Frankfurter Allgemeine Zeitung - 21.02.2020

(ff) #1

SEITE 18·FREITAG,21. FEBRUAR2020·NR.44 Wirtschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


A


uf deutschenStraßenkommen
sichAutofahrerundRadlerim-
mer wieder bedrohlichnahe.
Besonders zuStoßzeiten wim-
meltes auf allenWegeninden Innenstäd-
ten, wenn Pendler zur Arbeit oder zurück
wollen, Busse und Bahnenfahren,Räder
und Roller hindurch manövriertwerden
und LieferdienstePaketebringen. Oftge-
nug wirdt einAuto an falscherStelle ge-
parkt undkann für andereVerkehrsteil-
nehmer zum zusätzlichen Hinderniswer-
den. Fürden Falschparkerwirdsein Vor-
gehen wesentlichteurer :Das Bußgeld
steigt deutlichund kann dann jedes Mal
bis zu 100 Eurobetragen.
Die neuenRegeln für denStraßenver-
kehr,mit denen Bundesverkehrsminister
Andreas Scheuer(CSU) dasRadfahrensi-
cherer machen möchte,verschärfendie
Sanktionsmöglichkeiten deutlich. Das
BußgeldfürsParkeninderzweitenReihe,

auf Geh- undRadwegensteigt vonder-
zeit mindestens 15 Euroauf bis zu 100
Euro. Ebenfalls gilt dann ein Halteverbot
mit entsprechendem Bußgeld auf Schutz-
streifen fürRadfahrer,die auf denStra-
ßen oftnur mitgestrichelter weißer Linie
markiertsind. Bisher dürfenAutos hier
drei Minuten halten,waskünftig nicht
mehr erlaubt ist. Vorallem Lieferwagen
sind aufgrößerenStraßen regelmäßig zu
sehen,die auf solchenRadstreifen par-
ken, waseine Weiter fahrtfür Radler min-
destens erschwert.
Rückenwind für die höheren Bußgelder
kommtausdenKommunen,diediebeeng-
te Lageauf den Straßen und derenFolgen
kennen. „Die StädtewollenFußgänger
und Fahrradfahrer besservorden Gefah-
rendes Auto- und Lkw-Verkehrsschüt-
zen“, sagteHelmut Dedy,Hauptgeschäfts-
führer desStädtetages. Deshalb sei es är-
gerlich, wenn Autos in zweiterReihe auf
derStraßeparkenundandereVerkehrsteil-
nehmer ausbremsen. Das Parkenauf Rad-
oder Fußwegen berge zusätzliche Gefah-
ren. „Die neuen höheren Bußgelder für
Falschparkerauf Gehwegen,Radstreifen
undin zweiterReihe sind deshalbrichtig“,
sagteer. „Das werdendie Verkehrskontrol-
len durch Polizei-und Ordnungsbehörden
jetzt durchzusetzen haben.“
Vonder Stadt Meppen istzu hören,
dassdas Parken im Halteverbot, auf Geh-
wegenund Radwegen oder in zweiter
oder dritterReihe zurRegelgeworden ist
und entsprechendverwarnt wird. Imver-
gangenen Jahr hat dieStadt rund 30 000
Knöllchenverteilt. Auch dieBürgerbe-

