Frankfurter Allgemeine Zeitung - 21.02.2020

(ff) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Wirtschaft FREITAG,21. FEBRUAR2020·NR.44·SEITE 15


Seite17SSeite17 eite

Vorder Wahl in Hamburg stehen


sichalteund neueWirtschaft


unversöhnlic hgegenüber.


Die Erkrankung schlägt immer


stärkerauf die Wirtschaf tvon


ChinasNachbarländerndurch.


Die Folgen vonExportverboten


und verzöger tenGroßaufträgen


sind deutlichzuspüren.


UMBRUCHANDERELBE CORONAVIRUS TRIFFTASIEN ADERLASS BEIAIRBUS

M


itFahrrädernwarensiege-
kommen, mit Kinderwa-
genund mitTransparen-
ten. Die ersteDemonstrationgegen
das KernkraftwerkFessenheim am
Oberrhein fand 1971statt, sechs Jah-
re vorderInbetriebnahme.DieAtom-
kraftgegnerkonnten den Bau an der
deutsch-französischen Grenze nicht
verhindern, dochnun tragen sie ei-
nen späten Sieg davon. An diesem
Samstag wirdder er steReaktorvon
Frankreichs ältestemKernkraftwerk
für immer heruntergefahren. Ende
Juni folgt der zweite, womit der
Standortganz schließen wird.
Wernun vermutet,der deutsche
Atomausstieg habe dasNachbarland
angesteckt, irrt allerdings. Fessen-
heim wirdmehr wegendes langen
deutschen Drängens abgeschaltet als
wegenfranzösischer Ausstiegslust.
FrankreichhatinderWeltdenhöchs-
tenAtomanteil an derStromerzeu-
gung –mehr als 70 Prozent.Schritt-
weise soll er auf 50 Prozent sinken,
dochdafür lässt man sich15Jahre
Zeit, wenn die aktuelle Planung über-
haupteingehalten wird. Die Maxime
lautet,sichdie gut eKohlendioxidbi-
lanz nichtverderben zu lassen.Kein
Atomkraftgegner,der hochnäsig über
die französische Energiepolitik den
Stab bricht, sollte diesen Vergleich
vergessen: Je Einwohner stößt Frank-
reichnur gut halb so vielCO 2 aus wie
Deutschland–und das, obwohl die
Franzosen nicht weniger mit dem
Auto fahren als die Deutschen und
gleichzeitig in schlechter isolierten
Häusernund Wohnungen leben. Den
Unterschied macht dieStromerzeu-
gung. Nur0,3 Prozentkam2019 aus
derKohleverstromung.NebenderNu-
klearenergiesind dieWasserkraftwer-
ke in den Bergregionen mit 11 Pro-
zent eine wichtigeQuelle. Sie produ-
zieren mehrStromals Gaskraftwerke
(7 Prozent),Windräder (6 Prozent)
und Solaranlagen (2 Prozent).
Die Kern-und Wasserkraftwerke
sind längstabgeschrieben und erlau-
ben eine preisgünstigeStromerzeu-
gung. Laut Eurostatgenießt ein mit-
telgroßer Haushalt inFrankreichei-
nen Preisvon17Cent pr oKilowatt-
stunde;inDeutschlandsind es75Pro-
zent mehr.Ohne Steuernund Abga-
ben liegt der deutscheStrompreis im-
mernochknapp 30 Prozent höher.Si-
cherlich: Diewahren Kosten derNu-
klearenergie spiegeln diese Preise
nicht wider.Der marktbeherrschen-
de Energieproduzent Electricitéde
France (EdF) müsstemehr Rückstel-
lungen für den nuklearenAbfall und
den Rückbau der Anlagenvorneh-
men; die vomStaat mitfinanzierte
Forschung schlägt sichinden Preisen
auchnicht vollständig nieder.Sohin-
kenalle Preisvergleiche. DochFakt
ist, dassFrankreic heine stabile Ener-

