Neue Zürcher Zeitung - 09.03.2020

(Steven Felgate) #1

Montag, 9. März 2020 SCHWEIZ 11


Grüne und Grünliberale

gewinnen in St. Gallen

Trend der eidgenössischen Wahlen bestätigt sich


ANGELIKA HARDEGGER

Eine grüneWelle hat bei den nationalen
Wahlen im Herbst die Schweiz erfasst.
Jetzt schwappt sie abgeschwächt in den
bürgerlichen Kanton St. Gallen hinein:
Die Grünen stellen nach denWahlen
vom Sonntag im Kantonsparlament neu
eine eigeneFraktion, auch dieGrünlibe-
ralen gewinnen.
Diese Gewinne gehen hauptsächlich
auf Kosten der Bürgerlichen. DieSVP
verliert 5 Mandate, bleibt aber deutlich
stärkste Kraft.Die FDP büsst 4 Sitze ein.
Damit verlierenSVP und FDP ihre abso-
lute Mehrheit imParlament. Aber auch
die SP muss Sitze abgeben.DieVerlierer
der St. GallerWahlen sind somit die glei-
chen wie bei den eidgenössischenWah-

len. Besonders schmerzhaft für die SP:
Der Präsident der Kantonalpartei, Max
Lemmenmeier, wurde abgewählt.

Starke Position fürdie Mitte


Die CVP erobert einen Sitz dazu und
erhält in derFraktion voraussichtlich
Unterstützung von der EVP, die ein
Comeback im Kantonsrat feiert. Die
Mitte geht damit gestärkt aus denWah-
len hervor und wird im Kantonsrat eine
Schlüsselrolle spielen. Die Grünlibera-
len, die dieFraktionsstärke knapp ver-
passen, haben bisher mit der CVP in
einerFraktion politisiert. Besteht diese
Gemeinschaft weiter, stellt eine Mitte-
fraktion von CVP, EVP und GLP gleich
vieleParlamentarier wie dieSVP.

DieSt. Galler hatten am Sonntag
auch drei Sitze in derRegierung neu zu
besetzen. Der Kanton wurde die letzten
vier Jahre von sechs Männern und einer
Frau regiert, die auf die neue Legislatur
zurücktrat. Mindestens eineFrau rückt
nach: Die CVP hat eine erfahrene Exe-
kutivpolitikerin aufgestellt – und wurde
belohnt. Als Einzige der Neukandidie-
renden hat die Wiler Stadtpräsiden-
tin Susanne Hartmann dieWahl über-
raschend im ersten Anlauf geschafft.

Holt dieSVP zweitenSitz?


Nun sind noch zwei Sitzein derRegie-
rungvakant. Diese wurden bisher von
SP und FDP besetzt. Der zweiteWahl-
gang vom19. April wird spannend, weil
die SVP angreift. Die drei Kandidieren-
den lagen im erstenWahlgang sehr nah
beieinander.
Die SP stellt, anders alsSVP und
FDP, eineFrau für den zweitenWahl-
gang. Die 35-jährigeJuristin und Mutter
Laura Bucher soll den bisherigen Sitz
verteidigen. Sie holte im erstenWahl-
gang rund 7000 Stimmen mehr als die
Anwärterin der Grünen,Rahel Würmli,
die einAchtungsresultat erzielte. Erwar-
tet wird, dass die Grünen ihre Kandida-
tur zurückziehen.
Die SVP ist in der St. GallerRegie-
rung bis jetzt klar untervertreten. Die
Chancen auf eineKorrektur sind vor-
handen. Der 40-jährige Kandidat
Michael Götte hat im erstenWahlgang
gut abgeschnitten, was auch seinem poli-
tischen Profil zu verdanken ist: Götte ist
ein moderaterSVP-Politiker. Der Kan-
didat der FDP, BeatTinner, holte weni-
ger Stimmen als Götte, das Rennen ist
aber offen. Die vier bisherigenRegie-
rungsräte wurden klar wiedergewählt.

