Frankfurter Allgemeine Zeitung - 24.02.2020

(Wang) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft MONTAG, 24.FEBRUAR2020·NR.46·SEITE 15


Seite17SSeite21 eite

Im Streit um dieTesla-Fabrik in


Grünheide scheuen die Grünen


Kritik anUmweltverbänden.


Der Kondomhersteller Ritex


produziertindritter Generation


100 Millionen PräservativeimJahr.


Mit der Bombardier-Übernahme


durch Alstomentstünde ein Gigant.


Siemenskönntejedochprofitieren.


WIEGRÜN ISTGRÜNGENUG? PEINLICH?DASWAR EINMAL MACHTSPIELE IN DERBAHNINDUSTRIE

B

is vorkurzemwarGrünheide
nicht mehr als ein 8300-Ein-
wohner-OrtimBerliner Speck-
gürtel. Ein Marktplatz, zwei Seen und
jede MengeWald: Werdes Großstadt-
lebens überdrüssig ist, ziehtraus nach
Brandenburg. Dochmit demruhigen
Kleinstadtleben isteserstmal vorbei.
Seitdemfeststeht, dassder amerikani-
sche Elektroautohersteller Tesla hier
seine vierte Fabrik bauen will, ist
Grünheidezu einemPolitikumgewor-
den, zumTestfall für eine Grundsatz-
frage:Sind große Bauprojektewie die-
ses überhauptnochmöglich, oder
geht derWirtschaftsstandortDeutsch-
land an seinem Regulierungseifer
langsam, aber sicher zugrunde?
Wiegroßdie Nervosität ist, zeigte
sichvergangeneWocheanden fast
schon hysterischen Reaktionen auf
die Anordnung des Oberverwaltungs-
gerichts, die Rodungsarbeiten vor-
übergehend zustoppen, um die Ein-
wände zweier Umweltverbände zu
prüfen. Seltenwarensich Wirtschafts-
verbände, Ökonomen undPolitiker so
einig, wie lächerlichsich Deutschland
damit imAusland mache. Dassals Be-
leg für diese These zuweilen zehn Jah-
re alte Artikel aus englischsprachigen
Medien über die angebliche deutsche
Technikangstangeführtwurden,fiel
in der allgemeinenAufregungkaum
jemandem auf.Noch bevordie Rich-
terihreEntscheidung verkünden
konnten,stand dasUrteil schonfest:
Deutschland bekommt es einfach
nicht auf dieReihe.
Zweifelloswarenwir in denvergan-
genen Jahrenkein Musterland für ziel-
strebig verfolgte Bauprojekte.Wenn
der neue Berliner Flughafentatsäch-
lichEnde Oktober eröffnen sollte,
sind seit dem Spatenstichvierzehn
Jahrevergangen, seit dem Beginn der
Planungen sogarfast dreißig Jahre.
Auch der Bau des unterirdischen
BahnhofsStuttgart21schlepptsich
dahin, unter anderem,weil Juchtenkä-
ferund Eidechsen umsorgtwerd en
wollen. Europäische Gemeinschafts-
projektewie der Brennerbasistunnel
leiden ebenfalls darunter,dassandere
Länder schon eifrig bauen,während
Deutschland nochdiskutiert.
Dochnochstehen die Chancen gut,
dassTesla kein weiteres Beispiel in
der Liste der schier unendlichdauern-
den Bauprojektewird. In einer eigens
vonder Landesregierung geschaf fe-
nen Taskforce arbeiten alle wichtigen
Entscheidungsträger daran, den für
seine ambitioniertenZeitpläne be-
kannten und für seine Sprunghaftig-
keit gefürcht eten Tesla-Gründer Elon
Musk nicht zu enttäuschen. Keine
zwei Monatenachdem Einreichen
der Unterl agen hatteTesla die Erlaub-
nis, die Kiefernfür den ersten Bauab-
schnitt zufällen. Undauchdas Ge-
richtbraucht enur wenigeTage, um zu
entscheiden: Die Bäume dürfenwei-