gieversorgung hat, die im Landerela-
tiv unumstritten ist.Durchdiegünsti-
genPreise und die hohe Auslastung
seiner Kraftwerkeist das Land Euro-
pas größter Stromexporteur.
Dennochsteht auchdie französi-
sche Energiepolitikvorgroßen Her-
ausforderungen.Nochkönnenetliche
der altenKernkraftwerke länger be-
triebenwerden als anfangsgedacht.
Dochbald müssen sie aufwendig mo-
dernisiertoder durch neueReaktoren
ersetztwerden. Der Bau neuer Atom-
meiler sprengt indes die Budgetsund
die Zeitplanungen wie nie zuvor.Die
BaustellevonFlamanville in derNor-
mandie,wo der einstvon Siemens

mitentwickelte Druckwasserreaktor
EPR-3 errichtetwird, is theillos ver-
spätet und überteuert.Die Nuklear-
energie aus neuenReaktoren istein
kostspieliges Abenteuer geworden.
Allein schon deshalb willFrankreich
die erneuerbaren Energien ausbau-
en. Sehrweit is tman allerdings nicht
gekommen.Trotzder langen Meeres-
küsten hatFrankreichnicht ein einzi-
gesWindrad im Meer errichtet. Vor
denbritischenKüstensindesTausen-
de. Anrainer bremsen die Projekte,
und dieRegierung macht nichtgenü-
gend Druck. Mangelnde Dynamik ist
das größteMankoder französischen
Energiepolitik.ImZentrum davon
steht der staatliche Erzeuger EdF.
Wettbewerber haben ihm bisher nur
überschaubareMarktanteile abge-
nommen.Alle58Kernkraftreaktoren
und 80 Prozent derWasserkraftwerke
darferbetreiben, ohne dafür jemals
eine Ausschre ibung gewonnen zu ha-
ben. DieKonkur renten müssen ihren
StrombeiEdFeinkaufen.AufdemPa-
pier is tdas Unternehmen kein Mono-
polistmehr,docheragiertimmer
nochselbstherrlichwie ein solcher.
EdFis tweiterhin tiefvonderNuklear-
kultur geprägt und willstur an den
Exportglauben. Dabeistagniertdie
Zahl derweltweitenKernkraftwerke
seit Mitteder neunziger Jahre.
Die Industrie hat dieKosten für
neue Atomanlagen nicht im Griff.
Gleichzeitig werden die erneuerba-
renEnergien immer billiger.Das
zeigt, dassdie Nuklearenergie nur
eine Brückentechnologie seinkann,
bis saubererStromund die Speicher-
techniken wirklich reif sind. Doch
Kernenergie schont das Klima, inso-
fern bleibt sievorerstein festerBe-
standteil der französischen Energie-
politik.Das leuchtet ein.

E


sist schon erstaunlich, wer
sichsoalles über dasgeplante
Tesla-Werk im brandenburgi-
schen Grünheide echauffiert. Vonei-
nem bayerischen Verein für Land-
schaftspflegeüber die Anti-Wind-
kraft-Bewegung bis hin zur AfD er-
strecktsichder Pr otest. SelbstBraun-
kohlegegner fühlen sichberufen,ge-
gendie Rodung eines Geländes zu de-
monstrieren,dasschonseitzwanzig
Jahren zumindestauf demPapier ein
Gewerbegebietist. Um die Kiefern,
die nochauf dem Arealstehen, geht
es bei den Protestengar nicht so sehr.
Dasseine solche Monokultur nicht
sonderlicherhaltenswertist,hat sich
auchzuden Umweltschützernherum-
gesprochen.Stattdessen wirdGrün-
heide immermehr zu einem Schau-
platz für eine allgemeineKapitalis-
muskritik.Warum überhauptneue
Arbeitsplätze schaffen, warumein
amerikanisches Unternehmen nach
Deutschland locken, dessen Elektro-
autos sich ohnehin nur ein kleiner
Teil der Bevölkerung leistenkann: Es
sind nicht die angeblichsolangen Ge-
nehmigungsverfahren,diedemStand-
ortDeutschland schaden.Viel gefähr-
licher isteine öf fentlicheStimmung,
die dasStreben nachGewinn alset-
wasVerwerfliches ansieht.

