Neue Zürcher Zeitung - 09.03.2020

(Steven Felgate) #1

2 CORONAVIRUS Montag, 9. März 2020


Zweite s Todesopfer in der Schweiz


(sda)· Im KantonsspitalBaselland in
Lies tal starb am Sonntagmorgen ein
Mann, der sich mit dem Coronavirus an-
gesteckt hatte. Der 76-Jährige aus dem
KantonBasel-Landschaft war vergan-
geneWoche bereits positiv getestet von
einem anderen Spital nach Liestal ein-
geliefert worden.
Er litt schon vor der Ansteckung mit
dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 an
mehreren chronischen Erkrankungen,
wie Jörg D. Leuppi, Chefarzt des Kan-
tonsspitalsBaselland, am Sonntagnach-
mittag vor den Medien sagte. So hatte
derPatient eine Herzkrankheit und
kürzlich einen Herzinfarkt.Wo sich der
Mann angesteckt hatte, liess sich gemäss
Leuppi nicht zurückverfolgen.
Derzeit sind im KantonBasel-Land-
schaft19 Coronavirus-Fälle bestätigt,
wie GesundheitsdirektorThomasWeber
(SVP) sagte.Davon werden dreiPersonen
im KantonsspitalBaselland behandelt.
Bereits am vergangenenDonnerstag
starb im KantonWaadt einePerson an
den Folgen des Coronavirus. Es handelte

sich um eine74-jährigeFrau, die sich ver-
mutlich in Italien angesteckt hatte. Sie litt
an einer chronischen Erkrankung und
starb im Spital unerwartetrasch.
SeitFreitagabend ist die Zahl der
bestätigten Coronavirus-Fälle in der
Schweiz um 71 auf 281 gestiegen. Ne-
gativ getestet mitVerdacht auf das
neue Coronavirus wurden bisher mehr
als 4000 Personen, wie das Bundesamt
für Gesundheit (BAG) am Sonntagmit-
tag mitteilte.
Bei 51Fällen liege zudem ein erstes
positivesResultat vor. Die Bestätigung
durch dasReferenzlabor in Genf stehe
für dieseFälle noch aus, heisst es im
BAG-Situationsbericht zur epidemio-
logischenLage. Werden sie bestätigt, er-
gibt sich einTotal von 332Fällen.
Ein ersterFall ist inzwischen imFürs-
tentumLiechtensteinaufgetreten. Aus
20 der 26 Kantone der Schweiz wurden
bis jetztFälle gemeldet. Bislang verstarb
in der Schweiz einePerson in derWaadt
an der durch dasVirus Sars-CoV-2 aus-
gelösten Lungenkrankheit Covid-19.

Grenzgänger


kommen weiter


ins Tessin


Die Römer Regierung erlaubt Ausnahmen von den


verhängten Reiseverboten, auch für den Güterverkehr


Die Botschaft an diesemGebäude inRom steht sinnbildlich für die Massnahmen derRömer Regierung in Norditalien.

ALEXANDER GRASS, CARONA


Auch dasTessin ist von der Abriegelung
Norditaliens betroffen. 35 000 Fahr-
zeuge benützen täglich denAutobahn-
zoll in Chiasso-Brogeda.Dazu kommen
über zwanzig weitere Grenzübergänge.
68 000Grenzgängerinnen und Grenz-
gänger arbeiten imTessin und besetzen
jeden vierten Arbeitsplatz. Eine Schlies-
sung der Grenze hätte schwereAus-
wirkungen auf dieWirtschaft im Süd-
kanton.
Im Tessin werde den neuen italieni-
schenVorschriften mit verstärktenKon-
trollen im Grenzraum Nachachtung ver-
scha fft, erklärte derTessiner Staatsrats-
präsident ChristianVitta am Sonntag-
abend. Es stündenWochen und Monate
bevor, die möglicherweise sehr schwie-
rig würden.Das Tessiner Spitalwesen
werde neu organisiert, Geburtsabtei-
lungen und Notfallabteilungen würden
zusammengelegt. So werdeFachperso-
nal konzentriert eingesetzt.


Keine Freizeitfahrten erlaubt


Die Einreise vonPersonen aus Italien
ins Tessin sei nur noch erlaubt, wenn
berufliche Gründe vorlägen.Freizeit-
und Ferienfahrten seien verboten, sagte
Vitta. Unklar ist, ob davon auch italie-
nische Studenten betroffen sind, die
an Tessiner Universitäten eingeschrie-
ben sind.
Transitfahrten aus der Schweiz durch
die Verbotszone hindurch Richtung
Süditalien seien eigentlich nicht erlaubt,
sagte der Bundesratssprecher André
Simonazzi zur NZZ. Doch ausführliche
Informationen dazu fehlten. Die genaue
Auslegung des Dekrets sei Sache der ita-
lienischen Behörden.
So endete am Sonntag einTag vo l-
ler Unsicherheiten und Spekulationen.
Noch am Morgen hatten weder der Prä-
sident desTessiner Staatsrats, Christian
Vitta, noch Stefano Modenini, der Prä-
sid ent der Tessiner Industrievereinigung
AITI,gewusst, für wen dieFahrverbote
in Norditalien gelten und für wen nicht.
EinRadioreporter meldete sich von
einem Grenzübergang: Die italienischen
Beamten seien no ch ohne Instruktionen
aus Rom, alles sei ruhig. Bei den SBB
hiess es auf Anfrage der NZZ, die Züge


zwischen der Schweiz und Italien ver-
kehrten gemässFahrplan, besondere
Anweisungen der italienischen Behör-
den gebe es nicht.