terfallen. Eskönntewahrlic hschlech-
terlaufen in Grünheide.
Keine Frage, eskönnen neueRück-
schlägekommen, neue Einwände,
neue Klagen. Deshalb istesauchrich-
tig, sichimLicht eder Tesla-Debatte
nocheinmal kritischüber die deut-
schen Genehmigungsverfahren zu
beugen. Dassdie Bundesregierung
große Verkehrsprojektebeschleuni-
genwill, is tdas eine.Aber auchBau-
vorhaben der Privatwirtschaftmüs-
sen schnellervorankommen, das gilt
für Elektroautofabriken ebenso wie
für Neubaugebiete.Dies sollkein Plä-
doyerdafür sein, auf Bürgerbeteili-
gung zuverzichten,wohl aber fürkür-

zereEinspruchsfristenund Rechtswe-
ge.Auchdas voreinigen Jahren erst
geschaf fene Klagerecht fürVerbände
gehörtauf den Prüfstand, hat sich
dochgezeigt, dassesmanchen dieser
Organisationenweniger um die Sache
geht, sondernvor allem darum,Auf-
merksamkeit zu erregen.
Waswir aber nicht tun sollten, ist,
dem chinesischen Modell zu huldi-
gen. Ja, dortentstehen Krankenhäu-
ser innerhalbvonvierzehnTagenund
Flughäfen in vier Jahren. Doch dies ge-
lingt bekanntlichnur,weil sic hdie Pe-
kingerStaatsführung nicht um die In-
teressen vonAnwohnernund Natur-
schützernschert. DassDeutschland
für ausländische Unternehmen wie
Tesla ein attraktiver Standortist –
trotzder hohenStrompreise, tr otzder
hohenSteuern, trotzder hohen Sozial-
abgaben –, hat maßgeblichdamit zu
tun, dasseseinen funktionierenden
Rechtsstaat gibt.Und gutausgebildete
Mitarbeiter nochdazu.
Das Einzige,waswir uns guten Ge-
wissens vonChina, aber auchvon Tes-
la-Gründer Elon Muskabschauen soll-
ten, is tdie Freude amFortschritt.Die
Lust darauf,etwasNeues zu entwi-
ckeln und damit Geld zuverdienen.
Dassmittlerweile mehr als jeder zwei-
te Deutsche inUmfragen sagt, derKa-
pitalismus schade mehr,als er helfe,
istein Alarmsignal.Auch manche der
Umweltschützer in Grünheide sind in
Wahrheit Kapitalismuskritiker,die
sichdaran stören,dassTesla „Luxus-
karossen“ für die Oberschicht produ-
ziert. Dies isteine bedenkliche Ent-
wicklung. Nicht die langen Genehmi-
gungsverfahren gefährden denStand-
ortDeutschland, sonderneine Gesell-
schaft, die nachzehn Jahren Auf-
schwung vergessen hat, dasswirt-
schaftlicherWohlstand keine Selbst-
verständlichkeit ist.

D


as Coronavirus bedroht mehr
und mehr dieWeltwirtschaft.
Der InternationaleWährungs-
fonds (IWF) dämpftwegen der
Lungenkrankheit seine Prognose für das
laufende Jahr.Für Chinaerwart et er nur
nochein Wirtschaftswachstumvon5,
Prozent–imJanuarwarenesnochsechs
Prozentgewesen. Das berichtete die ge-
schäftsführende Direktorin des Fonds,
Kristalina Georgiewa,amWochenende
auf demTreffender Finanzministerund
Notenbankgouverneureaus der Gruppe
der zwanziggroßenWirtschaftsregionen
(G 20) in Riad. DieFolgen für dieWelt-
wirtschaft sind nachder Einschätzung des