Adieu Fessenheim


VonChristian Schubert,Paris

ala./niza./umx. TÜBINGEN/FRANK-
FURT. In Tübingenwardie digitaleZu-
kunftamDonnerstagmitHändenzugrei-
fen.„WirstehenuntergroßemHan dlungs-
druck“, sagtedie stellvertretende EU-
Kommissionspräsidentin Margrethe Ves-
tagerund forderte einen echten „Binnen-
markt fürKünstliche Intelligenz“, in dem
Daten freifließen könnten. Europa müs-
se mehr tun und viel schnellerwerden,
um in Schlüsseltechnologien wie der
Künstlichen Intelligenz (KI) den An-
schlus snicht zuverlieren. EinenTagnach
Vorstellungeiner neuenEU-Digitalstrate-
giesahsichVesta geramMax-Planck-Insti-
tut für IntelligenteSysteme an,wohin die
Reise gehen soll: zuFortschritten im ma-
schinellen Lernenetwa oder in derRobo-
tik.Vor allem aber müsse man dafür sor-
gen, das sder Fortschritt auchimMittel-
stand ankomme.„Viele kleineUnterneh-
men werden nicht ihreeigenen KI-Abtei-
lungen haben“, sagteVestager.
Nach dem Aufstieg amerikanischer
KonzernewieGoogle,AmazonoderFace-
book habe Europa eine „zweiteChance
im Bereichindustrieller Anwendungen“,
ergänzteBaden-Württembergs Minister-
präsidentWinfried Kretschmann(Grü-
ne) und mahnteseinerseits zur Eile.Un-
teranderem müssten starke regionale
Technikzentren entstehen. ImRaum um
Stuttgar tund Tübingen bildetsichderzeit
auchmit Mitteln des Landes das „Cyber
Valley“, in dem sichdie Universitäten en-
gagieren undKonzerne wie Bosch, Daim-
ler,Amazon oder ZF.AuchKretschmann
bekräftigte, dassder „Transfer in die mit-
telständische Industrie“ essentiell sei. In
den Unternehmenund derenVerbänden
istohnehin seit Jahrenvonkaum etwas
anderem dieRede als vonDigitalisierung
und Vernetzung.
Schöne digitaleZukunftalso?Diewirt-
schaftlicheRealität istinDeutschland oft
eine andere–und derRückstand zu den
Vorreiter naus Asien und Amerikadroht
vielmehrzuwachsen. Es klingt paradox:
DiedigitaleTransformationistzwarinal-
ler Munde und zwingtUnternehmen, Ge-
schäftsmodelle und Produktionsprozesse

vonGrund auf zu überdenken. Dochstatt
zu steigen sinkt dieZahl an Mittelständ-
lern, die Innovationen einführen, und
zwar deutlich:Hat te einer neuenAuswer-
tung derFörderbank KfW zufolgeimJahr
2016 nochrundjedes zweitekleine und
mittlereUnternehmenProdukt-oderPro-
zessneuerungen eingeführt,waresimvo-
rigenJahrnurnochjedes fünfte.DieInno-
vationsfreude istdemnach deutlichge-
schwunden.Rund 3,8 MillionenMittel-
ständler zählt die Bank.Einschließlich
„Hidden Champions“ genannter Welt-
marktführer sind das mehr als 99 Prozent
aller Unternehmen in Deutschland. Dass
ausgerechnetdieses Rückgrat derWirt-
schaf tanInnovationskraftverliert, nennt
die KfW-ChefvolkswirtinFritzi Köhler-
Geib „alarmierend“.
Zu den Hauptgründenzähltsiedenviel-
fac hbeklagtenFachkräf temangel, aber
auchdie gesunkeneZahl an Gründernin
einer alternden Gesellschaft. Abhilfever-

spräche unter anderem eine bessereFör-
derungvonForschung und Entwicklung,
da zwei Drittel aller Mittelständler diese
nicht betrieben.
Selbst vondensogenanntenDigitalisie-
rern,also Unternehmen, die in den zu-
rückliegenden drei Jahren mindestens ein
Digitalisierungsprojekt wie die Erneue-
rung der IT-Struktur auf denWegge-
bracht haben,bezeichnen sichlaut KfW
nur 36 Prozent als Innovatoren. Dasvom
amerikanischen ÖkonomenRobertSo-
lowschon in den 1980er Jahren beklagte
Paradoxon, wonach man das Computer-
zeitalterüberallsehe,außerinderProduk-
tivitätsstatistik ,scheintdamitneue Bestä-
tigung zufinden –wenngleichsichdieses
Phänomen in allen Industrieländernzeigt
und die Ursachenstrittig bleiben. Der
Sachverständigenrat der Bundesregie-
rung etwa erklär te sichdie schwachen
Produktivitätszuwächsejüngstmit„Adap-
tionsverzögerungen“: DieTechnikstehe

