Frankfurter Allgemeine Zeitung - 21.02.2020

(ff) #1

Frankfurter Allgemeine Zeitung


Verlagsspezial Schlüsselfertig bauen 21. Februar 2^020


A


ls einer der Urväter des
Fertigbaus gilt Leonardo
da Vinci. Ende des 15. Jahr-
hunderts entwarf der Uni-
versalgelehrte die „Casa
mutabile“ – einen zerlegba-
ren Gartenpavillon in Tafelbauweise. Eine
Konstruktionstechnik mit vorgefertigten
Hauselementen in Form von Holztafeln.
Doch auch andere Baumeister des späten
Mittelalters nutzen die Typisierung. „Einige
Investoren ließen gleich eine ganze Reihe
von Fachwerkhäusern mit identischem
Grundriss und in gleicher Gestaltung bauen



  • es entstanden quasi Häuser in K leinserien“,
    erklärt Hans-Georg Lippert, Professor für
    Baugeschichte a n der TU Dresden.


Goldrausch und Erobe rung
des Mittleren Westens

Der entscheidende Sprung von der Kleinserie
zum modernen Holzfertigbau stellt für ihn
jedoch die Nutzung industrieller Fertigungs-
prozesse dar. „Das ist der Punkt, an dem das
Haus zum industriellen Produkt wird,weil
manesnichtmehr imgewohntenSinne baut,
sondern die vorgefertigten Teile nur noch
montiert, wie ein Gerät oder eine Installa-
tion“, sagt Lippert. Eine solche Leichtbau-
weise in genormten dünnen Hausprofilen,
diesichgutmitderEisenbahntransportieren
lassen, wurde anfänglich in großem Stil
vor allem in den Vereinigten Staaten einge-
setzt. Siedler, die im 19. Jahrhundert in den
Mittleren und Fernen Westen Nordamerikas
vordrangen, setzten ebenso auf die schnell
montierten Holzkonstruktionen wie Glücks-
ritter, die vom Goldrausch angelockt worden
waren.


„InEuropahingegenhattederHolzbau
zudieserZeiteinen eherschlechtenRuf.Wer
mitHolzbaue, könnesichSteinenichtleisten“,
sagtderDresdnerBauhistorikerLippert. „Aus
Holz wurden dahermeist nurSchuppenoder
Barackengebaut.“ EineAusnahmewarendie
sogenanntenWolgasthäuser,die zwischen
1868 und1910inderStadtWolgastvorder
InselUsedomalsindividuelleFertighäuser
gefertigtwurden.Dabei handelteessichum
kunstvollverzierteHolzvillen,diesogar ins
Auslandexportiertwurden.DieBauherren
konntensichWunschelementewieBalkone,
VerandenoderEcktürmeauseinemumfang-
reichenKatalogzusammenstellen lassen.

Sommerhau s für Einstein als
Fachwerk- und Tafelbau errichtet

Ein wichtiger Antrieb für die Vorfertigung
und Montage von Gebäuden in Holzbauweise
waren im Ersten Weltkrieg die Erfordernisse
des Militärs – für den Bau von Soldatenun-
terkünften oder Lazaretten. „Auch die Woh-
nungsnot in den frühen 1920er Jahren hatte
einen starken Anstieg der Nachfrage nach
halbindustriell hergestellten Holztypenbau-
ten zur Folge“, erklärt der Architekturhis-
toriker. Die Firma Christoph & Unmack mit
Sitz in der Oberlausitz avancierte in dieser
Zeit zum bedeutendsten Holzhausprodu-
zenten in Europa. Als Chefarchitekten stellte
das Unternehmen Konrad Wachsmann
an, dessen bekanntestes Bauwerk sicher
das sogenannte Einsteinhaus bei Potsdam
ist. 1929 wurde das Sommerhaus für den
Nobelpreisträger als Kombination aus Fach-
werk- und Tafelbau errichtet. Zudem entwi-
ckelte Wachsmann mehr als ein Jahrzehnt
später, im amerikanischen Exil, gemeinsam

mit Walter Gropius ein Fertighaussystem,
das unter dem Namen „packaged house“
bekannt wurde.
„In der Bundesrepublik feierte das Fertig-
haus seinen Durchbruch erst in den späten
1950 er Jahren – zu Zeiten des westdeutschen
Wirtschaftswunders“, sagt Lippert. Mit Hilfe

von Eigenheimförderung, Bausparprämien
und durch diese kostengünstige Art des Bau-
ens konnten sich immer mehr Menschen den
Traum vom Eigenheim erfüllen.
Schaut man heute auf den deutschen
Markt für Ein- und Zweifamilienhäu-
ser, hat die Fertigbauweise in den letzten

