Neue Zürcher Zeitung - 09.03.2020

(Steven Felgate) #1

30 SPORT Montag, 9. März 2020


Man läuft den «Engadiner» trotzdem

AmTag des abgesagten Skimarathons tummeln sich viele in der Loipe – zum Beispiel mit selbst gedruckterStartnummer


ELMARWAGNER, MALOJA


Es ist Sonntag, die Engadiner Berge
präsentieren sich in ihrer ganzenWin-
terpracht, und die Loipen rufen:Komm!
Was macht man also an diesemTag, an
dem eigentlich der Skimarathon statt-
finden sollte und wegen des Coronavirus
abgesagt wurde? Man läuft den «Enga-
diner» trotzdem.
So denken ganz viele. An diesem
Sonntag tummeln sich im Startgelände
in Maloja unzähligeLangläuferinnen
und Langläufer, wohl über tausend an
der Zahl. Um Punkt zehn Uhr ruft je-
mand: Los! Und eine halbe Hundert-
schaft von Sportlerinnen und Sportlern
läuft gleichzeitig los. Sie sind Mitglieder
eines MoskauerFitnessklubs, und sie
wollen die Absage desRennens nicht
einfach so hinnehmen.Alle tragen sie
eine Startnummer, selbst gedruckt.
Sie machen jetzt ihr eigenes Ding und
sehen ganz vergnügt aus.Auf der ganzen
St recke haben die russischen Betreuer
Getränkestände verteilt; trinken dürfen
alle, die hier vorbeikommen. Beispiels-
weise jeneLanglauf-Exoten, die mit
Sombreros undPonchos bekleidet über
die Loipe gleiten. Oder die Gruppe von
Hoteliers ausPontresina, die mit alten
Startnummern die Strecke bewältigt.
Bei derPassage in St. MoritzBad fin-
det gar ein kleinesVolksfest statt,es gibt
Applaus und eineKuhglocke.


«Mein Herz blutet»


EinenAugenschein in Maloja nimmt
auch der CEO des Engadin Skimara-
thon, bevor er selber dieLanglaufski
anzieht. Menduri Kasper sagt: «Mein
Herz blutet, denn es wäre alles für
einen grossartigenTag angerichtet ge-
wesen.» Offenbar wollten viele der ver-
hindertenTeilnehmer diesen besonde-
ren Ausfall irgendwie festhalten:Tau-
sende holten in denVortagen bei den
Loipenpass-Verkaufsstellen oder im
Marathon-Büro ihreFinisher-Medail-
len ab, und etliche wollten noch ihrer
Startnummer habhaft werden. Doch
Kasper musste irgendwann abwinken:
Es war zu aufwendig, jede einzelne
Nummerrauszupicken.
Die ganze Marathonstrecke kann
man am Sonntag nicht bewältigen, die
letzten paar hundert Meter fehlen.Das
Zielgelände in S-Chanf ist Militärgebiet
und daher an einem Sonntag wie die-
sem gesperrt; die Marathon-Haltestelle
der RhätischenBahn wird nicht bedient.
Viele beenden darum ihren «Engadi-
ner» schon bei Kilometer 37, in Zuoz.
Die Läuferinnen undLäufer sind nicht
unglücklich,dass sie sich die letzten har-
ten Kilometer füreinmal schenken dür-


fen. Sie machen es sich auf der gros-
sen Sonnenterrasse bequem, daneben
ist eigens ein Grill aufgebaut,gemüt-
lich ist es auf den Holzbänken.Alle wis-
sen: Hier wird es nächstesJahr wieder so
richtig hart, in der Loipe.
Die Organisatoren des Engadin Ski-
marathons haben in den über 50Jah-
ren ih res Bestehens finanzielleReser-
ven angehäuft. Das hilft ihnen über
die Absage hinweg, denn eine spezielle
Versicherung haben sie nicht. Der Ge-
schäftsführer Menduri Kasper geht für
diesesJahr von einemVerlust zwischen
400 000 und einer MillionFranken aus,
das hängt von denVerhandlungen mit
den Sponsoren ab.

Die 14 200Angemeldeten bezahlten ein
St artgeld von 100Franken.Davon dürf-
ten sie nicht mehr viel sehen:reglemen-
tarisch stehen ihnen nur noch16 Fran-
ken zu. Kasper sagt:«Wir möchten so
viel Geld wie möglich zurückzahlen,
doch das meiste haben wir imVorfeld
schon ausgegeben.»