bereit, aberPersonal und Organisation
würden nicht umgestellt auf dieNeuerun-
gen. In vestitionenrentiertensichzudem
ofterstnachJahrzehnten.
Dochjede Statistik hat ihreTücken. So
wertet dieKfWErfindungenoderNachah-
mungenalsInnovationen,die denProduk-
tionsprozessmerklic hverbessern. Die
Masse an vielenkleinen digitalenNeue-
rungen wie Software-Updatesfällt nicht
darunter.Zudem istdie Entwicklung in
großen Konzernen deutlichpositiver:
2019 verdrängtedie Bundesrepublik im
jährlic hveröf fentlichten „BloombergIn-
novation Index“ Südkoreavonder Spitze,
wiediegleichnamigeNachrichtenagentur
MitteJanuar mitgeteilt hatte. Begründet
wurdedaszuvord erst mitderInvestitions-
offensiveder deutschen Industrie.Auch
deshalbstößt die ThesevomInnovations-
schwund im deutschen Maschinenbau
mit seinen mehrerenTausend Einzelun-
ternehmenaufWiderspruch. DieAufwen-
dungen für Innovationen bewegten sich
aufeinemRekordniveau,nur seidas nicht
immer an den Etats derAbteilungen für
Forschung undEntwicklung messbar.Vie-
le Betriebe seien für solcheAbteilungen
schlicht zu klein,sagteHartmutRauen
aus der Geschäftsführung des Branchen-
verbandes VDMA.Dafür sei jeder dritte
BeschäftigteimBetrieb Ingenieur.
Auchdarinspiegelesic hInnovationsbe-
reitschaft. Allerdings hätten vorallem
große Mittelständler mitUngerechtigkei-
teninder staatlichenForschungsförde-
rung zukämpfen: Sie seien zugroß für
klassische KMU-Programme, die kleine
und mittlereUnternehmen adressieren,
und zu klein für Verbundprojektevon
Bund oder EU.Aber mit derFörderung
isteslaut VDMAohnehin nichtweit her.
Der staatliche Anteil anAufwendungen
derUnternehmen fürForschung und Ent-
wicklung sei „seit vielen Jahren im Sink-
flug“. Etwas mehr als3Prozent wie in
Deutschland seienglobal zweitklassig. In
Amerika seien es 6, in Großbritannien
knapp8Prozent.Schlimmer sei nur noch
der Fachkräf temangel. Der hat sichlaut
Rauen „zumgrößten Innovationshemm-
nis im Maschinenbau ausgewachsen“.

D


igitalisierung,Künstliche In-
telligenz, Industrie 4.0–das
sind die Megatrends, die an-
geblichjedes Unternehmen umkrem-
peln.Komischnur,dassdie Mittel-
ständler hierzulande nicht häufiger,
sondernseltener in Innovationen in-
vestieren. Einerseits istdiese Be-
standsaufnahmealarmierend. Denn
nurmit Innovationskraftlässt sichder
Wohlstandsichern,insbesondereine i-
ner alternden Gesellschaft. Anderer-
seits sind politische Apelle an die Be-
triebe, sie sollten mehr in neueTech-
nologieninvestieren,verfehlt.DieUn-
ternehmer wissengenau, wassie tun
und welche Ausgabe sich für sierech-
nen kann. Werdie Betriebe sonstvor
politischer Bevormundung schützen
will, darfihnen auchnicht reinreden,
wenn es um 3D-Druckeroder Risiko-
kapital für Start-ups geht.Aufgabe
derPolitik is tes, den Betrieben solche
Investitionen durchweniger Bürokra-
tie und mehrForschungsförderung so
leicht wie möglichzumachen. Hinzu
kommt:ObsichdieUnternehmentat-
sächlichnicht fitfür die Zukunftma-
chen, is tangesichts möglicher Mess-
fehler nicht klar.Ein Forscher konsta-
tierteeinst:„MankanndasComputer-
zeitalter überall sehen, nur nicht in
den Produktivitätsstatistiken.“