merkendas:„Täglic herreichtunsmindes-
tens eine Meldung zu illegal abgestellten,
abgemeldetenAutos, zugeparkten Ein-
fahrten, Haltverbotsverstößen und Ähnli-
chem“, teilt dieStadt auf Anfragemit.
Gleichzeitig sieht die niedersächsische
Kommune einenWechsel in Mentalität
und Umgang derVerkehrsteilnehmer und
sprichtvoneinem „immer rücksichtslose-
renVerhalten anderengegenüberbis hin
zur Gewaltbereitschaft“.
In vielenStädten nimmt das Halten auf
Geh- undRadwegen oder in zweiter und
dritterReihe zu–genauso wie der Ärger
darüber.Manche machen sichLuftdar-
überinsozialenMedienundverbreitenFo-
tosvon vermeintlichfalsch geparktenAu-
tos. Der Berliner RadaktivistHeinrich
Strö ßenreuther hat dazu die App„Wege-
held“herausgebracht,mitdersichentspre-
chendeFotos automatischineinem Twit-
ter-Kontoanzeigen lassen undgleichzei-
tig ein möglicherVerstoßgegen dieStra-
ßenverkehrsordnung anBehördenin 1000
Städten in Deutschland melden lässt.Eine
solche Meldung bietenviele Kommunen
auchauf ihren Internetseiten an. Dafür ist
allerdings ebenfalls eine App nötig, damit
der Melder seinePersonalien angibt, um
alsZeugebereitzustehen.Teilweiseberich-
tenKommunen davon, das sdie Beschwer-
den der Bürgerdurch die digitalen Mög-
lichkeiten zunehmen.Strößenreuther lob-
te den neuenStrafenkatalog.
In der Straßenverkehrsordnung ist
künftig für schwerwiegendeVerstöße zu-
demalsStraf eeinPunktimFahreignungs-
registerinFlensburgvorgesehen. Das be-

trif ft Fälle, in denen dasverbotswidrige
Parken oder Halten in zweiterReihe und
auf Fahrradschutzstreifen oder Parken
aufGeh-undRadwegenandereVerkehrs-
teilnehmer behindertoder gefährdet,
eine Sachbeschädigung erfolgt is toder
das Fahrzeug auf dem Geh- oderRadweg
länger als eineStunde geparkt wird. Die
Einstufung desVerstoßes erfolgt durch
die zuständigen BehördenvorOrt.
Auch die Höhe weiterer Bußgelder
steigt:DerallgemeineHalte-undParkver-
stoß wir dstatt bisherbis zu15 Eurobis zu
25 Eurokosten, einFalschparkenanun-
übersichtlichenStellen wirdstatt 15 Euro
künftig 35 Euround unberechtigtesPar-
kenauf Schwerbehinderten-Plätzenstatt
35 Eurokünftig 55 Eurokosten. Neuhin-
zu kommt derTatbestand und einVer-
warngeldvon55Eurofürda sunberechtig-
teParkenauf einemParkplatz für Elek-
tro-Fahrzeuge.Teurer wirdein Vorgehen,
das Rettungskräftendie Dur chfahrtzu ei-
nem Unfallorterschwert.Für das uner-
laubteNutzen einerRettungsgasse sowie
das Nichtbilden sind Bußgelder zwischen
200 und 320 Eurosowie ein MonatFahr-
verbotvorgesehen; hier droht aucheine
EintragungvonzweiPunkten imFahreig-
nungsregister. Die höheren Sätze für
Falschparkersind Teil der neuenStraßen-
verkehrsordnung, die der Bundesratver-
gangeneWocheverabschiedethat.Nun
mussBundesverkehrsministerScheuer
die Regeln nochumsetzen,bevor sie auf
denStraßengelten.EinDatumstehtnoch
nicht fest,die Umsetzung soll schnell er-
folgen.

enn./jpen. BERLIN.Schneller planen,
schneller bauen, das istdas Gebotder
Stunde, denn Geld istda. Der Bund will in
den nächsten Jahren mehr Mittel denn je
für eine bessereInfrastruktur ausgeben,
für Straßen, Gleise,Wasserstraßen ,Rad-
wege und den öffentlichenNahver kehr.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
(CSU) hatgerade er st ein neues Planungs-
beschleunigungsgesetz durch die parla-
mentarischen Instanzengebracht, dawer-
den schon wiederNachbesserungen ange-
mahnt–damit Projektebis zurUmset-
zung nichtweiter im Durchschnitt zwan-
zig Jahredauern. DieForderungkommt
aus unterschiedlichen politischen Ec ken–
unddaherauchmitunterschiedlichen,teil-
weise gegensätzlichen Schwerpunkten.
Aufdem F.A.Z.-Mobilitätsgipfel hat
Scheuer auf Anregung des Grünen-Politi-
kersCem Özdemirunddesmecklenburgi-
schen Verkehrsministers ChristianPegel
(SPD) schon zugesagt, erwolle ohne lan-
ge Umschweifedurch einen Verzicht auf
die Planfeststellung die Elektrifizierung

