er darfsie nicht unmög-
lichmachen. Dafürkönnen, wie dasUr-
teil darlegt, Beratungspflichten und
Wartefris teneingeführtwerden.Sterbe-
hilfevereinekönnengeregelt und über-
wachtwerden. EineÜberprüfung der
Freiheit der Entscheidunggehörtdazu,
aber die Durchführung darfnicht un-
möglichgemachtwerden, so dassnur
der riskante(jedem Bahnreisendenver-
traute)Wegoffen bleibt, denkein Ge-
setzgeber wirksam ausschließenkann.
Die Beihilfezum Freitod bleibtrecht-
lichzulässig,wasgerade für Ärztevon
wesentlicher Bedeutung ist.Kein Arzt
kann zu einer Beihilfeverpflichtetwer-
den, aber es istdeutlichund durchdie
beschwerdeführenden ÄrzteimVerfah-
renbelegt, dassviele Ärzteesals ihre
Aufgabe ansehen, im Extremfall hier
dringend erbetene Hilfezuleisten.
PROFESSORDR.DRES. H. C. JOCHEN A.
FROWEIN,HEIDELBERG
Zu der Berichterstattung in derF.A.Z.
zu Syrien: Bei den vielenkontroversen
Diskussionen der beteiligtenPolitiker
vermisse icheine Aufforderung an As-
sad, seine zivilen LandsleuteinIdlib
hinter den eigenen Linien unterzubrin-
gen, solangeerdort„Aufständische“be-
kämpft.
HORSTRITTER,KELKHEIM
Im Schlussabsatz hinterlässt Professor
Rudolf Steinbergleider einen Ein-
druc k, der seinemwohltuend ausgewo-
genformuliertenBeitrag „Religiöse
Konflikteunter dem Grundgesetz“
(F.A.Z. vom2.März) nicht gerecht
wird: das Bedauerndarüber,dassdie
Religion nicht mehr ihre „angestamm-
te“Bedeutung in Staat und Gesell-
schafthat. Es mussnicht dieStimme
der Religion sein, die die angesproche-
nen positivenWirkungen hat, dieStim-
me derVernunfttut es auch!
HEIKOJÜTTE,SANKTINGBERT
Zu „Scheitertdas Asylrecht?“vonJas-
per vonAltenbockuminder F.A.Z. vom
- März: Es istschon erstaunlich,wie
an der EU-Außengrenze neuerdings
ohne Diskussion das bisher praktizierte
Asylverfahren abgeschafft wird.Kontin-
gent scheint demgegenüber eine gute
Idee.Aber es bleibt das Auswahlpro-
blem. HumanitäreAuswahlkriterien
festlegen macht sichgut. Aber wasge-
schieht,wenn dieZahl derjenigen, die
die Auswahlkriterien erfüllen, beiwei-
temdas Kontingent übersteigt?Ferner:
muss auchder Familiennachzug in das
Kontingent eingerechnetwerden?Und
schließlich:Wiekann man das Alter der
sogenannten Kinderverlässlichfeststel-
len? Das isteine Politik, die neueUnge-
rech tigkeit schafft und dasweltweite
Flüchtlingsproblem nicht auchnur im
Ansatzlöst.
DR.HARALDKALLMEYER,BERLIN
Zu Woody Allen: In derF.A.Z. vom10.
Märzhabe ichden ArtikelvonEdo
Reents „Moral frisst Geist, sollRowohlt
Woody Allenverlegen?“gelesen und
kann jede Zeile nur unterstreichen.
Noch mehrbegeistert bin ichvon Eva
Menasse (F.A.Z.vom11. März): „Man
nennt es Pluralismus“, der sicheben-
falls (aber nicht nur) mit demFall Woo-
dy Allen befasst,daessichindiesem
Fall beim Schreibenden um eineFrau
handelt.Beide Journalistensetzen sich
für eine für michwichtigeAngelegen-
heit ein.Ich dankeIhnen, dasssie bei Ih-
nen eine Plattform bekamen.
ANDREASALZER,AACHEN
Platz im Zentrum für die OperFrankfurts
Der Freitodgehörtzur Freiheit
An Assad appellieren
Stimme derVernunft
Neue Ungerechtigkeiten
Für Woody Allen
Alles anders
Geschichtsvergessen
Selbstprüfung
SelbstbestimmterTodinWürde