Frankfurter Allgemeine Zeitung - 24.02.2020

(Wang) #1

SEITE 4·MONTAG, 24.FEBRUAR2020·NR.46 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Kriegserklärung


zum 1. März


Die türkischeNationalversammlung
beschließt einstimmig, Deutschland
und Japan mitWirkung vom1.März
den Krieg zu erklären. Damiterfüllt
das Land das Kriterium für eineZu-
lassung zur Gründungsversammlung
der VereintenNationen in SanFran-
cisco. DieFrist1.Märzhatten die
GroßmächteinJaltabeschlossen.Zu
diesemZeitpunkt istder Schritt der
Türkei weitgehend symbolischerNa-
tur.Bemühungen, das Land zum
Kriegseintritt an der Seiteder Alliier-
tenzubewegen, hatteesallerdings
schon seit 1943gegeben. Der türki-
sche Staatspräsident IsmetInönü war
zur Konferenz inKairoeingeladen,
wo der britische Premierminister
WinstonChurchill und der amerika-
nische PräsidentFranklin D.Roose-
velt über die Kriegslageberie ten. Inö-
nü wollteaber einerseits sein Land
so langewie möglichaus demKon-
flikt heraushalten; andererseitsfor-
derte er britische und amerikanische
Garantiengegenvon ihmgefürchtete
Ambitionen der Sowjetunionauf die
türkischen Meerengen. London und
Washington konnten diese freilich
nichtgeben, schongarnicht öffent-
lich. Stalins Sowjetunion trug zu die-
sem Zeitpunkteindeutig die Haupt-
lastdes Kampfesgegen dengemein-
samenFeind.


„Zerstörungenvermeiden“


Die norwegische Exilregierungver-
breit et Anweisungen an Arbeiter,Ge-
schäftsleute, Beamteund andere im
Land.Angesichts der eindeutigen
Kriegslage geht es darum, möglichst
unbeschadet über das Ende der Be-
satzungszeit zukommen. Arbeiter
sollen verhindern,dassdie Deut-
schenZerstörungen inFabriken an-
richten.Geschäftsleutesollen die
Versorgungder Be völkerungaus ver-
steckten Lebensmitteldepots organi-
sieren, Bauern diese Depotszuvor
anlegen. DieStaatsbeamtenwerden
auf „Befehle“ alliierterFührer oder
dernorwegischenWiderstandsbewe-
gungvorbereitet.AnSeeleute
schließlichergeht die Anweisung,
ihreSchiffe vo rden Deutschen zu
schützen und sichder Widerstands-
bewegungzuunter stellen.


Feierstunde der NSDAP


in München


Die NSDAP begeht den 25. Jahrestag
der Verkündung ihres Parteipro-
gramms. In München, der „Haupt-
stadt der Bewegung“,findetaus die-
sem Anlasseine Feier statt. Hitler
lässt Staatssekretär Hermann Esser
eine Anspracheverlesen. Der „Füh-
rer“ läs st mitteilen: „Pflichtbewusst-
sein und Arbeitverbietenesmir“, in
diesemAugenblickdas Hauptquar-
tierzuverlassen. In dervonEsser ver-
lesenen Ansprache heißt es unter an-
derem, schon 1920 hätten der „aus-
beuterische Kapitalismus“ und der
„menschenvernichtende Bolschewis-
mus“ ein „unnatürliches Bündnis“ge-
schlossen. Dieses habe diePartei be-
kämpft,umdie Nation zu erhalten.
Das Judentum wird einweiteres Mal
als großer Feind ausgemacht.Es
gebe, so Hitler,freilicheinen ent-
scheidenden Unterschied zwischen
1920 und 1945. Damals sei Deutsch-
land gelähmt und schwachgewesen.
Jetzt abergebe es ein „sichmit äu-
ßerstem Fanatismus wehrendes
Volk“. Heftig kritisiert er diewestli-
chen Alliierten. Deren „bornierte
Vertreter“ glaubten, „mit demTeufel
ein Bündnis abschließen zukönnen,
in der Hoffnung, listiger zu sein, als
er satanischist.“ Hitlerprophezeit
nochfür 1945 „die geschichtliche
Wende“. Am Ende des Kriegswerde
der Sieg Deutschlandsstehen.Über
den Grad der Begeisterung bei den
Teilnehmernder Feierstunde ist
nichts überliefert. pes.