Jahren noch einmal deutlich an Attrakti-
vität gewonnen. Lag ihr Anteil an den Bau-
genehmigungen 2010 noch bei etwa 15 Pro-
zent, so ist er im vergangenen Jahr auf über
20 Prozent geklettert. So lassen es jeden-
falls die Zahlen der ersten elf Monate 2019
annehmen. Dabei fällt jedoch das regionale
Ungleichgewicht sofort ins Auge: Wurden in
Baden-Württemberg 36,6 Prozent der Ein-
und Zweifamilienhäuser als Fertigbauten
genehmigt, waren es in Niedersachen ledig-
lich 8,2 P rozent.

Klimaschutzg edanke
ist Treiber der Nachfrage

„Vorurteile gegenüber Fertighäusern halten
sich in einigen Regionen stärker als in ande-
ren“, erklärt Christoph Windscheif, Leiter
Marketing beim Bundesverband Deutscher
Fertigbau, dieses Phänomen. „In den Mittel-
gebirgen, wo die Menschen schon immer
mit Holz gebaut haben, haben sich auch
Fertighäuser leichter etabliert. In Gegenden,
wo Stein eher das traditionelle Baumaterial
ist, ist es schon schwieriger.“ Die verstärkte
Klimaschutzdebatte habe aber dazu beige-
tragen, dasssichdasImagederFertigbau-
weise,dievorallemdennachwachsenden
Rohstoff Holz nutzt, inganzDeutschlandzum
Positivengewandelthabe,soWindscheif.
Selbst der Fertigbau von Mehrfamilien-
häusern, der sogenannte Geschosswoh-
nungsbau, der bundesweit aktuell nur einen
Marktanteil von 4,2 Prozent erreicht, könnte
schonbalddeutliche Zuwächseverzeichnen.
„Hier sehen wir großes Potential für die
Zukunft, nicht zuletzt weil bauordnungs-
rechtliche Hemmnisse von immer mehr
Bundesländern abgebaut werden“, erklärt

Windscheif. Vorreiter sei auch in diesem Fall
Baden-Württemberg. Teilweise werden sogar
neue Förderprogramme für Holzbau als
Beitrag zum K limaschutz aufgelegt.
Ein weiterer Punkt, der die hohe Nach-
frage nach Fertighäusern erklärt: „Sie bieten
heute mindestens eine ebenso hohe Quali-
tät wie Massivhäuser“, ist sich Windscheif
sicher. Mit Billigbauweise habe der heutige
Fertigbau nichts zu tun. Doch damit können
Bauherren auch nicht erwarten, dass ihnen
ein Fertighaus im Bau Kostenvorteile bietet.
„Gleiche Qualität kostet auch gleiches Geld.“
Bleibt als großer Pluspunkt die kurze Bau-
phase. Schon in ein bis zwei Tagen kann ein
Fertighaus stehen – dank der seriellen Vorar-
beit i n der Fabrik.
Die steigende Nachfrage führt jedoch
dazu, dass die Hersteller stark ausgelastet
sind und Kunden daher längere Wartezei-
ten in Kauf nehmen müssen. „Der eigentli-
che Engpass ist aber wie fast überall in der
BranchedasverfügbareBauland“,erläutert
derExpertevomBundesverbandDeutscher
Fertigbau.„Deshalbundumden eigenenöko-
logischenFußabdruckmöglichstgeringzu
halten,gehtderTrendzuimmerintelligenter
geplantenGrundrissen.Aufeinermöglichst
kleinenGrundflächesollder Wohnraum
möglichsteffizientgenutzt werden.“
Dabei reizen die Bauherren auch die
Spielräume des Bebauungsplans gern aus.
Ob Einfamilienhaus im Landhausstil oder
Kubus in minimalistischem Design – die
Bandbreite ist groß, und etwa 80 Prozent
der Fertighäuser entstehen heute in freier
Planung. Statt sich mit einem uniformen
Reihenhaus vom Bauträger zu begnügen,
legt die Kundschaft Wert auf einen indivi-
duellen Touch.