K


nappeinenMonatwarRuheim
brandenburgischen Grünheide.
EndeJanuarhattedieBür gerin-
itiative, diegegendie geplante
Fabrik für ElektroautosvonTesla kämpft,
ihreDemonstrationenvorersteingestellt.
Den Organisatoren behagteesnicht, dass
auchAfD-VertreterunterdenProtestieren-
den zu sehenwaren. Fürdiesen Samstag
aber ruft das Bündnisgegendie „Giga-
factory“ des amerikanischen Unterneh-
mens wieder zu einerKundgebung auf –
diesmalnichtinGrünheide,sondernim
benachbartenErkner.Unter stützung
kommt dabeivonungewöhnlicherStelle:
Die Anti-Braunkohle-Bewegung „Ende
Gelände“ hat ihreAnhänger aufgerufen,
ebenfalls zukommen.
Kohle-Gegner in Grünheide? Einem
8300-Einwohner-OrtimBerliner Speck-
gürtel,der rund100KilometervomLausit-
zer Kohlerevier entfernt liegt? Das ist
symptomatischfür dasgegenwärtig eTau-
ziehen um dasTesla-Projekt.Immer mehr
Organisationen mischen dabei mit, die so-
wohl räumlichals auc hthematischweit
wegvon Grünheide sind. Es hat sicheine
ArtProtest- Tourismus entwickelt:Haupt-
sache dagegen, egal,worumesg eht.
DieMacher vonEndeGeländestören
sichvor allemandem „Greenwashing“,
wie Sprecherin NikeMahlhaus es nennt.
In Grünheide sollten „Luxuskarossen“
hergestelltwerden, die sichnur ein klei-
ner Teil de rBevölkerungleistenkönne.
Dafür Wald abzuholzen sei „dumm“.
EndeGeländeversteht sich laut Mahl-
hausals Teil einer „Klimagerechtigkeits-
bewegung“.Wieschnelldie Grenzenzwi-
schenUmweltschutzundKapital ismus-
kritik verschwimmen, zeigtendieseWo-
cheauchdie zwei Baumbesetzerinnenin
Grünheide, die nacheigener Aussagevor

allemgegen einesprotestierten: die „ka-
pitalistischeKackscheiße“.
Auch die Verbände, dievorGericht ver-
gangeneWochedenRodungsstopperwirk-
ten, werfen Fragen auf. Einer davonist
der Verein für Landschaftspflegeund Ar-
tenschutzinBayern.Derwiederumist Mit-
gliedinderInitiativeVernunftkraft,diege-
gendie Energiewende und speziellgegen
den Ausbau derWindkraftkämpft.Auch
darumgeht es in Grünheide zwar nicht,
wohl aberum einenEingriffindie „Natur-
landschaft“, wieVerbandschef Johannes
Bradtkaerklärt. Er freut sich:„Wir haben
unswasgetraut.“DassderVerbandmitsei-
ner Klagedem Wirtschaftsstandort

Deutschlandgeschadethabe, wie esWirt-
schaftsvertreter undPolitiker kritisieren,
hält er für „Quatsch“.
Seit einerReform im Jahr 2006können
UmweltverbändegegenBauprojektekla-
gen. Der zweiteVerband, der davonim
Fall Tesla Gebrauchgemacht hat, istdie
Grüne LigaBrandenburg, die aus der
DDR-Umweltbewegung hervorgegangen
ist. Dortheißt es, manwolle Tesla nicht
verhindern, nur darauf achten, dassdas
UnternehmenvomLandBrandenburgkei-
ne Sonderbehandlung bekomme. Wie
sehr sichdie SPD-geführte Landesregie-
rungumdasamerikanischeUnternehmen
bemüht, erregt Misstrauen. DieStaats-