Fonds nochbegrenzt –aber daswar, bevor
in Italienein zweiterTodesfallgemeldet
wurde.Romhat inderFolgemehrer eStäd-
te in der Lombardei undVenetien abgerie-
gelt.AuchinSüdkorea spitzt sichdie Lage
zu, unter anderemkündigte dortder Elek-
tronikkonzernSamsungdie Schließung ei-
nes Werkes an. DasglobaleWachstum soll
mit 3,3, Prozent dieses Jahr 0,1 Prozent-
punktegeringer ausfallen als im Januar er-
wartet.Die Vorhersag eist mitgroßen Un-
sicherheiten behaftet, da niemand denwei-
terenVerlauf der Epidemie absehenkann.
„Viele Szenarienkönnen sichabspie-
len, je nachdem, wie schnelldas Virusein-
gedämmt wirdund wie schnell sichdie chi-
nesischen und anderen betroffenen Volks-
wirtschaftenwiedernormalisieren“, sagte
Georgiewa.Der IWFstehe bereit, den
schwächeren Mitgliedernzuhelfen. Bun-
desfinanzministerOlaf Scholz (SPD) be-
tonteinR iad,essei wichtig, dassdie Staa-
tenimFallegrößererAuswirkungenge-
meinsamgegenhalten.
Angesichts der schweren Verwerfun-
gen, die das Coronavirus in ChinasWirt-
schaf tauslöst, will Präsident XiJinping
weit mehr Kredite inUnternehmen leiten
als bisher.Die Geldpolitik solle „flexibler“
werden, zitierte dasStaatsfernsehen den
BeschlusseinerPolitbürositzungvomFrei-
tag. DerKampfgegen dasVirus, bei dem
durch Pekings strengeQuarantänevor-
schrif tengeschätztrund die Hälfte der Mil-
liardenbevölkerung in ihrer Bewegungs-
freiheit eingeschränkt ist, habe einen „of-
fensichtlichen“ Effekt auf dieWirtschaf t.
Ökonomen sehen in der Ankündigung
einen Hinweis darauf, dasPeking zurRet-
tung derWirtschaf tein gewaltigesKon-
junkturpaket schnürt, dassdie schon jetzt
sehr hoheGesamtverschuldung (Staat,
Haushalte,Unte rnehmen) auf eine noch

sehr vielgefährlichereHöhe treiben wür-
de. DieReaktion derFührung auf dasVi-
russei vergleichbar mit derReaktion Chi-
nas auf dieWeltfinanzkrise im Jahr 2008,
schrieb der inPeking lehrendeFinanzwis-
senschaftler MichaelPettisauf Twitter.
Dieskönne zwar kurzfristig Wachstum
bringen. Langfristig aber würden die
Schulden dieWirtschaf tstark belasten.
HöhereSchulden für ein schonstarkver-
schuldetesLand wie Chinakönnten zu ei-
nem geringerenWirtschaftswachstum in
der Zukunftführen, analysierteauchdie
Ökonomin Alicia Garcia-Herrero vonder
BrüsselerDenkfabrik Bruegel. Diechinesi-
sche Gesamtverschuldung hatteimvergan-

genen Jahr die Marke von300 Prozent der
Wirtschaftsleistung überschritten. Aufge-
türmt wurden die Schuldenvorallem in
Staatsunternehmen durch das Konjunktur-
paket in Höhevonvier BillionenYuan
(520 Milliarden Euro), das diechinesische
Regierung 2008aufgelegt hatte.
Der chinesische Ökonom Zhu Min, der
bis 2016stel lvertr etender Direktor des In-
ternationalenWährungsfonds inWashing-
tonwar,schätzt denVerlustfür diechinesi-
sche Wirtschaf tinden ersten zwei Mona-
tendes Jahres auf mehrals 1,4 Billionen
Yuan (184 Milliarden Euro). Der Löwen-
anteilvon900 MilliardenYuan (118 Milli-
arden Euro) entfällt dabei aufVerluste in

der Tourismusindustrie. AuchRestau rants
blieben leer.Träfediese Schätzung zu,
würden alleindie Verluste im Januar und
Februar das auf dasgesamteJahr gerech-
nete Wachstum um 1,5 Prozentpunktere-
duzieren. Das bedeute, dassChinasWirt-
schaf timersten Quartalvoraussichtlich
garnicht gegenüber demVorjahr wachsen
und derKonsum in diesemZeitraum so-
garschrumpfen würde.
Am Wochenendehattedie Meldung für
Schlagzeilengesorgt, nachder derAuto ab-
satz in Chinain den ersten zweiFebruar-
wochengegenüber dem Vorjahreszeit-
raum um 92 Prozent eingebrochen ist.
Weil die Menschen inweiten Teilen des
Landeswegender Quarantänemaßnah-
menihreWohnung nichtverlassen dürfen
oder freiwillig zu Hausebleiben,werden
Fahrzeugkäufe in Krisenzeiten aufgescho-
ben, wie schon in derZeit des Sars-Virus
2003 deutlich wurde. Damalshatten aller-
dings diegerade für deutsche Hersteller
wichtigenAutoverkäufenachEnde der
Krise sofortwiederstarkangezogen.
Die Auswirkungen der Epidemie in
Norditalie nsind nochnicht abzusehen.In
den abgeriegelten Ortenleben vielePend-
ler,vor allem in Richtung Mailand.Viele
Unternehmenkündigten an, dassihreMit-
arbeiter Heimarbeit leistenwürden. In der
gesperrten Gegend gibt es viele Chemie-
unternehmen undAutozulieferer.Diese
Unternehmenbleiben vorerstgeschlos-
sen. ErsteSchätzungenbesagen, dassal-
lein in denbeidengrößtengesperrten Or-
ten, Codogno und Casalpusterlengo, die
UnternehmeneinenJahresumsatzvon1,
Milliarden Euroerzielten. In Mitleiden-
schaf tgezogenwurde schon die Mailän-
der Modewoche. Armani zeigteseine
SchauderDamenmodenurimInternet.
Die für Italiens Wirtschaf tbedeutende
Messe für die Brillenmode,Mido, sollteei-
gentlichvom29. Februar bis zum 2. März
in Mailandstattfinden,wurde nun aber
kurzfristig abgesagt und auf einen späte-
renTerminverschoben.