vonBahnstreckenund den BauvonRad-
wegenerleichtern. In seinemgerade ver-
abschiedetenGesetz stellt er schon be-
stimmteErsatzneubauten (etwavon Brü-
cken) vonder Genehmigungspflicht frei.
Außerdemwerden Planungs- und Geneh-
migungsverfahrenfürdenBaukommuna-
lerStraßen- und U-Bahnen zurStärkung
des ÖPNV erleichtert.
Aber reicht das, um wirklichschneller
voranzukommen? Der CDU-Abgeordne-
te Chris toph Ploßwarntvor einem über-
zogenenRechtsschutz.„Wir müssen her-
an ansVerbandsklagerecht“, sagtePloß
imRoundt able-GesprächdesF.A.Z.Mobi-
litätsgipfels.„Wichtigwäre die Einfüh-
rung einer sogenannten Präklusionsklau-
sel, um langwierigePlanfeststellungsver-
fahren zuverhindern.“ Eine solche Klau-
sel schreibtvor, dasssämtliche Einwen-
dungen schon im Beteiligungsverfahren
vorgebrachtwerden müssen und nicht
erst später ,weil sie dannvonden Gerich-
tenüberprüftwerden müssten. „Es muss
verhindertwerden,dassUmweltverbände

imLaufe eines Verfahrensimmerneue Jo-
kerziehen, um es zuverzögern“, sagte
Ploß. In ScheuersGesetzwareine Präklu-
sionsklauselvorgesehen,sie fiel aber in
der Ressortabstimmung dem Veto des
SPD-Umweltministeriums zum Opfer.
Die FDP-Verkehrspolitikerin Daniela
KluckertstimmtederForderungnachEin-
führung einer Präklusionsklausel zu. „Es
istnicht hinzunehmen,dassVerbändekla-
genkönnen, die mit demVorhaben vor
Ortgar nichts zu tun haben“, sagtesie.
Der BerlinerStaatssekretär fürVerwal-
tungs- und Infrastrukturmodernisierung,
FrankNägele ,wandtedageg en ein,die Be-
deutung desVerbandsklagerechtswerde
überschätzt.Öfter als dieUmweltverbän-
de seien es eben die Anwohner,die den
Fortgang der Projekteblockierten–wie
in Berlin seit 15 Jahren den Bau der
Dresdner Bahn.Nägele hält nichts davon,
denBürgernauchdasObeinesInfrastruk-
turvorhabens zu überlassen. „Hier müs-
sen wir das Primat desParlaments im
Blickbehalten“, sagteder SPD-Politiker.

Eine schnellerePlanung scheitereinvie-
len Fällen daran, dassinden Behörden
nicht genug Planer säßen,weil die Perso-
nalkapazitäten systematischabgebaut
worden seien. „Das istdas Nadelöhr.“
Kluckert sagte, einweiteres Problem
sei, dasskommunale Ämter oftnicht ge-
schult seien, mit den Einwendungen der
Bürgerumzugehen. Sieverwies außer-
dem auf dasVorbild Frankreich,wo es
eine Behörde für Bürgerbeteiligunggebe.
„Das erlaubtstandardisierte Verfahren.“
Auch Cem Özdemir,Vorsitzender des
Bundestags-Verkehrsausschusses, plä-
dierte für standardisierte Verfahren der
Bürgerbeteiligung. „Stuttgart21hat ge-
zeigt,dassdieBür gernichtblödersind als
die Planer,man musssie nur früh einbe-
ziehen“,sagteer. DieLinken-Verkehrspo-
litikerin Sabine Leidigwarnte davor, die
„bescheidenen Beteiligungsmöglichkei-
tender Bürgernoch weiter zu beschnei-
den“.FürdieAkzeptanzderInfrastruktur-
projekteseieswichtig,sichanrechts staat-
liche Grundlagen zu halten.