Nach dem Mordanschlag in Hanau ha-
ben am Wochenendeing anzDeutsch-
land Tausende Menschen gegenRassis-
musund Rechtsext remismus demons-
triert.In Hanau liefen am Sonntag nach
Schätzungen derPolizei biszu
MenschenvomTator tamKurt-Schuma-
cher-Platz in die Innenstadt.Dortgab es
eine Kundgebung, an der Angehörige
derOpfer ,der türkische BotschafterAli
Kemal Aydin, OberbürgermeisterClaus
Kaminsky (SPD)sowie Vertreter ver-
schiedenerReligionenteilnahmen. Es
seidringen dnötig, ein Gegengiftfür den
Hass zu finden, sagte BotschafterAydin.
Dietürkische Gemeindeerlebe vonJahr
zu Jahr mehrAngriffe auf Menschen,
auf Moscheen oderauf Vereine.„Das

kann und darf so nichtweiter gehen.“
Aufeiner Bühne wurden Bilderder Er-
mordeten gezeigt undderenNamenver-
lesen. DieTatsei ein barbarischer Akt
und ein Angriff auf dieganze Gesell-
schaft, sagte einAngehöriger.Diese müs-
se nun zusammenstehen. Patrucij aKo-
walskavon derKampagne „Kein
Schlussstrich“ aus Münchenwarnte da-
vor, den Täterzupathologisieren. Die
Planung und dieTatdes Mördersseien
einer perfiden Logikrechter Terroran-
schlägegefolgt.Ursachen dieser Gewalt
seienRassismus und Antisemitismus.
In derNach tauf Donnerstag hatte
der 4 3JahrealteTobiasR.ineiner Ha-
nauer Shisha-Bar und in einemKiosk
neun Menschen mit Migrationshinter-

grund und anschließend sichselbstund
seine Mutter erschossen. Der General-
bundesanwalt sprachvon einer „zu-
tiefst rassistischen Gesinnung“. Hes-
sens InnenministerPeter Beuth (CDU)
kündigtenachdem Anschlagdie Ent-
wicklung eineskommunalenFrühwarn-
systems imKampfgegen Extremismus
an. „Wir haben in denvergangenen
zwei Jahren landesweit Sicherheitspart-
nerschaftenmit insgesamtfast70Städ-
tenund Gemeinden aufgebaut“, sagte
Beuth der„Welt am Sonntag“.Jetzt wer-
de man dieses Angeboterweitern. Je-
der solle sichjederzeit amFrühwarnsys-
temper App beteiligenkönnen.
Auch im StuttgarterStadtbezirkHe-
delfingenfielen i nder Nach tauf Sams-

tagSchüsse auf eine Shisha-Bar.Bis-
lang unbekannteTäter gaben zwei
Schüsse ab, einertrafden Eingangsbe-
reich, ein zweiter den Gastraum. Zwei
Glasscheiben wurden beschädigt. Bis-
lang konnten die Ermittler desStaats-
schutzes nochnicht klären, ob sichwäh-
renddessen Gäste in der Bar aufhielten.
Fachleutedes Landeskriminalamts un-
tersuchen derzeit die amTatort gefun-
denen Projektile.„Angesichts der tragi-
schen Ereignisse in Hanau haben wir
die Maßnahmen zum Schutz solcher
Barsnocheinmal erhöht.Die Kollegen
sind nachdiesemVorfall ein weiteres
Mal sensibilisiertworden“,sagteein
Sprecher desPolizeipräsidiumsStutt-
gart. F.A.Z.

Ein Zeichengegenden barbarischen Akt

Zusammenhalt: In Hanau ziehen am Sonntagetwa10000 Menschen durch dieStadt, um derOpfer des Mordanschlags zugedenken. FotoFrançois Klein

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Palästinenser getötet
Die israelische Armee hat am Sonn-
tagander Grenze des Gazastreifens
einenPalästinenser erschossen, der
dortnachihren Angaben eine Bombe
legenwollte. DieradikalePalästinen-
seror ganisation „Islamischer Dschi-
had“ teiltemit, es handele sichum
ein Mitglied ihres bewaffnetenFlü-
gels. Nachder Vereitelung des An-
griffs habe ein Bulldozer der israeli-
schen Armee die Leiche desPalästi-
nensers geborgen, sagteeine Armee-
sprecherin. IsraelsVerteidigungsmi-
nisterNaftali Bennett lässt die Lei-
chen vongetötet en Palästinensern
prinzipiell bergen, um siewomöglich
alsFaustpfandverwenden zu kön-
nen. Die Hamasverfügt seit 2014
über diesterblichenÜberrestevon
zwei israelischen Soldaten. AFP