DerDurchbruc hinDeutschland kommtspät


Jede fünfte Familie, die hierzulande ein Eigenheim baut, zieht heute in ein Fertighaus. Und die Nachfrage steigt weiter. Obwohles Vorläufer der industriellen Konstruktionsweise mit Holz


schon im späten Mittelalter gab, hat der Fertigbau in Deutschland Jahrhunderte gebraucht, um sich zu etablieren. Von Benjamin Kleemann-von Gersum


IndividuelleFertigvillen:Die Wunsch elementefür ih reigenesWolgasthhauskonntensich
BauherrenbereitsEndedes19. Jahrhu ndertsauseinemKatalogzusammenste llen.

FOTO DPA

Schlüsselfertiges Bauen


klingt zunächst nach einer


feinen Sache: Mit dem


Baustellenstress müssen sich


andere auseinandersetzen.


In der Praxis gibt es


allerdings diverse Fallstricke,


die es zu umgehen gilt.


VONSTEPHAN ZUBERUND
KATJAFLESCHÜTZ

B


au das erste Haus für einen Feind,
das zweite für einen Freund und erst
in das dritte Haus ziehe selbst ein“,
sagt ein altes Sprichwort. Hausbau
ist Erfahrungssache, und das Sprichwort hat
nicht nur Gültigkeit für Hobbyhandwerker,
die ihr Eigenheim selbst errichten, sondern
auch für diejenigen, die sich eigentlich aller
lästigen Detailfragen rund um den Bau ent-
ledigen wollen und ihr Haus schlüsselfertig
bauen lassen. Die Tücke beginnt schon beim
Wort „schlüsselfertig“, denn es handelt
sich nicht um einen fest definierten Begriff.
Wie „schlüsselfertig“ ein Haus am Ende
wirklich ist und welche Eigenleistung der
Bauherrnocherbringenmuss,unterscheidet
sich je nach Anbieter beziehungsweise
Generalunternehmer.

Vor Ort ein Gefühl
für den Anbie ter entwickeln

Worauf sollten private Bauherren achten,
wenn sie schlüsselfertig bauen wollen? Der
erste Schritt sind Gespräche mit verschie-
denen Anbietern. Da es hier große Unter-
schiede gibt, sollte darauf geachtet werden,
dass die Vorstellungen beider Seiten zuein-
ander passen. Man sollte grundsätzlich das
Gefühl haben, verstanden zu werden. Emp-
fehlenswert ist auch immer der Besuch eines
Referenzobjektes oder zumindest einer Bau-
stelle. Beides trägt dazu bei, ein Gefühl für
das Unternehmen zu entwickeln.
Hat man sich f ür einen A nbieter entschie-
den, wird ein Bauvertrag geschlossen. Wäh-
rend der Vertrag selbst in der Praxis eher
knapp ausfällt, beinhaltet er zwei wichtige
Anlagen: die Baubeschreibung und das Leis-
tungsverzeichnis. Bauherren sollten aktiv
nach diesen Dokumenten fragen. Die Baube-
schreibung ist eine Art Zusammenfassung
des Vorhabens. Sie enthält eine allgemeine
Beschreibung des herzustellenden Gebäudes

inklusive einer Flächenangabe, des
Haustyps, der Bauweise und einer Timeline.
Das Leistungsverzeichnis hingegen ist
eine ausführliche und detaillierte Auflistung
aller Leistungen. Hier werden Aussagen
zu allen Gewerken gemacht – vom Funda-
ment bis zum Dach und von Elektro- bis zu
Malerarbeiten. Um Überraschungen zu ver-
meiden, sollten so viele Fragen wie möglich
bereits im Rahmen des Leistungsverzeich-
nisses entschieden werden. Beispielsweise
sollte das Dokument Antworten auf folgende
Fragen enthalten: Welche Sanitäranlagen
werden verwendet? Wie teuer dürfen die
Fliesen sein? Sollen die Böden mit Parkett
oder Laminat ausgelegt werden? Die Innen-

