Die Welt - 07.03.2020

(Ben Green) #1

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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP


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DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020 SPORT 27


K


napp drei Stunden waren
es, die man zusammensaß.
Der Austausch, so heißt es,
war rege. Am Ende fielen
sich die Fanvertreter und
Fußballfunktionäre zwar nicht in die
Arme. Doch nachdem beide Parteien zu
Beginn des Treffens noch mit dem Fin-
ger auf die jeweils andere gezeigt und
von „Ihr müsst“ gesprochen hatten, war
man sich am Ende zumindest darüber
einig, dass man den Weg zur Befriedung
im deutschen Fußball nur gemeinsam
gehen kann. Von einer Versachlichung
der Debatte war die Rede, von Ernsthaf-
tigkeit und von klaren Spielregeln.
„Der kommende Spieltag wird zeigen,
ob wieder zu einer Art Fußballalltag zu-
rückgekehrt werden wird“, teilte das
Bündnis Unsere Kurve nach der Sitzung
mit, an der unter anderem Christian Sei-
fert, der Geschäftführer der Deutschen
Fußball-Liga (DFL), Friedrich Curtius,
Generalsekretär des Deutschen Fußball-
Bundes (DFB) sowie Vertreter der AG
Fankulturen teilgenommen hatten. DFB
und DFL hätten sich dabei, hieß es in der
Mitteilung weiter, „durchaus selbstkri-
tisch“ geäußert. Doch dieser „Selbstkri-
tik müssen nun Taten folgen“.
Diskutiert wurde beim Treffen über
die Grenzen zwischen freier Meinungs-
äußerung, Beleidigung und Diskriminie-
rung, aber auch über die Kollektivstrafe
sowie den Plan mit den folgenden drei
Stufen: Spielunterbrechung und Stadi-
ondurchsage (Stufe eins), Mannschaf-
ten gehen in die Kabine und erneute
Stadiondurchsage (Stufe zwei) und
Spielabbruch (Stufe drei).
Wie zerrüttetet jedoch das Verhältnis
zwischen dem Verband und den Fuß-
ballfans hierzulande ist, zeigte sich
dann jedoch am Freitag. Mit dem Zu-
sammenschluss der Fanszenen
Deutschland, in dem die meisten deut-
schen Ultragruppen organisiert sind,
meldeten sich zahlreiche deutsche Fan-
und Ultraszenen gemeinsam zur aktuel-
len Debatte über beleidigende Plakate
und Kollektivstrafen des DFB zu Wort.
Sie werfen dem weltgrößten Sport-
fachverband „Doppelmoral und Demo-
kratiefeindlichkeit“ vor. Nicht integre
Personen und Strukturen würden den

Fans in der aktuellen Debatte erzählen
wollen, was Anstand sei, hieß es in dem
Schreiben. Laut der Erklärung gehe es
dem DFB „nicht um die Themen anti-
rassistisches Engagement oder Antidis-
kriminierung, sondern um die Bekämp-
fung der Fankultur“. Durch die Spielun-
terbrechungen werde das Ziel verfolgt,
„die Fanszenen zu spalten“.

Für den nun anstehenden Spieltag
kündigen die Fanszenen Deutschland
weitere Proteste an – es droht also wie-
der Unheil an diesem Wochenende.
„Wir Fans werden die Praxis vom
letzten Spieltag nicht einfach so hin-
nehmen und im Zweifel weiter Unter-
brechungen und auch Abbrüche in Kauf
nehmen.“ Diese Drohung wurde noch

einmal gesondert betont. „Wenn es kei-
ne Möglichkeit gibt, grundlegende Ver-
änderungen im deutschen Fußball zu
erreichen, müssen wir eben zu drasti-
scheren Maßnahmen greifen. Dass es
keine andere zielführende Möglichkeit
gibt, haben die von uns geführten Ge-
spräche mit den Verbänden gezeigt, die
letztlich nicht mehr waren als ein gro-