Trumpwill dochneuen


Botschafterfür Berlin
DonaldTrumpmöchte nun dochei-
nen Nach folger für RichardGrenell er-
nennen. „Ichwerde einen Botschafter
für Deutschland ernennen“,sagteer
am Sonntag imWeißen Haus,kurzbe-
vorerzueiner Reise nach Indien auf-
brach.TrumphatteGrenell in derver-
gangenenWochezum amtierenden
NationalenGeheimdienstdirektor
(DNI) ernannt, aber bisher nichtge-
sagt, dasserdiesen auchdauerhaftfür
die Position habenwolle. Dafür müss-
te GrenellvomSenat bestätigt wer-
den. Zwischenzeitlich hieß es, Gre-
nell soll wieder nachBerlin zurück-
kehren,wenn einregulärerNachfol-
gergefunden sei.Trumpsagte, er
habe fünfKandidaten in derAuswahl,
die denPosten dauerhaftüberneh-
men könnten. ZugegebenerZeit, „in
nicht allzuferner Zukunft“,werdeer
verkünden,werdiese seien. sat.

1945


Wichtiges inKürze


E

swar das Wochenende der
Angstund des Zitterns, der Läh-
mung und derAbriegelung–so
lauteten die Schlagzeilen der ita-
lienischen Medien. Eswardas Wochenen-
de der ersten beidenTodesfälle in Italien
im Zusammenhang mit dem Coronavirus,
registriertinden norditalienischenNach-
barregionen Lombardei undVenetien. Es
wardas Wochenende der beinahestünd-
lichnachoben schnellenden Infektions-
zahlen, aufmehr als 130bis zum Sonntag-
nachmittag.
Wiebenommenverfolgten die Italie-
ner,dassaus demStädtchen Codogno in
der Lombardei in Medienberichten das
„italienische Wuhan“ wurde und aus ih-
remLand das „China Europas“.Tatsäch-
lichwurde kein europäischerStaat von
der mittlerweile globalen Krisewegen
des Coronavirus so schwergetroffenwie
Italien. Am Samstaghattedie Zahl der In-
fektionen inganz Italien nochbei 79 gele-
gen, fast alle in den wirtschaftsstarkenRe-
gionen imNord en des Landes. Die zwei
Todesfälle wurden postmortemals Folge
der vondem VirusausgelöstenLungen-
krankheit Covid-19 bestätigt.Inder Regi-
on Venetien nahePadua starb ein 78 Jah-
re alter Mann. In Mailand erlag eine 77
JahrealteFrauder Krankheit.Sie warin

derStadt Codogno, knapp siebzig Kilome-
tersüdöstlichvon Mailand, amgleichen
Taginder Klinikgewesen wie der als „Pa-
tient eins“ bezeichnete 38 Jahrealte
Mann, der bisher als erster Fall einer in
Italien erfolgten Infektion gilt.
Um die weiter eAusbreitung desVirus
einzudämmen, hattedie Regierungvon
Ministerpräsident Giuseppe Conteinder
Nach tzum Sonntag die beispiellose Maß-
nahme einer Isolierung des mutmaßli-
chen Epidemie-Zentrumsverfügt. Es han-
delt sichumelf Städtesüdöstlichvon Mai-
land mit zusammen gut 50 000 Einwoh-
nern. Gleichfalls isoliertwurde die Ge-
gend um die OrtschaftVoEuganeo mit
etwa dreitausend Einwohnerninder Regi-
on Venetien. In diesem zweiten, kleine-
renEpidemie-Zentrum sind mehr als
zehn Menschen mit demVirusinfiziert.
„Das Betreten undVerlassen dieser Gebie-
te istverboten“, teilteConteamfrühen
Sonntagmorgennacheiner mehr als drei-
stündigen Krisensitzung des Sicherheits-
kabinetts mit derFührung des Zivilschut-
zes und der Gesundheitsbehörden mit.
DieIsolier ungwerde vonden örtlichen Si-
cherheitskräftendurchgesetzt, notfalls
würden dieStreitkräfte mobilisiert.
Conteverfügte zudem die Schließung
vonUnternehmenund Schulen sowie die
Absagevon öf fentlichenVeranstaltungen
wie Karnevalsfeiernund Sportwettbewer-
ben. Am Sonntagmittag verfügte derRe-
gionalpräsidentvonVenetien,Luca Zaia,
auchdas vorzeitigeEnde desKarnevals
vonVenedig, der mitUmzügen undFesten
bis Dienstag hättedauernsollen.Zaia gab
die Zahl der InfizierteninVenetien mit 19
an, unter ihnen zwei ältereMenschen, die
in einer Klinik inVenedig behandelt wür-
den. Unklar ist,wo sichder als „Patient
eins“ bezeichnete 38 JahrealteMann aus
Codogno und der 78 JahrealteVerstorbe-
ne ausVo Euganeo infizierthaben.
Die Theorievoneinem „Patient null“
vonCodogno wurde inzwischen wieder
verworfen. Der alsÜberträger desVirus
vermuteteitalienischeManagerwaram