N


ochschneller als das Corona-
virus breitet sichdie Angst
aus. Wieviele Opfer wirddie
Lungenkrankheitfordern?Undwie
hartwirdsie dieWeltwirtschafttref-
fen? Während die ersteFrage nie-
mand beantwortenkann, mehren sich
die Anzeichen, dass die ohnehinange-
schlageneWeltkonjunktur einen ech-
tenDämpfer erleiden wird. China tüf-
telt nicht ohne Grund schon an einem
Konjunkturpaket,das vergleichbar
mit dem derFinanzkrise sein soll. Die
Schockwellenwerden auchDeutsch-
land erreichen, immerhinsteht China
für ein Fünftelder globalen Wirt-
schaftsleistung. Es istdie Aufgabe
vonÖkonomen, sich jetzt denKopf
darüber zu zerbrechen, wie schlimm
es dennkommen wird. Dabei sollte
aber nichtvergessenwerden, dassdie
wirtschaftlichen Folgen zweitrangig
sind. Wichtiger als dieWachstumspro-
zentehinter demKomma istdie Zahl
der geretteten Menschenlebenrund
um dieWelt.Wenn das beherzteEin-
greifen der Behörden dazu führt, die
Epidemie aufzuhalten, wie es jetzt in
Italien geschieht, machen sie alles
richtig. Undwenn in ein paarWochen
rauskommt, dassalles halb so
schlimmwar, sind dieWachstumsver-
luste erst rechtzuverschmerzen.

itz. BERLIN.Andersals in den dreiVor-
jahren haben diegesetzlichen Kranken-
versicherungen (GKV) 2019 viel mehr
Geld ausgegeben als eingenommen.Nach
Berechnungen derF.A.Z. betrug derNega-
tivsaldorund 1,6 Milliarden Euro. 2018
hatten dieKassen nocheinen Überschuss
vonfast2Milliarden Euroeingefahren.
Das Defizitvon2019 istdas er steseit


  1. Die neuen Angaben beruhen auf
    den vorläufigen Erhebungen derVerbän-
    de unter ihren Mitgliedskassen. Das sind
    die Allgemeinen Ortskrankenkassen, die
    Betriebskrankenkassen, die Innungskran-
    kenkassen, die Ersatzkassen und die
    KnappschaftBahn-See.
    Den größtenFehlbetrag, 859 Millionen
    Euro, meldetder Verband der Ersatzkas-
    sen, nachdem dessen Mitgliedsunterneh-
    men 2018 nocheinen Überschussvon
    561 Millionen Eurogeschafft hatten.
    Mehr als die Hälfte des Defizits entstand
    im letzten Quartaldes Jahres 2019. Die
    wichtigste GKV-Gruppe, die derAOK,
    hatteimVorjahr einenÜberschussvon
    fast 1,1 Milliarden Euroerwirtschaftet,
    2019 drehtedas Er gebnis auf minus 122
    Millionen Euro. Beachtlichwar auchder
    Rück gang bei den Innungskassen,von
    plus 77 auf minus 231 Millionen Euro.