Falschparkenwirdteurer


Hier nicht:Autosmachen sichgerne aufRadwegen breit. Fotodpa

ami. WIEN.ImStrei tumdie An-
werbungserbischer Krankenpfle-
gekräf te hat Bundesgesundheits-
ministerJens Spahn(CDU)Vorwür-
fe des serbischenStaatspräsidenten
Aleksandar Vučić zurückgewiesen.
Der hatteSpahn mit denWorten
wiedergegeben, erwolle dortKran-
kenschwestern „abholen“. Vučić
habe ihm daraufhin „ins Gesichtge-
sagt, ichmöcht enicht, dassdunach
Serbienkommstund meine Schwes-
tern abholst“. DieF.A.Z. hattedar-
überin ihrer Donnerstagsausgabe be-
richtet. Spahn sagtedazu am Don-
nerstag,erlese „heutevon Gesprä-
chen mit ihm, die ichsonie geführt
habe. Nicht mit ihm und nicht in der
Form.“ DieVučić-Äußerungenstam-
men schonvomEnde 2019, hatten
durch die Aufkündigung eines
deutsch-serbischenAbkommens zur
AnwerbungvonFachkräftenindie-
sem Monat aber neue Aktualität be-
kommen.

SchnellerePlanung –nicht ohne den Bürger


Nachdem Gesetz istvor dem Gesetz: Neue Ideen, damit Infrastrukturprojekteraschgebaut werden


itz. BERLIN.Ineiner Zeit wachsender
Verunsicherung durch das Coronavirus
hat BundesgesundheitsministerJens
Spahn (CDU) einen obersten nationalen
Gesundheitsschützerberufen.Nach Infor-
mationen derF.A.Z. wirdder bisherige
Chef des Bundeswehrkrankenhauses in
Ulm, Generalarzt Hans-UlrichHoltherm,
am 1. Märzdie Leitung der neuenAbtei-
lung „Gesundheitsschutz, Gesundheitssi-
cherheit, Nach haltigkeit“ übernehmen.
Sie soll sichumden SchutzvorEpide-
mien, Infektionen und biologischen Ge-
fahren kümmern.Nach Bewilligung der
Gelder durch den Haushaltsausschuss
wardie Abteilung 6am1.Februar einge-
richtetworden.
Obgleichdie Gründungnicht unmittel-
bar mit dem Coronavirus zusammen-
hängt,heißtesim Ministerium,dieKrank-
heit zeige, wie leicht sichinder vernetz-
tenWelt gesundheitliche Gefahren aus-
breit etenunddassmans chnelldaraufrea-
gieren müsse. Mit der Einrichtung erwei-
tere dasHausseinefachlicheAusrichtung

undtrageglobalen RisikenRechnung.Als
Offizier und Arztverbinde der 1964 in
Rheine geborene Holthermgeradezu
„sinnbildlich“ die Themen Sicherheit und
Gesundheit.
DerKommandeurundÄrztlicheDirek-
torder MilitärklinikinU lm gilt als erfah-
rener Tropenmediziner,Infektiologeund
Fachmann für öffentliche Gesundheit.Er
war2014 Mitglied im Ebola-Krisenstab
und wurde 2009während der H1N1-Pan-
demie schon einmal ins Gesundheitsmi-
nisterium abgeordnet. Gearbeitet hat er
unter anderem im Senegal, im Irak,in
Kroatien, in Afghanistan, in Kongo-Kin-
shasa und in Dschibuti.
2005 leistete Holtherm nachdem Tsu-
nami humanitäreHilfeauf Sumatra.We-
genseiner vielen sanitätsdienstlichen
Auslandsverwendungen hält ihn das Ge-
sundheitsressortfür besonderssachkun-
dig sowohl in der Krisenprävention als
auchinder Krisenreaktion. Generalärzte
sind Ein-Sterne-Generäle, das entspricht
dem DienstgradBrigadegeneral.

mas. BERLIN. Das Steuerjahr hat
für die Länder gut begonnen–für den
Bundweniger .DasAufkommenimJa-
nuar stieg um 7,7 Prozentgegenüber
dem Vorjahresmonat.Das geht aus
demneuenMonatsberichtdesFinanz-
ministeriums hervor. Zwar profitierte
auchder Bundgrundsätzlichvon den
höheren Einnahmen, aber erstmals
wirkt esichdie zu Jahresbeginn in
Kraf tgetreteneNeuregelung desFi-
nanzausgleichs zu seinenUngunsten
aus. So profitierte er weniger vonder
Umsatzsteuer.Zudem warendie Zah-
lungen des Bundes an die EU im Be-
richtsmonat deutlichhöher als zu die-
serZeitim Vorjahr.UnterBerücksich-
tigung der Ergänzungszuweisungen
hatteeri mErgebnis 4,9Prozentweni-
gerinder Kasseals vorzwölf Mona-
ten. Fürdas Gesamtjahrgeht man da-
vonaus, dasssichwegen derUmstel-
lungen sein Aufkommenauf das Ni-
veau von2019 einpendeln wird. Die
Länder legte um 9,3 Prozent zu.