  1. Januaraus S changhai zurückgekehrt
    und hatte sichmehrfachmit dem befreun-
    deten „Patienten eins“getrof fen. Bei dem
    Rückkehrer aus Chinakonnteaber keine
    Infektion mit dem neuen Coronavirusfest-
    gestellt werden. Andersals bei den insge-
    samt14 InfizierteninBayerngibt es in Ita-
    lien offenbar nicht einen einzigen „Patien-
    tennull“, sondern es müssen mehrere
    Überträger gew esen sein. Mutmaßlich
    wurde dasVirusvon Touris tenoder Ge-
    schäftsleuten aus China nachItalieneinge-
    schleppt.Nach offiziellenStatistiken le-
    ben in Italienrund 300 000 Chinesen.
    Seit dem 31. Januar gibt eskeine Direkt-
    flügemehr zwischen Italien und China.
    In Peking äußerte man sichseinerzeit er-
    bostüber die als unverhältnismäßig ange-
    prangerte Maßnahme derRegierung in
    Rom, die zunächstbis Ende April gilt.
    WiesichamWochenendegezeigt hat,
    warsie jedochnutzlos:Über Umst eigeflü-
    ge kamen nochimmer Chinesen und Chi-
    na-Reisende nachItalien. Es istkein Zu-
    fall, dassdie wirtschaftsstarkenRegionen
    Nord italiensvonder Epidemie besonders
    starkbetroffen sind. Seit Jahren unterhal-
    tendie Lombardei und die Emilia-Roma-
    gna, Venetien und Piemont engeWirt-
    schaftsbeziehungen zu China.Agrarpro-
    duktewerdenexportiert, Industrieproduk-
    te importiert, und es kommen immer
    mehrchinesischeTouris ten.
    Vorknapp einem Jahr hattenRomund
    Peking den Beitritt Italiens als erstes
    Land der G-7-Gruppe derwestlichen In-
    dustrienationen zumchinesischen Seiden-
    straßen-Projektvereinbart. Die Anfang
    Märzvon beidenRegierungenvereinbar-
    te Übereinkunftwurde dann beim pompö-
    sen Staatsbesuchvon Präsident Xi Jin-
    ping in Italien im Märzbesiegelt.InForm
    eines allgemeinen „Memorandum ofUn-
    derstanding“ sowie durch insgesamt 29
    konkrete bilateraleVereinbarungen, da-
    von19zwischenRegierungsinstitutionen
    und zehn zwischenUnternehmen. DieAb-
    kommen hatten nachRegierungsangaben
    einenUmfang vonzunächst2,5 Milliar-
    den Euro, dieserkönne aber auf bis zu


