Neue Zürcher Zeitung - 09.03.2020

(Steven Felgate) #1

Montag, 9. März 2020 ZUSCHRIFTEN 7


ALEX KÜHNI

FOTO-TABLEAU

Insel im Schatten


des Terrors 1/


Im tiefsten Dschungel der philippinischen Insel
Mindanao sichert ein Soldat den Ort, an dem vor drei
Jahren eingrausamesVerbrechen stattgefunden hat.
Im August 2017 ermordeten dort Mitglieder der New
People’s Army (NPA), dem militärischen Flügel der
KommunistischenPartei der Philippinen, drei
Männer: einen früherenPolizisten, einen Soldaten
und einen Stammesführer. Laut Angaben der
philippinischenArmee hatten rund 30 bewaffnete
Mitglieder der NPA die Männer, die alle miteinander
verwandt waren, gekidnappt und in die Berge der
Provinz Bukidnon gebracht. Sie zwangen die drei
zunächst, ihre eigenen Gräber zu graben, dann
wurden sie erschossen. Genau zweiJahre später, im
August 2019, ist der BernerFotojournalist Alex
Kühni nach Mindanao gereist, um einen Einsatz der
Armee gegen dieRebellen zu begleiten.Kurz zuvor
war der Ort, an dem die drei Männer vergraben
worden waren, durchVerhöre von früheren
NPA-Mitgliedern lokalisiert worden. Mit etwa 40
bewaffneten Soldaten fuhrKühni mitten in der Nacht
los, in zweiLastwagen ging es über holprige Strassen.
Als einFahrzeug bei einer Flussüberquerung stecken
blieb, ging es drei Stunden zuFuss weiter, teilweise
durch hüfthohesWasser. Den Ort, der auf demFoto
zu sehen ist, erreichten sie gegen Mittag. Mehrere
Soldaten sicherten die Stelle gegen alle Seiten ab.
Kurz danach stellte derFunkerKontakt zu einer
nahen Militärbasis her, um Verstärkung und einTeam
von Kriminologen für die Exhumierung der Skelette
anzufordern.

Chlorothalonil:


Von Gift und Geld


Syngenta hat den Bund in der NZZ-Aus-
gabe vom 28.Februar 2020 für dasVer-
bot desPestizids Chlorothalonil scharf
kritisiert. Unteranderem moniertSyn-
genta, der Bund habe die Grenzwerte
für die Abbauprodukte von Chlorotha-
lonil«ausnichtnachvol lziehbarenGrün-
den» gesenkt. Nun, die Gründe sind
sehr wohl nachvollziehbar: Chlorotha-
lonil wird von der europäischen Zu-
lassungsstelle für Pflanzenschutzmittel
(EFSA) als höchst bedenklich und so-
gar «wahrscheinlich krebserregend» ein-
gestuft.Auch bei mindestens sechs, teil-
weise sehr langlebigenAbbauprodukten
kann nicht ausgeschlossen werden, dass
sie bereits in geringenKonzentrationen
imTrinkwasser krebserregend sind.Nun
kann man sich – wieSyngenta – auf den
Standpunkt stellen,esreiche nicht, einen
Wirkstoff zu verbieten,nur weil er wahr-
scheinlich Krebs auslösenkönnte. Nach
dieser Logik werden die Menschen zu
Versuchskaninchen: Sie werden umstrit-
tenenWirkstoffensolangeausgesetzt,bis
deren Gefährlichkeit einwandfrei nach-
gewiesen ist.Der Grundgedanke bei der
Zulassung vonPestiziden ist jedoch ein
anderer:Die Sorge um Mensch und Um-
welt steht an erster Stelle. Erst danach
kommtdieunternehmerischeFreiheit.In
der Causa Chlorothalonil hat der Bund
im Interesse der Bevölkerung entschie-
den.Er hat dasPestizid aufAnfang 2020
verboten.Dabei stützte er sich auf die
Beurteilung der EU, die bereits früher
geh andelt und denWirkstoff verboten
hatte .Syngenta,alsHerstellerundHänd-


ler,hatgegendasVerbotBeschwerdeein-
gereicht.Syngenta wäre besser beraten,
aufalternativePflanzenschutzmethoden
zu setzen. So wie derKonzern das stän-
dig propagiert. Statt mühselige Abwehr-
kämpfe zu führen – aufKosten der Be-
völkerung und der Umwelt.
Eva Wyss, Agrarexpertin WWF Schweiz

Kein neues Jagdgesetz


Schafe werden zu 98 Prozent geschützt,
wenn die richtigenVorkehrungen ge-
troffen werden. Herdenschutzhunde
und Zäune bewähren sich. Franziska
Schwarz, Vizedirektorin des Bundes-
amts für Umwelt,bestätigt diesen Erfolg
(N ZZ 28. 2. 20).Wanderer müssen ler-
nen, die Hunde zurespektieren und sie
nichtbeiihrerAufgabezustören.Sowird
der Konflikt der Übergriffe desWolfes
auf Nutztiere gelöst, ohne dass wir ein
neues, blutigeresJagdgesetz brauchen.
Der Wolf verdient einen Platz bei uns.
Martin A. Liechti, Maur

Aus der


Froschperspektive


Wenn in heterogenenRegelklassen inte-
grierte Schüler mit starkenVerhaltens-
auffälligkeiten gut vorbereitete Lek-
tionen durch häufiges Stören durchein-
anderbringen, entsteht vielFrustration