„Niesomit


Vučićgeredet“


Nationaler Gesundheitsschützer


Militärarzt leitet neueAbteilunggegenEpidemien


Wersein Auto falsch


abstellt,zahlt bald bi szu


100EuroBußgeld.Den


Radfahrernsolles


nutzen.


VonJan Hauser,


Frankfurt


LänderimPlus,


Bund mit Minus


BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER


ZumBeitrag „Die Sache mit demAuto“
vonOttoSchneider(F.A.Z. vom24. Ja-
nuar):SeitJahrzehntenbinichzufriede-
ner LeserderF.A.Z.. An normalenTa-
genverbringeich rund zweiStunden
mit der Lektüreder Zeitung. Am 24. Ja-
nuar fand ic hsoviele interessan te Arti-
kel, dass fastdreiStunden mit dem Le-
sen vergingen .Das absoluteHighlight
warindieserAusgab eder Artikelvon
OttoSchneider „DieSache mitdem
Auto“. Er schreibt „Alt werden ist
nicht immer einfach“. „Alt sein ist
schön“. Mich, mit meinen83Jahren,
hat dieserArtikel glücklichgemacht.
Danke!
VIKTOR REITER,SIMMERN

ZumLeitartikel „Dem Klerus entfrem-
det“ vonThomas Jansen (F.A.Z.vom


  1. Februar): Diesen Beitragkönnteman
    überschreiben mit dem Titel: „Man stel-
    lesi ch vor, die Kirchewäreeindemokra-
    tisches Gebilde“. Zum Glück, so meine
    ich,is tdasnichtderFall,dennDemokra-
    tie verschont uns offensichtlich nicht
    vorgrößeren Krisen, wie man sogar an
    dennamhaftest en,auflangenErfahrun-
    genundTraditionenbasierendenDemo-
    kratie ndieser Erdegerade in der heuti-
    genZeit sehenkann.
    Worumgeht es in der Kirche?Um die
    Frage, wie sicheine Regierung bildet?
    Oder vielleicht:welche ideologische
    Richtung sichdurchsetzt?Wieviel Mit-
    spracherecht ichbei welchen, wie auch
    immergeartetenEntscheidungen haben
    kann? Mitnichten.Wasaber is tGegen-
    stand unserer Kirche? Warumkann es
    hier eigentlichnicht um Mehrheiten im
    demokratischen Sinnegehen? Weil es
    sichnur um die eineFragedrehen kann,
    nämlichumunsereEinstellung zu Gott.
    Im 1. Korintherbrief des HeiligenPau-
    lus is tesklar und deutlichausgeführt.
    Es geht nicht umverschiedeneRichtun-
    gen, die zur Dispositionstehen können,
    als vielmehr um die eine Lehredessen,
    der diegesamteMenschheit erlösthat,
    der LehreJesu Christi. Esgeht um das
    Evangelium, dieFrohe Botschaft, um
    das „LebendigeWortGottes“.
    In Deutschland, einem kleinen,wenn


