14 ZÜRICH UNDREGION Montag, 9. März 2020
Nuancen zwischen Nashorn und Nagell ack
Die Werke in der Kunstsammlung der ZKB sind trotz gelegentlichen Anfragen unverkäuflich
JOHANNA WEDL (TEXT),
ANNICK RAMP (BILDER)
Das Licht ist gedämpft, derRaum in
dezenten Erdtönen gestaltet. So fällt
di e ungewöhnliche Dekoration nicht
unmittelbar auf, wenn man die letzten
Stufen derWendeltreppe hinabgeht.
Dreht man sich um und steht frontal
davor, siehtman, wie wuchtig die Steine
sind, welche dieWand schmücken. 31
Platten unterschiedlicherFarbe,dar-
unter solche in kräftigem Blau und
Grün, hat derKünstler Mario Sala zu
einem Ganzen gefügt.
Das Werk «Monument 09» war eine
Auftragsarbeit, die derWinterthurer
Künstler in Zusammenarbeit mit dem
Steinhauer UrsTr aber im vergange-
nen Herbst imVorraum desKunden-
tresors imZKB-Hauptsitz an der Zür-
cherBahnhofstrasse platziert hat. Ähn-
liche Arbeiten desDuos schmücken seit
2016 eineFassadeimHof desLandes-
museums. Der Clou bei der ZKB-Instal-
lation erschliesst sich erst auf den zwei-
ten Blick: Sala hat in die Steine winzige
Ölbilder eingearbeitet.
Bull-Ridingauf Skulptur
Die etwa 1×1 cm kleinen Täfelchen hat
er von Hand mit Ölfarbe bemalt.Jedes
ziert eine Szene, die einer medialen Be-
richterstattung entlehnt ist. Abgebildet
sind weltbewegende Ereignisse, zum
Beispiel der «Babylift Saigon» (Eva-
kuierung vonWaisenkindern während
desVietnamkriegs), aber auch kuriose
Alltagsgeschichten wie der Moment,
als ein Hobbyzüchter in seinem Gar-
ten eineacht Kilo schwere Zwiebel
erntete. Die «Zeitkapseln» seien wie
Schatzkammern undkonservierten ein-
zelne Ereignisse wie dieTr esorschubla-
denWertgegenständederKunden,er-
läutert Christine Sandercock.Seit 2010
arbeitet die 46-Jährige für dieFach-
stelleKunst der ZKB, seit Ende 2013
ist sie deren Leiterin.
SalasWerk ist eine voninsgesamt
vierKunst-am-Bau-Installationen am
ZKB-Hauptsitz. Mit Abstand das be-
kannteste Objekt steht direkt vor dem
Eingang.Das 500 Kilogramm schwere
Nashorn, eine in den1980erJahren ge-
schaffenerot-braune Eisenplastik von
John A.Tobler, dient als beliebtesFoto-
sujet und besteht aus 10 00 Einzelteilen.
DieBank hegt und pflegt es und
schützt es laut Sandercock an Gross-
anlässen wie dem1. Maiund der Street
Parade mit einer eigens dafür angefer-
tigten Box. Unabhängig davon nutzte
ein amerikanischer Tourist dasTier
einmal für ein Bull-Riding und brach
ihm ein Ohr ab. Glücklicherweise habe
KünstlerTobler den Schaden umgehend
behoben, steht im kürzlich veröffent-
lichten Buch zum150-Jahr-Jubiläum,
das dieBank diesesJahr begeht. Wäh-
rend des Hauptsitz-Umbaus bis 20 15
war das Nashorn fünfJahre im Zürcher
Zoo zu sehen. Der ZKB gehört übrigens
auch ein lebendes Nashorn. Sie hat ein
Tier finanziert, das nach der Eröffnung
der Lewa-Savanne an Ostern auf dem
Zürichberg seinRevier haben wird.
Umstrittenerals die Eisenplastik ist
einWerk in der (ehemaligen) Schal-
terhalle. Hoch oben hängen seit dem
Umbau mehrereDutzend Äste und
bemalte Holzlatten, zu einer schwe-
benden «Endlosschlaufe» zusammen-
gefügt. Die Installation desKünstler-
duos Lutz & Guggisberg wirke, je nach
Stockwerk undPerspektive, jedes Mal
anders, sagt Sandercock. Es sei bemer-
kenswert, wie vielRaum das riesige
Objekt einnehme und gleichzeitig ele-
gant und fein bleibe. Durch die Skulp-
tur hindurch lassensich die Decken-
lampen bis zum Boden senken; eine
Prozedur, die für dieReinigungregel-
mässig vorgenommen werden muss.
Mitarbeiterdürfen mitreden
Es sei durchaus gewollt, dass die
Objekte eine Diskussion anstiessen,
betont Christine Sandercock. «Sie sol-
lenReibungsfläche bieten, aber auch
Emotionen auslösen und Erinnerungen
wachrufen.» Die firmeneigenenKunst-
werkesind bei der ZKB nicht nur am
Hauptsitz präsent, sondern auch an 52
von insgesamt 64 Standorten im ganzen
Kanton verteilt.Wegenräumlicher Ge-
gebenheiten handelt es sich dabei meis-
tens um zweidimensionale Objekte wie
Gemälde, Drucke oderVideostills. Sie
sind häufig in Sitzungszimmern zu se-
hen und sollen auch zumAustausch
zwischen Angestellten undKunden an-
regen.