Nur fünf paar Skipräpariert


Eine Studie von 2017 hat ergeben,
dass der Skimarathonin derRegion
jeweils eine Bruttowertschöpfung von
sechs MillionenFranken generiert. Da-
von können sie im Engadin derzeit nur
träumen.Der Hotelier eines 5-Sterne-

Hotels sagt: «Es gab nach der Absage
des Marathons viele Stornierungen,und
zwar nicht nur von potenziellenTeilneh-
mern.Auch andere Gäste waren verun-
sichert und wollten gar nicht erst anrei-
sen.»Verlässliche Angaben sind aber
nicht zu erhalten, einige Hotels mussten
für die fraglichePeriode offenbarkeine
Absagen hinnehmen.
Definitiv negativ betroffen waren
die vielen Sportgeschäfte in derTouris-
mus-Region.Das Fachgeschäft «Ber-
nina Sport» inPontresina etwa prä-
parierte letztesJahr in der Marathon-
Woche rund 320Paar Ski, die meisten
Kunden wollten dasTop-Angebot, das
100 Franken kostet. «In diesemJahr

haben wir ganze fünfPaar Langlauf-Ski
speziell präpariert», sagt der Geschäfts-
füh rer Daniel Höhener. Auch sonst sei
der Umsatz in der fraglichenPeriode
eingebrochen, sagt er, «auf knapp die
Hälfte desVorjahres».
Dafür haben andere blitzschnell
einenVorteilerk annt. Die Betreiber
der Sportbahnen Grüsch-Danusa boten
den verhinderten Skimarathon-Teil-
nehmern für den Sonntag eine Gratis-
Gondelfahrt zu ihrer Loipe an: Diese
liege gleich hoch wie jene im Enga-
din. Nun, am Sonntag liess sich auch im
Engadin wunderbar langlaufen, und so-
gar dieWettkampf-Atmosphäre fehl te
nicht ganz.

Der Absage zumTrotz: Langläuferinnen und Langläufer laufen ihreigenesRennen – hierzu sehen bei St.Moritz und LaPunt. BILDER RETO ALTHAUS

Bundesliga vor


leer en Rängen?


Deutsche Fussball-Liga


will Meisterschaft zu Ende spielen


(sda/dpa)· Die DeutscheFussball-Liga
(D FL) will die Saison in der Bundes-
liga und der 2. Liga trotz der Corona-
virus-Epidemie und drohenden Geis-
terspielen bis Mitte Mai wie geplant zu
Ende spielen. «Nur so erhalten Klubs
und DFL trotz schwierigen Umständen
für diekommende Spielzeit Planungs-
sicherheit», sagte der DFL-Geschäfts-
führer Christian Seifert laut einer Mit-
teilung vom Sonntag.
Auf- und Absteiger sowie dieTeil-
nehmer für die internationalenWett-
bewerbe müssten i n beidenSpielklas-
sen ermittelt werden. Die Klubs wür-
den sich mit den zuständigen Behörden
an den jeweiligen Standorten wie bis-
her eng hinsichtlich des Ablaufs weite-
rer Spieltage abstimmen, sagte Seifert.
Zuvor hatte der Gesundheitsminis-
ter Jens Spahn empfohlen, wegen der
schnellenAusbreitung des Coronavirus
Veranstaltungen mit mehr als 1000Teil-
nehmern vorerst abzusagen.


Noé Roth


feiert doppelt


Der 19-jährige Skiakrobat
gewinnt den Gesamtweltcup

(sda)· Der Skiakrobat NoéRoth hat am
Weltcup-Finale in Krasnojarsk (RUS)
gleich doppelt Geschichte geschrieben.
Dank dem erstenWeltcup-Sieg sicherte
sich der19-jährige Zuger auchPlatz1 im
Gesamtweltcup.
Roth entschied den Zweikampf um
die Kristallkugel gegen den Russen
Maxim Burow letztlich souverän fü r
sich. Der Schweizer gewann bei böigen
Winden die letzte Prüfung, Burow fiel
als Vierter in der Gesamtwertung gar
noch aufRang drei zurück.
Dass der ersteWeltcup-Sieg just
beim wichtigenWettkampf im Saison-
finale zustande kam, passt zum Zentral-
schweizer. Trotz seinerJugend bewies
Roth mehrfach Nervenstärke und Ab-
geklärtheit. Im letztenJahr gewann er
an seinen erstenA-Weltmeisterschaften
Einzel-Bronze und WM-Gold imTeam.
Nun etablierte sich der Sohn des Schwi-
zer NationaltrainersMichelRoth als
Bester der gesamten Saison.

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