ausstattung nimmt erheblichen Einfluss auf
denGesamtpreis.Schätzungenzufolgekönnen
allein über die Ausstattung 20 Prozent der
Baukosten gespart werden. Grundsätzlich
giltbeimLeistungsverzeichnis: Jedetaillierter,
desto besser.
Wichtig ist außerdem, dass der gesamte
Bauvertrag – zu dem Baubeschreibung und
Leistungsverzeichnis gehören ... von einem
Rechtsberatergeprüftwird.Einesdergrößten
Risiken beim schlüsselfertigen Bauen ist
die Insolvenz des Generalunternehmers.
Daher muss unbedingt geprüft werden, ob
für diesen Fall im Bauvertrag ausreichende
Vorkehrungen getroffen worden sind. Ist
die Absicherung für den Insolvenzfall nicht
ausreichend, ist dies definitiv ein K.-O.-
Kriterium für den Bauherrn.
Zudem sollte dringend gecheckt werden,
wie die Auszahlungsmodalitäten im Ver-
trag geregelt sind. Wichtig ist hierbei, dass
die Auszahlungen an den Anbieter in einer
angemessenen Relation zum Baufortschritt
stehen. Die große Gefahr besteht darin,

dass der Bauherr zu früh zu viel bezahlt.
Dies kann extrem problematisch werden,
wenn der Generalunternehmer während des
Baus insolvent geht. Im schlimmsten Fall ist
dann das Geld des Bauherrn weg, und ihm
bleibt nur ein unzureichender Gegenwert
in Gestalt einer Bauruine. Als Richtschnur
kann gelten: Es darf immer nur so viel aus-
gezahlt werden, dass noch genügend Geld
übrig ist, den Bau auch mit einem anderen
Unternehmen fertigzustellen.

Bauabnahme nur
mit eine m Fachmann

Ist das Haus fertig, kommt die Bauabnahme,
mit der der Bauherr die Immobilie offiziell
übernimmt. Die Abnahme ist ein entschei-
dender Punkt, denn hier kehrt sich die
Beweislast um. Davor muss der Anbieter
beweisen, dass er korrekt gebaut hat, nach
derAbnahmemussderBauherrnachweisen,
dass der Generalunternehmer mangelhaft
gearbeitet hat. Zur Abnahme sollte in jedem
Fall eine Person mit Erfahrung beim Thema
Hausbau mitgenommen werden. Das muss
nicht zwingend ein Bausachverständiger
sein, aber jemand mit Erfahrung – beispiels-
weise ein Architekt oder ein Handwerker.
Bei sehr groben Mängeln darf die Abnahme
verweigert werden – beispielsweise, wenn
Wände schief sind. Bei kleineren Mängeln


  • etwa wenn die Fliesen im Bad schräg sind
    –wirddiesimAbnahmeprotokoll festgehalten,
    und die Abnahme erfolgt nur unter dem Vor-
    behalt, dass d ie Mängel behoben werden.
    Fazit: Auch wenn schlüsselfertiges Bauen
    erst einmal einfach und stressfrei klingt,
    müssen Bauherren doch von Beginn an eine
    ganze Reihe von Dingen prüfen, um Risiken
    auszuschließen und am Ende des Bauprozes-
    ses mit den neu geschaffenen, eigenen vier
    Wänden zufrieden zu sein.


Stephan Zuber ist Rechtsanwalt sowie
Partner und Katja Fleschütz ist Rechts-
anwältin sowie Senior Manager bei
Baker Tilly.

Ohne Stress in dieeigenen


vier Wände


Die Auszahlungen


an den Anbieter


sollten in einer


angemessenen


Relation zum


Baufortschritt


stehen.


IMPRESSUM
Schlüsselfertig bauen
Verlagsspezial derF.A.Z.GmbH
Verantwortlich fürden redaktionellen Inhalt:
FAZITCommunication GmbH,
Frankenallee71– 81, 60327FrankfurtamMain
Geschäftsführung:PeterHintereder,Hannes Ludwig
Redaktion:Benjamin Kleemann-von Gersum,
JuliaHoscislawski(verantwortlich)
Layout:F. A.Z. Creative Solutions, Christian Küster
VerantwortlichfürAnzeigen:Ingo Müller,www.faz.media
WeitereAngabensiehe Impressum auf Seite 4.

      


 


  




Free download pdf