Die Knappschaftverzeichnete eine Ver-
schlechterungvonplus 91 auf minus 58
Millionen Euro. Beiden Betriebskranken-
kassen sind es nachplus 198 Millionen im
Jahr 2018 diesmal minus 295 Millionen
Euro.
Als Grund für die schlechteEntwick-
lung nennen dieKassen diestarkgestiege-
nen Leistungsausgaben jeVersicher tem.
Bei den Ersatzkassen nahmen sie 2019
im Vorjahresvergleichum5,6 Prozent zu,
während die Einnahmen nur um 3,6 Pro-
zent wuchsen. Besondersstarkwar der
Ausgabenanstieg bei Medikamenten und
Heilmitteln. Die Erlöse wiederum wur-
den durch die Senkung desZusatzbei-
trags in derTechni kerKrankenkasse be-
lastet. Bei Einnahmenvon29,2 Milliar-
den Euroverzeichnete die Versicherung
eine Unterdeckung von472 Millionen
Euro. IhreLeistungsausgaben jeVersi-
chertemstiegen um 6,3 Prozent.
Auch der AOK-Bundesverband meldet,
dass2019 dieSteigerungsrateder Leis-
tungsausgaben mit 4,4 Prozent besonders
hochgewesen sei. DerVerbandsvorsitzen-
de Martin Litsch monierte in diesemZu-
sammenhang, dassdie Politik denVersi-
chertensinkende Beiträgeversprochen
habe, abergleichzeitig dafür sorge,dass
die Kosten starkstiegen. „DieAusgaben-

entwicklung in der GKV nimmt Fahrt
auf. AlsResultat spüren dieKassen erheb-
lichen Druckauf die Beiträge, dieVersi-
chertenerleben aber nochkeine bessere
Versorgung“, sagteLitsch derF.A.Z.
Ulrik eElsner,die Vorsitzende des Er-
satzkassenverbands VDEK, ergänztege-
genüber derF.A.Z.: „DieZahlen zeigen,
dass wir in den nächstenJahrendas politi-
sche Augenmerkwiederstärkerauf die
Ausgabenentwicklung legen müssen.
Dies giltvorallem in Hinblick auf die neu-
en hochpreisigen Arzneimittel.“ Die Ge-
setzgebung habedie Versorgungzwarver-
bessert,etwamit dem Pflegepersonalstär-
kungsgesetz oder mit dem Terminser-
vice- undVersorgungsgesetz.Aber die po-
sitivenVeränderungenkosteten Geld, das
Versicher te und Arbeitgebergemeinsam
aufbringen müssten.
Elsner begrüßteden Gesetzentwurf
vonBundesgesundheitsministerJens
Spahn (CDU) zu einem „FairenKassen-
wettbewerb“. Damit sei klar,dassdie Er-
satzkassenvon2021 an mehr Geld aus
dem Gesundheitsfonds erhielten, weil
sichdie Zuteilungsmechanismen im Risi-
kostrukturausgleichzuihren Gunstenver-
änder ten: „DiesesGeld werden dieErsatz-
kassen für dieVersorgung ihrerVersicher-
tenbenötigen.“

Die Lageder Kassen sieht dramati-
scher aus, als sietatsächlichist.Die Defi-
zitesind politischgewollt, damit dieriesi-
genReserveninder GKV abschmelzen.
In den ersten drei Quartalen 2019 betru-
gendiese Rücklagen und Betriebsmittel
annähernd 21 Milliarden Euro. Das ent-
sprac hmehr als denAusgaben allerKas-
sen in einem Monat und demVierfachen
der gesetzlichvorgeschriebenen Mindest-
reserve.Spahn hat mehrfach darauf hin-
gewiesen, dassder gewollteAbbau der
Rück lagen buchungstechnischzueinem
„unechten Defizit“ führe. „Beitragsgelder
sind keine Spareinlagen“, sagteder Minis-
terimDezember.Mit raschen Beitrags-
steigerungen istdaher erst einmal nicht
zu rechen.
Krankenkassen mit besondershohen
Reservenmüssten diese deshalb Schritt
für Schritt absenken. „Dadurch profitie-
renauchdie Beitragszahler.“Vorgesehen
ist, dassdie Rücklagen der einzelnenVer-
sicherungen bis 2023 unter diegesetzli-
cheObergrenze voneiner Monatsausga-
be fallen. Das Gesundheitsministerium
wolltesichzuden Finanzzahlenfür 2019
nicht äußern, da diese noch nicht offiziell
seien.Üblicher weise veröffentlicht das
Haus vonJens Spahn die Einnahmen und
Ausgaben der GKV jedes Jahr im März.