auchnicht ganz unwichtigen Fleckchen
Erde christlichen wie auchkatholischen
Daseins, wurde der synodaleWegange-
treten, ein Instrument, welches ich
grundsätzlich begrüße,weil ic hglaube,
dassesgeeignetist,wieder etwaszuler-
nen, wasuns in der heutigenWelt, in
der es eben nicht umWahrheit als viel-
mehr um Lautstärke geht, abhandenge-
kommen zu sein scheint:das Zuhören.
Nicht nur,dasswir einander zuhören,
als vielmehr,dasswir Gott (zu)hören.
Soweit allerdings die Meinung dazuver-
treten wird, es gingedortum Mehrhei-
ten, so muss diesesInstrumentvonAn-
fang an enttäuschen: DasWort Gottes,
die Frohe Botschaft, aufwelche wir hin
„zuhören“ sollten, sie lassen sichkei-
nem demokratischen Prozessunter wer-
fen.
Ichweiß nicht,welche MisereJansen
meint,in dersichdie katholischeKirche
befindet. So bedrückend die aktuelle
Stimmungslageunter uns Katholiken
sein mag, ja bestimmt ist,weil nicht zu-
letzt durch individuellesVersagen, das
sichaugenscheinlicheinStückinstitutio-
nalisiert hat, großes Vertrauenin eine
Reihe vonPersonenverlorengegangen
ist, die in diesem gerade skizzierten
Glaubenszeugnis einVorbild sein soll-
ten.AberGottunddieGemeinschaftde-
rer, deren Glaube an ihn unerschütter-
lichist,kennenkeine Misere.

GEORGVON KERSSENBROCK,
BORGHOLZHAUSEN

NimmtmandiedreiKommentareind er
F.A.Z. vom13. Februar zusammen, so
möcht eman sagen: Chapeau! Hut ab,
eine im bestenSinn liberaleRedaktion,
dieselbstindeneigenenReihenPluralis-
mus zulässt.
MatthiasRüb(„Missionarestatt ver-
heirateter Priester“)reagiertaufdie ma-
ximaleEnttäuschungdermeistenRefor-
mer,und er tut das–wie man es bei ihm
gewöhnt is t–mit starkenWorten, die
zeigen,das servonderkatholischenKir-
chebisher nurwenig verstanden hat.
Thomas Janssen („Das Schweigen des
Papstes“) zeigtVerständnisfür dasKal-
külder Kurienvertreter,die er kannt ha-
ben, dassjedes Nachgeben zum Selbst-
läufergeworden wäre und nurweiteren
Reformdruc kimKessel ausgelösthätte,
dermittelfristigzurAufhebungdesZöli-
bats geführthätte.
In derTathat man in Deutschland al-
les auchnur Erdenklichegetan, um die-
senVerdachtzuschüren.Manhatdieoh-
nehin armen amazonischen Christen
enteignetund die Amazonien-Synode
zu einemVorlauf für den eigenen Syno-
dalen Weggemacht und dies nachdem
Mott o„An dem deutschenWesen soll
die Welt genesen“, so dasskein Stein
aufdemanderenbleibenwird.Werwun-
dertsichda, das sinRom alle Alarmglo-
cken läuteten. DerKatholischeFrauen-
bund hat sichzusätzlichselbstins Bein
geschossen und dierömische Antwort
geradezu vorprogrammiert, indem er
die Diakonenweihe für Frauen zum
Durchlauferhitzer für das Priester-und
Bischofsamt fürFrauen erklärte.Werin
einerunvollkommenenWeltundKirche
alles oder nichts will, derkann nie alles,
sondernamEnde nur nichts bekom-
men.
Christian Geyernimmt erfreulicher
Weise das Grundanliegen Synode in
Blick(„Amazonische Träume /Kühl
lässt Franziskus die heißen Eisen links
liegen“) undversteht deren theologi-
sches Grundproblem: Wiedas eine
Evangeliuminden vielenKulturen hei-
mischwerden lassen? Besser als man-
cheSynodale sieht er,dassesdabei
nicht nur umKonsens, sondern auch
um Kontras tgeht.Dassesdabei auch
um die ökumenischoffenen Fragen im