kanzlei inPotsdamweistdagegen jede Ex-
trabehandlungweit vonsich. Nach dem
Bundesimmissionsschutzgesetz sind bau-
vorbereitende Maßnahmen erlaubt, auch
wenn wieimFall TesladaseigentlicheGe-
nehmigungsverfahren nochläuft. Voraus-
setzung ist, dassdie Genehmigungwahr-
scheinlichist und dasUnternehmen sich
verpflichtet, andernfalls den alten Zu-
stand wiederherzustellen. Ein Teil der
Grünen Ligadistanziertsichmittlerweile
vondem Vorgehen derVerbandsspitze.
Dassselbstder Grünen-Vizefraktionschef
imBundestagOliverKrischerdieKlagege-
genTesla als „absurd“ bezeichnethatte,
dürftedazu beigetragen haben.
Den großen Schlachtschiffender Um-
weltbewegung, dem BUND und dem
Nabu, behagt das alles nicht.„Wir brau-
chenkeineEinmischungausBayern“,sagt
Friedhelm Schmitz-Jersch, Vorsitzender
des Nabu Brandenburg.Auch das Engage-
ment vonEnde Gelände sieht er kritisch.
„Mankann sic hnicht für das Ende des
Braunkohletagebauseinsetzen,aberanan-
derer Stelle zukunftsträchtigeArbeitsplät-
ze verhindern.“ Auchder Nabu habege-
prüft, ob ergegendas Tesla-Vorhaben vor-
gehen sollte, berichtet Schmitz-Jersch.
„Wir haben uns dagegen entschieden.“
Ähnlichklingt das bei AntjevonBroock,
Bundesgeschäftsführerin Politik beim
BUND.„Esistgroßartig,dasswirmitTes-
la einen Akteur auf dem Automarkt be-
kommen, der den deutschen Herstellern
Druc kmacht.“ Ganzgleich,wiegutderöf-
fentliche Nahver kehr ausgebautwerde,
ganzohneAutos werdeesw ohlauchinZu-
kunftnicht gehen, so Broock. Dann doch
lieber solche mit Elektroantrieb als Benzi-
ner oder Diesel.
Auchwenn TeslakaumÖf fentlichkeits-
arbeit für sein Projektmacht –mit den
großen UmweltverbändenstehtderAuto-
hersteller demVernehmen nach in en-
gemKontakt.Eine wi chtigeRolledürfte
dabei der Tesla-Europachef JosDings
spielen, derzuvor für eineNichtregie-
rungsor ganisation arbeitete, die sich für
dieVerkehrswende einsetzt.Zudendeut-
schen PartnerndieserOrganisation zählt
unter anderemder Nabu, aber auchdie
DeutscheUmwelthilfe.
InderbrandenburgischenLandesregie-
rung is tdie Verwunderunggroß, welcher
Stre it si ch um dieKiefern entbrannt hat.
Glaubt manden Fachleuten,wären die
Bäume ohnehin bald „geerntet“worden.
Sie sind das,was Förster einenNutzwald
nennen:gepflanzt,umabgeholztundver-
arbeit et zu werden,entwed er als Bau-
stoffoder für die Energiegewinnung.So
mancher dü rfte jetzt bereuen,dassdies
nicht schonvorBeginndes Tesla-Pro-
jekts geschehenist.

ZumWohl:KommissarinVestager mit einemRoboter in Tübingen FotoAlexander Armbruster

Frankreichsetzt auf
Atomstrom undfährt
gut damit. Dochnun
musssichetwas ändern.

Einheimische wundernsichüber auswärtigeDemonstranten. Fotoimago

Weniger Innovationen trotzDigitalisierung


Gehen denBetrieben trotzKünstlicher Intelligenz undRobotik die Ideen aus?/Politiker mahnen zur Eile


Deutschlands Demo-Touris ten


Anti-Tesla-Koalition


VonJulia Löhr

Raushalten!


VonJohannesPennekamp

Beiden Pr otestengegen


das Tesla- Werk geht es


nurvorde rgründig um


dieBäume.Stattdessen


nutzen allemögli chen


Verbände Grünheide als


Bühn efür ih re ganz


eigenen Interessen.


VonJulia Löhr,Berlin

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