Testfall Tesla


VonJuliaLöhr

G


esetzlichVersicherte reiben
sichdie Augen: Ein erkleckli-
cher Teil ihres Gehaltsfließt
an die Krankenkassen–von ihnen
selbstund vonden Arbeitgebern–,
und trotzdemreicht das viele Geld
nicht aus: Ersten Zahlen zufolgeha-
ben dieKass en 2019 einriesiges Defi-
zit eingefahren. Der Grund dafür ist
einfach.Die Kosten im immerkom-
plexerwerdenden Gesundheitswe-
sen steigen, aber diestarkreglemen-
tiertenKassen dürfennicht einfach
ihreBeiträgeerhöhen. Lässt die Poli-
tik,die das System r eguliert,die Ver-
sicherungen alsovordie Wand fah-
ren? Das Gegenteil istder Fall. Zu
Rechtpocht Bundesgesundheitsmi-
nisterJens Spahn(CDU) darauf, dass
die Kassen zuerst einmal ihreimmen-
sen Rücklagen herunterfahren, bevor
sie (noch)mehr Geld verlan gen.
Schließlichsitzen sie auf einemSchatz
von20Milliarden Euro, viermal so
vielwie vorgeschrieben.DiegroßeFra-
ge ist, waspassiert,wenn die früheren
Überschüsse passé sind. Dann nach
Beitragsaufschlägen zurufenwäreder
falsche Weg. Vielmehr müssen die
Kassen so effizientwerden, dassdie
Sätze künftig ausreichen. Wenn
SpahnsRosskur zumehr Kostendiszip-
lin führt, hat sie sichgelohnt.

Krankenkassen verzeichnen Milliardendefizit


SteigendeAusgabenverursachen erstes Minus seit 2015/Müssen nun die Beiträgesteigen?


Das Einzige,waswir uns
vonChina abschauen
sollten, istdiese Lust,
etwasNeues zu schaffen.

DawardieWelt nochinOrdnung: EineVenedig-Karnevalistin imvergangenen Jahr FotoGetty

Sicherheit geht vor


VonJohannesPennekamp

Spahns Rosskur


VonChristianGeinitz

Anfang Juliwerden in Berlindie Mi-
nistervieler Länder erwartet.Essoll
der Startschussfür die neueWeltsteu-
erordnung fallen.„Wir wollen
erreichen, dass es de ngroßenDurch-
bruc hgibtbei derNeuordnung der
Besteuerung zwischen denLän-
dern“, sagteFinanzministerOlaf
Scholz (SPD)während desG-20-Gip-
fels in Riad.Bis Ende 2020 solle es
eine„konsensbasierte Lösung“ge-
ben ,hieß e samSonntagimAb-
schlu ssbericht.
Unterdem Dachder Industrielän-
derorganisation OECDverhandeln
scho nlänger mehr als 135Nationen
undJurisdiktionen,wie man nationa-
le Alleingängevermeiden und das in-
ternationaleSteuer recht der neuen
Realitätanpasse nkann. Immer mehr

Unternehmenbrauchen schließlich
keine physische Präsenzmehr in an-
deren Ländern,umdortGewinnezu
erwirtschaften. Frankreich, Großbri-
tannien, Italien und Spanien haben
nationaleDigitalsteue rn erarbeitet,
um an die Gewinne der Internetkon-
zerne wie Apple, Google, Facebook
und Amazon zukommen. Amerikas
Finanzminister Steven Mnuchin
warnte,dannwerde seinLandhan-
delspolitische Gegenmaßnahmenbe-
schließen. Der inParisentwic kelte
Ansatzsteht aufzweiSäulen: Die
Staaten sollenstärkervon den Ge-
winnsteuernprofitieren undessoll
eineneue Mindestbesteuerung ge-
ben.Die OECDstelltMehreinnah-
men in der Größenordnungvon
Milliarden DollarinAussicht. mas.

Coronavirus vernicht et Wachstum


Hendrik Ankenbrand,
Hongkong,Tobias
Piller,Rom, Manfred
Schäfers, Riad

Das 100-Milliarden-Dollar-


Versprechen


DieFolgen werden


konkret: Chinaverliert


Tempound plant ein


großes Konjunkturpaket.


Viele Italiener müssen


zu Hauseblei ben.

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