Amtsverständnisgeht, trifft,auchwenn
das viele nicht mehrwahrhabenwollen,
ebenfalls zu. Dochdann verpasst er den
eigentlichen Punkt.Denn umavantgar-
distischen Nimbusgeht esFranziskus
nicht.
Wiegeht es jetztweiter? Sicher,die
Priesterweihe vonFrauen istvom Tisch,
auf dem sie inWirklichkeit niewar. Die
Diakonenweihe vonFrauen hatsichin
zwei Expertenkommissionen alskom-
plexund kontroverserwiesen. Schon
nachder er sten Runde sagteder damali-
ge Kardinal Ratzinger:Indieser Situat-
ion lässt si ch lehramtlich nichts ent-
scheiden. Ob eine dritte, jetzt in Blick
genommene Kommission mehr Klar-
heit bringt, bleibt abzuwarten, sehr
wahrscheinlichist das nicht.Dochdie
„Liebe Amazonia“ istcharmant und
macht deutlich, dassesinZukunf tweit
mehr als bisher Leitungsämter unter-
schiedlichsterArt für Frauen geben
wirdund auchgeben muss.
Sieweißauch,derZölibatistkeinGe-
bot, mit dem die Kirchesteht und fällt,
wieneuerdingsmanchemeinen.Darum
wirdüber den Zölibat diskutiert, seit es
den Zölibat gibt, und darum darfweiter
darüber diskutiertwerden. Da dies seit
1000 Jahrengeschieht,geht Franziskus
davonaus, dassesauchimdritten Jahr-
tausend so seinkann, ohne dassdie Kir-
cheoder der Zölibat untergeht.
Der Papstist sichindiesem Apostoli-
schen Schreibenvöllig treugeblieben,
Werihm wirklichzugehörthat, stattnur
die eigenenWunschvorstellungen auf
ihn zu projizieren, hättelängstmerken
können: Ja, er istein Reformer,aber
kein liberaler,sondernein radikaler;er
istimursprünglichen Sinn desWortes
ein radikal evangelischerPapst. Sein
Schreiben endet nicht mit irgendwel-
cher luftigen Dialektik (wie Matthias
Rübmeint). Esgeht vielmehr um das
Magis, das je Größereind en ignatiani-
schen Exerzitien. Da gibt es fürFranzis-
kuskeine Kompromisse. Er istJesuit
vomScheitel bis zur Sohle. DenWider-
streitzwischenderRadikalitätdesEvan-
geliums und mondäner Angepasstheit
lässtsichnicht zuermäßigtenPreisenlö-
sen; er wirdweiter gehen und dies bis
zum Ende derZeit.
KARDINALWALTER KASPER,ROM

MichaelHanfeld schlägtim Artikel„Die
Zerstörung der CDU“ (F.A.Z. vom


  1. Februar)vor, um die CDU zu einen
    und wieder fürgrößereWählergruppen
    attraktiv zumachen: „Dann müsste man
    den Leuten nur nocherklären,warum
    Menschenineineroffenen,pluralenGe-
    sellschaftbeieinerPartei, die mit einem
    ,C‘ beginnt, aberkeine Ideologie pre-
    digt, besser aufgehoben sind als bei an-
    deren.“Dasistsoallgemeinnichtzukri-
    tisieren, aberwo istder Unte rschied zu
    anderenParteien? Mit dieser Haltung
    dient die CDU nicht der (politischen)
    Pluralität, sondern rennt nur in der zur-
    zeit recht engen Spur dem linksgrünen
    Zeitgeis thinterher.DiesesRennenkann
    sie nurverlieren, und dafür solltesie gar
    nicht erst antreten.
    Stattdessen solltedie CDU eine eige-
    ne Spur,eine konservativelegen, der
    der Wählerfolgen kann. Inetwa so:
    Man müssteden Leuten erklären, dass
    eine beliebig offene, beliebig plurale
    Gesellschaftsichselbstmit morali-
    schen Ansprüchen überlastet. Das
    „CD“ steht nicht für diese ideologisch
    einseitigeMoral, sondernfür Politik,
    die das moralischGebotene mit dem
    Machbaren,Offenheit mit Identitätsbe-
    wusstsein, Pluralität mit Sicherheitsbe-
    dürfnissen,Toleranzgegenüber Men-


schen mit Ansprüchen an Menschen,
Freiheit mit Pflichtenverbindet. Eine
Politik,die das Gutebewahrtund alles
Neue pragmatischauf seineTauglich-
keit hin prüft. Kurz:Bei diesenKonser-
vativen istder Wähler besser aufgeho-
ben als bei den anderen.VondieserPo-
litik istdie CDU allerdingsnochrecht
weit entfernt.

RUDOLFWEDEKIND, HAMBURG

Gottkennt keine Misere


Glücklich


„O,duliebes Amazonien!“


DasGutebewahren

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