(NZZ 28. 2. 20).Besondersbetroffen da-
von sind jüngere Lehrpersonen, die mit
neuenKonzepten für selbstverantwort-
liches Lernen vor ihre Klasse treten.Das
erstaunt erfahrene Schulpraktiker we-
nig. Je anspruchsvoller derUnterricht
bezüglich der Eigenverantwortung der
Schüler ist, desto wichtiger ist es, dass
eine Klasse weiss, was zielgerichtetes
Arbeitenkonkret bedeutet.
Leider wird in der Lehrerbildung
der Klassenführung und den erziehe-
rischen Aspekten nicht überall erste
Priorität eingeräumt. Lieber werden
neue didaktischeKonzepte entwickelt,
die auf Klassen mit guter Disziplin auf-
bauen. Stossend dabei ist,dassdiese zen-
tralen pädagogischenVorleistungen oft
mit scheinbar rückständigen Methoden
in Verbindung gebracht werden. Die
Geringschätzung dieser fundamentalen
Aufgabe schadet unserer Schule enorm.
Manche ausgezeichnete Lehrform mit
starker erzieherischerWirkung wird
heute vernachlässigt, weil sie nicht zu
den aktuellen Unterrichtsdogmen passt.
Doch unsere Schüler fragen nicht nach
Dogmen. Sie möchten Lehrerinnen und
Lehrer, die mitKönnen und Begeiste-
rung eine Klasse führen.Jugendliche
wollen sich durch direkte Instruktion
in anschaulicherWeise Neues aneignen
und sind bereit, mit Einsatz zu üben. Sie
freuen sich auf spannende Geschich-
ten und aufregende naturwissenschaft-
liche Experimente.Aber sie wollen nicht
zu einer vorzeitigen Selbständigkeit im
Lernen verurteilt werden.
Die Arbeit in den Schulzimmern
muss wieder stärker aus derFrosch-
perspektive betrachtet werden. Als
Adler hoch über dem Geschehen zu
kreisen und dabei nicht genau zu sehen,

was unten im Detail abläuft, ist zwei-
fellos ein erhebendes Gefühl.Auch als
Lehrer möchte man da ab und zu mit-
fliegen.Auf dieseWeise hält man den
grossen Überblick.Doch es ist ein Skan-
dal, wenn engagiert arbeitende Lehre-
rinnenund Lehrer mit schrägen Blicken
diffamiert werden, nur weil sie nicht auf
bewährte Lehrmethoden verzichten
wollen. Reden wir endlich mehr von der
Wirkung vonMethoden im Unterricht
statt von ihrer vermeintlichen Gross-
artigkeit auf demReissbrett!
Hanspeter Amstutz,Fehraltorf

Coronavirus


und Flüchtlingswelle


DieAngst vor demCoronavirus geht um
in der Schweiz, Deutschland und weiten
Teilen derWelt. Die Medien überschla-
gen sich mittlerweile fast stündlich mit
den neuesten Hiobsbotschaften zum
Thema und füllen so die Zeitungen und
Internetseiten.Dabei hätten gerade die
EU-Staaten mit ihren hochentwickelten
Gesundheitssystemen Grund zur abso-
luten Gelassenheit. Anders sieht das in
Bezug auf die sich abzeichnende neue
Flüchtlingswelle ausSyrien und ande-
ren Staaten der arabischenWelt aus.
Damit droht der Stabilität Nordeuro-
pas eine noch gar nicht absehbare Ge-
fahrensituation. Erinnern wir uns nur
an den Spätsommer 2015. Die leider
immer noch amtierende Kanzlerin der
Bundesrepublik, Angela Merkel, setzte
sich völlig abgehoben über alle Beden-

ken in Europa und dem von ihrregier-
ten Land hinweg und liess gemäss dem
Motto«Wir schaffen das!» die Gren-
zen offen. An den damit verbundenen
gesellschaftlichenVeränderungen, der
explodierendenWohnungsnot und der
Last derKosten werden noch dieFolge-
generationen zu tragen haben.
Bleibt zu hoffen, dass die undurch-
sichtigeFrau aus der Uckermark dies-
mal nicht wieder das Geschehen domi-
niert. Ein«Wir schaffen das auch dies-
mal!» würde Europa endgültig zerstören
und Deutschland irreparabel destabili-
sieren.
ClausReis, D-Schwabach

An unsere Leserinnen


und Leser


Wir danken allenEinsenderinnen
und Einsendern vonLeserbriefen
und bittenum Verständnis dafür,
dass wir über nicht veröff entlichte
Beiträgekeine Korrespondenz
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Die KriminalitätimInternet nimmt immer grössere Ausmasse an. Jährlich gehen beim
Fedpol über 8000 Verdachtsmeldungen von Cyberkriminalität ein. Doch wie gross sind die
Risiken der Internetkriminalität wirklich? Wie können sich Privatpersonen und Unternehmen
dagegen schützen? Und wie geht der Bund mit der wachsenden Bedrohung um? An der NZZ
Zukunftsdebatte besprechen Experten die Risiken der Cyberkriminalität sowie mögliche
Präventionsmassnahmen.

NZZ ZUKUNFTSDEBATTE


Cyberkriminalität: Wie gefährlichist das Netz? 19. März 2020, 18.30 Uhr


NZZ-Foyer,Zürich

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