Uri erhält reine Männerregierung


Die SVP erobert ihren Sitz zurück, die CVP gewinnt zwei – grosse Verliererin ist die FDP


ERICHASCHWANDEN


Schon vor dem 8. März war es höchst
wahrscheinlich, dass Uri der sechste
Kanton mit einer frauenlosenRegie-
rung werden würde. Bereits nach dem
erstenWahlgang ist dies zurTatsache ge-
worden. Die beiden bisherigenFrauen
in derRegierung, Heidi Z’graggen (cvp.)
undBarbaraBär (fdp.), werden durch
Männer ersetzt. Nachdem weder CVP
noch FDP eineFrau auf die Kandida-
tenliste gesetzt haben,kommt dies nicht
überraschend. Ebenfallskeine Frau in
der Exekutive gibt es in den Kantonen
Aargau,AppenzellAusserrhoden, Grau-
bünden, Luzern undTessin.
Bei der CVP schaffteDaniel Furrer
neu den Sprung in die siebenköpfige Ex-
ekutive. Die SVP konnte ihren vor vier
Jahren verlorenen Sitz mit ihrem offi-
ziellen Kandidaten Christian Arnold zu-
rückerobern.BeideneuenRegierungs-
räte sindBauern und stärken damit das
landwirtschaftlicheLager in der Exe-
kutive. Das Nachsehen in diesemRen-
nen hat die FDP, deren neuer Kandidat
Georg Simmen dieWahl verpasste. Er
blieb deutlich unter dem absoluten Mehr.
Zittern musste die SP, die mit Dimi-
tri Moretti den letzten linkenVertreter
in den sechs Zentralschweizer Kantonen
stellt. Doch letztlich schaffte es Moretti
problemlos undkonnte die beiden Neu-
gewählten hinter sich lassen. Die bis-
herigen Bürgerlichen Urban Camen-
zind (cvp.), UrsJanett (fdp.), BeatJörg
(cvp.) undRoger Nager (fdp.) schaff-
ten dieWiederwahl ebenfalls. Zu einem
zweitenWahlgang, den viele angesichts
der spannendenAusgangslage erwartet
hatten,kommt es nicht.
Mit derWahl von Christian Arnold
geht für dieSVP eineDurststrecke zu
Ende. Vor vierJahrenkonnte sie ihren


Regierungssitz nicht verteidigen, und
bei den nationalenWahlen im Oktober
2019 verlor dieVolkspartei den Natio-
nalratssitz, der durch den krankheits-
bedingtenRücktritt von Beat Arnold
frei geworden war. Für dieFreisinnigen
ist die Niederlage umso bitterer, als es
ihnen bei den Nationalratswahlen nicht
gelang, den einzigen Sitz zu erobern.
Die Urnerinnen und Urner wählten
am Sonntag auch ein neuesParlament.
Im 64 Sitze zählendenLandrat gab es
nur geringe Sitzverschiebungen.16 der
20 Gemeinden wählen nämlich ihreVer-
treter im Majorzverfahren. Nur in den
vier grössten Gemeinden Altdorf, Bürg-
len, Erstfeld und Schattdorfkommt zum
ersten Mal der doppelte Pukelsheim zur
Anwendung. DiesesWahlsystem wurde
2019 in dieVerfassung aufgenommen

und muss von den eidgenössischen
Räten noch gebilligt werden.
Gewinnerin ist die CVP, die zwei
Sitze erobernkonnte und mit 24Land-
rätinnen undLandräten klar stärkste
Fraktion bleibt. Die Diskussion um die
Abschaffung des C imParteinamen
scheint derPartei in den Stammlanden
also nicht zu schaden. DieSVP und
die Freisinnigen verlieren je zwei Sitze.
Doch sind diese Ergebnisse nicht defi-
nitiv, findet doch in zwei Gemeinden
ein zweiterWahlgang statt.Das links-
grüneLager bleibt vorläufig bei 9 Sit-
zen. Internkommt es zu einer Sitzver-
schiebung von den Sozialdemokraten
zu den Grünen, die neu auf zwei Man-
datekommen. Der grüneAufschwung
scheint in Uri also noch nicht angekom-
men zu sein.
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