ßer Scheindialog“, ist in dem Schreiben
zu lesen.
Das DFB-Sportgericht hatte eine Be-
währung für die BVB-Fans wegen fort-
gesetzter Schmäh- und Hassplakate ge-
gen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp
unlängst aufgehoben und alle Dortmun-
der Anhänger für die nächsten zwei Jah-
re von den Bundesligaspielen ihres Ver-
eins in Sinsheim ausgeschlossen. „Die
tatsächliche Schande der vergangenen
Wochen liegt im Verhalten der Verbän-
de, allen voran des DFB“, kritisierten
die Fanvertreter die Entscheidung. Zu-
dem warfen sie dem DFB Zensur vor,
weil es zuletzt auch wegen Plakaten oh-
ne beleidigenden Inhalt zu Spielunter-
brechungen gekommen war. Wie in Ber-
lin bei der Partie zwischen dem 1. FC
Union und dem VfL Wolfsburg, wo es
die erste Spielunterbrechung gab, nach-
dem im Fanblock von Union zu lesen
war: „2017 Kollektivstrafen abgeschafft,
nun Hopp hofiert und zwei Schritte zu-
rück gemacht. Fick dich, DFB!“
In einer Erklärung des DFB räumte
dieser am Freitag „selbstkritisch“ ein,
„dass aufgrund der kurzen zeitlichen
Spanne, der Komplexität der Themen
und der oft schwerlich voneinander ab-
zugrenzenden Begrifflichkeiten Unsi-
cherheiten durch unklare Kommunika-
tion entstanden sind. In der Folge wur-
de nachvollziehbarerweise bei einzel-
nen Partien zu sensibel reagiert.“ Kritik
gegen Institutionen und Personen sei
selbstverständlich zulässig. Selbst wenn
sie beleidigend oder grob unsportlich
sein sollte, könne das Spiel auch künftig
weiterlaufen. Diskriminierungen und
Gewalt aber hätten im Fußball keinen
Platz. „Dies gilt umso mehr vor dem
Hintergrund einer auseinanderdriften-
den Gesellschaft“, hieß es in der Erklä-
rung. Der Dreistufenplan sei entwickelt
worden, um bei diskriminierenden Vor-
fällen jeglicher Form einschreiten zu
können. „Das DFB-Präsidium hat heute
klargestellt, dass der Dreistufenplan
auch bei personifizierten Gewaltandro-
hungen (zum Beispiel Personen im Fa-
denkreuz) genutzt wird.“
Es bleibt abzuwarten, was am Wo-
chenende in den Kurven geschieht –
und auf die ersten Gespräche folgt. LaGa

Neues Unheil kündigt


sich in der Liga an


Ein Teil der Fanszene verweigert im Streit mit dem DFB den Dialog und


setzt weiter auf Konfrontation – neue Proteste sind bereits angedroht


Protest in der Kurve: Für diese Banner wurde am vergangenen Wochenende das Spiel zwischen Union und Wolfsburg unterbrochen

CITY-PRESS VIA GETTY IMAGES

/MARCO LEIPOLD

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G


erade einmal eine Woche hat
Martin Schwalb gebraucht, um
den in dieser Saison recht zah-
men Rhein-Neckar Löwen den Erfolgs-
hunger zurückzugeben. Nach drei Sie-
gen aus drei Spielen unter ihrem neuen
Trainer reisen die Mannheimer selbst-
bewusst zum Topspiel der Handball-
Bundesliga beim Tabellenführer THW
Kiel. „Das ist momentan wahrscheinlich
das beste Team in Deutschland. Aber
wir fahren dorthin, um etwas mitzuneh-
men“, sagte Teammanager Oliver Rog-
gisch vor der seit Wochen ausverkauf-
ten Partie am Sonntag (13.30 Uhr).
Mit einem Sieg an der Förde würde
der deutsche Meister von 2016 und 2017
das Titelrennen zwischen den Nordri-
valen Kiel (42:8 Punkte) und SG Flens-
burg-Handewitt (40:12) wieder span-
nend machen und die eigenen Ambitio-
nen auf einen internationalen Start-
platz wahren. Ganz nach oben schielen
die Mannheimer (34:16) nicht mehr.
„Die Meisterschaft werden wir nicht
mehr gewinnen“, sagte Regisseur Andy
Schmid. Immerhin ist unter Schwalb,
der in der Vorwoche für den beurlaub-
ten Isländer Kristjan Andresson ver-
pflichtet worden war, der Spaß am
Handball zurückgekehrt. Beim THW
haben sie zudem ausgemacht, dass die
Mannheimer unter Schwalb mit mehr
Emotionen und Tempo agieren.
Der THW ist also gewarnt, zumal er
in der Hinrunde beim 25:26 in Mann-
heim eine ärgerliche Niederlage kas-
siert hatte. Nun wollen die Kieler Re-
vanche nehmen und einen weiteren
Schritt zum 21. Titel machen. Die Sehn-
sucht danach ist bei den Norddeutschen
riesig, weil sie fünf Jahre lang nicht ge-
wonnen wurde. Aus Sicht des Rekord-
meisters ist das ein halbe Ewigkeit. DW

Kiels Respekt


vor dem


Schwalb-Effekt


Neuer Löwen-Trainer setzt


vor Topspiel Kräfte frei


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