WirdeineFilialerenoviert, besich-
tigt dieFachstelleKunst dieRäume
und entwickelt ein Bildkonzept mit
Vorschlägen. DieFilialleiter würden in
diese Entscheidungsprozesse eng mit
einbezogen, betont dieKunsthistorike-
rin. Häufig finde mansichrasch, nach-
dem die Bilder im Original besichtigt
wurden und nicht nur über ein PDF zu
sehen waren. Die meisten Mitarbeiten-
den seieninteressiert und offen.
Um dasVerständnis zu fördern, setzt
die ZKB intern stark aufVermittlung
und organisiertregelmässig Mitarbei-
teranlässe, etwaReferate zu aktuellauf-
tretenden Ereignissen in derKunstbran-
che, wie etwa dem Gurlitt-Fall. Es gibt
auchWorkshops, einmal wurde ein Büro
zu einer Camera Obscura umgebaut, so
dass derVerkehr derBahnhofstrasse
der Decke entlang floss.Sandercock
hat trotzdem auch schon harzig verlau-
fende Debatten erlebt. EinFilialleiter
habe ihreVorschläge stets als zu pro-
gressiv abgeschmettert.Daraufhin habe
sie ihn zu einer langenFührung eingela-
den. «Geschichten zu erzählen, die hin-
ter denWerken stehen, hilft enorm»,
sagt sie. Der Mann erhielt einen breite-
ren Einblick und waranschliessend so-
gar bereit,einekontroverseVideoinstal-
lation bei sich in derFiliale aufzustellen.
Ein, zwei Objekte liessen sich effektiv
schwierig platzieren.Fehlkäufe gebe es
in der rund 1400 Kunstwerke umfassen-
den Sammlung jedochkeine, betont die
Fachstellenleiterin. Die ZKB sammelt
ausschliesslich Zürcher Gegenwarts-
kunst, dieKünstler müssen einen Bezug
zu Zürich haben und entweder bereits
international bekannt sein oderrenom-
mierte Preise gewonnen haben.Jedes
Jahrkommen neue Objekte dazu, Inspi-
ration findet man durch die Zusammen-
arbeit mit Galerien oder den Besuch von
Ausstellungen undWerkschauen.
Die Käufe werden von einer 11-köp-
figen Kunstkommission abgesegnet.
Dieser gehören Mitarbeiter verschie-
dener Stufen aus allen Geschäftsberei-
chen an. Wie viel Geld jährlich für neue
Werke ausgegeben wird, ist geheim,
ebenso die Höhe der Sicherheits- und
Versicherungskosten.
Was passiert, wenn einem Angestell-
ten oder einemKunden einWerk beson-
ders gut gefällt? Leihgaben an Museen
sind möglich. Die Objekte werden in
Schweizer Häusernund im nahenAus-
land gezeigt, etwa im Musée des beaux
arts im französischenRennes. «Wir ver-
kaufen aber nichts», betont Sandercock.
Es gebe zwar hin und wieder Anfragen,
diese würden aber allesamt abgelehnt.
Immerhin haben Mitarbeiter gelegent-
lich die Möglichkeit, Objekte ohne
Marktwert zu kaufen, denn das Archiv
am Hauptsitz hat nicht unbegrenzt Platz.
Kunstgeschenke, etwa zurPensionie-
rung langjähriger Angestellter, gibtes
dagegen nicht. Einen Diebstahl jedoch
hat dieBank auch schon erlebt. Bei
einemKunstwerk, zu dem Nagellack ge-
hört, ist das Fläschchen mehrmals ver-
schwunden. DerKünstler wisse mittler-
weile, dass dieses ab und an ersetzt wer-
den müsse, und nehme dies mit Humor.
Kleinen Unternehmen helfen
Seit 2005 gibt es dieFachstelleKunst
und einKunstkonzept, dieBank hat aber
bereitsJahrzehnte zuvor angefangen,
ihre Sammlung aufzubauen.Das Ziel
ist übrigens nicht etwa eineWertsteige-
rung. Vielmehr geht es laut Sandercock
darum, dasregionaleKunstschaffen und
damit die lokaleWirtschaft zu fördern.
Veranschaulichen lässt sich dieses
Engagement zum Beispiel durch die
Neugestaltung desBankratssaales am
Hauptsitz, dort tagen Geschäftsleitung
undBankrat. Nach Entwürfen der ira-
nischstämmigen, in Zürich lebenden
Künstlerin Shirana Shahbazi ist ein far-
bigerTerrazzoboden angelegt worden,
den eine kleineFirma aus dem Zür-
cher Oberland gefertigthat. Das Stadt-
zürcher Designerinnen-Duo Sarah
Kueng und Lovis Caputo hat einen ova-
lenTisch inAubergine entworfen, den
einBadener Schreiner fertigte, und die
bodenlangenVorhänge mit weiss-grau-
schwarzemFarbverlauf stammen von
einer ZürcherTextildesignerin.
Terrazzobodeneines Sitzungszimmers von der iranischstämmigenKünstlerin Shirana Shahbazi. Dreidimensionale grosse Holzschleife desKünstlerduos Lutz & Guggisberg im Entrée des Hauptsitzes.
Unveräusserlich und unverrückbar: die denkmalgeschützte marmorneWendeltreppe. ÜberraschendeKombination ebenfalls vonShirana Shahbazi.