Unsicherheit bei Firmen


Ferienreisen oder Einkaufstourismus-
Fahrtenin die betrof fenenRegionen
sind derzeit eigentlich verboten. Doch
die Tessiner Grenzübergänge blieben
am Sonntag offen –Autoreisende wur-
den ohneKontrollen durchgewinkt. Die
Züge nach Mailand waren pünktlich.
Einzig die Centovallibahn stellte die
internationalenFahrten ein.Eine vor-
sorgliche Massnahme, die nach Abspra-
che mit der Präfektur in Domodossola
und aufWunsch des italienischenTeils
der Direktion getroffen worden ist.
Bis am späten Nachmittagwarun-
klar, was das Dekret ausRom für den
Grenzverkehr bedeutet. Die Verun-
sicherung imTessin wuchs. Zahlreich
waren die Anfragen beimBaumeister-
verband; 56 Prozent der Beschäftigten
im Baugewerbe sind Grenzgänger.
Freie Wohnungen und Hotelzimmer
wurden gesucht zur Unterbringung von
Personal. Unterlagen wurden vorberei-
tet, die bei einerKontrolle von Grenz-
gängern belegen sollen, dass die Be-
troffenen in einemTessiner Betrieb ge-
braucht werden.
Nach Ansicht von CVP-National-
rat Fabio Regazzi, Präsident der Indus-
trievereinigung AITI, wäre eine Grenz-
schliessung übertrieben und unverhält-
nismässig. DieLage sei schwierig und
ernst, das Schlimmste jedoch sei die
Unsicherheit, sagte er. Viele Arbeit-
geber wollten wissen, mit welchen Be-
dingungen sie nun zurechnen hätten.
Doch das von derRegierung inRom an-
gerichteteDurcheinander sei wenig er-
freulich. «Das Mindeste wäre es gewe-
sen, die Schweiz, die KantoneTessin und
Wallis einzubeziehen. Immerhin ist die
Schweiz einer der grössten, wenn nicht
der grösste Arbeitgeber für die Lombar-
dei », ergänztRegazzi.
Die Handlungsmöglichkeiten für
Unternehmer sind beschränkt. Siekönn-
ten Mitarbeitende einladen, ihre Arbeit
von zu Hause aus zu erledigen, sagte
Regazzi. Das betreff e aber nur eine
Minderheit von Angestellten. In man-

chenFirmen würdenFerien vorgezogen
und Überzeitkompensiert.Auch in sei-
ner Firma werde geprüft, ob wichtigen
Mitarbeitern Unterkünfte imTessin be-
schafft werdenkönnten.

Sorgeum Gesundheitssystem


Amspäten Nachmittag hat dasAus-
senministerium inRom die vonFabio
Regazzi und von Zehntausenden Grenz-
gängern erhoffte Klarheit geschaffen:
Der Güterverkehr dürfe frei zirkulie-
ren. Und auch dieWege von der und zur
Arbeit seien von denReiseverboten aus-
genommen. Grenzgängerkönnen sich
also von ihremWohnort zum Arbeits-
ort in der Schweiz frei bewegen.Sie müs-
sen den Grund ihrerFahrt aber belegen
können – zum Beispiel mit einem Doku-
ment oder mit einemAusländerausweis.
In einer Mitteilung des Bundesrates
hiess es dazu, damit solle derFortbe-
stand desTessiner Gesundheitssystems
ge sichert werden. Mit der starken Zu-
nahme der Coronavirus-Fälle steigt die
Belastung der Spitäler imTessin.Von
28 000 Beschäftigten imTessiner Ge-
sundheitswesen sind immerhin 380 0
Grenzgänger.

zur Unternehmens-Verantwortungs-Initiative


Die Unternehmens-Verantwortungs-
Initiative und der Gegenvorschlag des
Nationalrats wollen einen Alleingang der
Schweiz. Sie stellen dierechtlicheWelt
für Schweizer Unternehmen auf den Kopf.

Es soll neu eine Umkehr der Beweislast
gelten. So werden Klagen gegen
Schweizer Unternehmen attraktiv.
Die Unternehmen müssen vor Gericht
beweisen, dass sie alles richtig gemacht
haben und werden erpressbar.

Wirtschaftskomitee «Zusammenarbeit stattGeric htsprozesse»|www.erpresserische-klagen-nein.ch


Verkehrte Welt für Schweizer Unternehmen


USAFHOLLAND RANKREICH SCHWEIZ DEUTSCHLAND

NEIN

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