zwanzig Milliarden Eurowachsen, hatte
es überaus optimistischgeheißen. Xi
pries seineVisite in Italien seinerzeit als
„großen Erfolg“ und erinnerte in einem
Beitrag für dieZeitung „Corrieredella
Sera“ daran, dassder venezianische Händ-
ler MarcoPolo schonvorsieben Jahrhun-
derteninItalien „die ersteLeidenschaft
für China“ entzündethabe. Diese uralte
Glut sei nun neu entflammt, schrieb Xi.
Nunist sie jedochschon wieder erlo-
schen, wie es scheint.Dabei hättedas
Jahr 2020 einganz besondersgutes wer-
den sollen.Romund Peking hatten es,
aus Anlassder Aufnahme diplomatischer
Beziehungen vorfünfzig Jahren, zum
„Jahr derKultur und desTourismus“ aus-
gerufen. Im Jahr 2019 hatteItalien einen
Zuwachsumzwanzig Prozent imVer-
gleichzum Vorjahr auf mehr als drei Mil-
lionen Besucher aus Chinaverzeichnet.
Fürdieses Jahrwardie Marke vonvier
MillionenchinesischenTouris tenange-
peilt word en. Museen hatten bilaterale
Vereinbarungen zurwechselseitigen Lei-
he vonExponatengetrof fen, Messen zu je-
weiligenLänderschwerpunkten.LucaFer-
rari,Roms BotschafterinPeking, pries
China und Italien als „Supermächtemit
Blickauf ihr eKulturgüter“ mitfast schon
grenzenlosemPotential zurKooperation.
Die Stadt Pratonordwestlich vonFlo-
renz gil tals Musterbeispiel für dieKonse-
quenzen der zumal durch Chinaforcierten
Globalisierung in dervonFamilien-und
Kleinbetrieben geprägtenVolkswirtschaft
Italiens. Seit den neunziger Jahrenström-
tenchinesischeArbeiter nachPrato, wo
sie zu Hungerlöhnen invonChinesenkon-
trollierten Strickereie nund Nähereien
schufteten. DenRest gaben den alteinge-
sessenenFamilienbetriebender Region
die Kleider-,Taschen- und Schuhfabriken
im fernen China. Diekopierten italieni-
schesTextil- und Lederdesign und über-
schwemmten mit ihren Billigprodukten
„Made in Italy“ die internationalen Märk-
te.Die neuesteHerausforderung istdas
sich ausbreitende Coronavirus im Herz-
land der italienischenVolkswirtschaft.

mwe. BERLIN. Angesichts der De-
batteüber eine Mitverantwortung der
AfD für rassistische Gewalttaten wie
dieMorde in Hanau hat dieParteispit-
ze er stmals vorsichti ge Selb stkriti kge-
äußert. In einem offenen Brief an die
AfD-Mitgliederverurteilen dieVorsit-
zenden JörgMeuthen und Tino Chru-
palla dieMordevonHanau als „rassis-
tisches Verbrechen“, dessen Motiv
„Ausländerhass“gewesen sei. DieTat
vonHanau sei „wie der MordanWal-
terLübcke und die MordevonHalle
eine Schande für Deutschland“. Zwar
wehren sie sichdagegen, die AfD „in
die Nähe desRechtsextremismus rü-
cken“ zuwollen. Dochmüsse diePar-
teisichfragen ,waru mesden politi-
schen Gegnerngelinge, sie „über-
hauptmit einem solchenVerbrechen“
wie in Hanau inVerbindung zu brin-
gen.
Wenn die AfD Grundrechte in
Deutschland bedroht sehe, dann be-
deutedas nicht, „dasswir anderen
Menschen oderVölker ndas Existenz-
rech tabsprechen oder sie abschätzig
behandeln“, schreiben Meuthen und
Chrupalla. Solche Sichtweisengehör-
ten„nichtzuden guten deutschenTra-
ditionen, die wir bewahren wollen“,
heißt esweiter.„Wersichrassist isch
und verächtlichüber Ausländerund
fremdeKulturen äußert, handelt ehr-
los und unanständig und damitgegen
Deutschland und die AfD.“Bisher hat-
tenAfD-Politiker es lediglichzynisch
genannt, die Morde in Hanaugegen
die AfD zu „instrumentalisieren“.
NacheinerUmfrag edes Instituts
Kantar geben sechsvonzehn Deut-
schen der AfD eine Mitschuld für
rechtsextremistischmotivierte Ge-
walttaten.Politiker mehrererPartei-
en fordertenzudem, die AfD noch
stärkerals bisher durch den Verfas-
sungsschutz beobachten zu lassen.
Der Grünen-VorsitzendeRobertHa-
becketwasagte, er halteesfür ange-
messen, „wenn der Verfassungs-
schutz die AfD alsVerdachtsfall beob-
acht et und dabei auchnachrichten-
dienstliche Mittel anwenden kann“.

Angstvor „Italiens Wuhan“


DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN

23./24. FEBRUAR


„Keine gute


Tradition“


AfD-Spitzenennt


Rassismus „ehrlos“


Minis terpräsident Conte


hat wegendes


Coronavirus betroffene


Gebiete in Nordital ien


abgeriegelt.Die geplante


Annäherungmit China


gerätins Stocken.


VonMatthiasRüb, Rom


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