Die Welt - 07.03.2020

(Ben Green) #1

E


s sei, als wäre Weihnachten abge-
sagt worden und man hätte als
Kind die Geschenke mit der Post
geschickt bekommen: „Auch
schön, aber nicht das gleiche“,
sagt Jo Lendle, Chef des Hanser-
Verlags auf die Frage, was die Absa-
ge der Leipziger Buchmesse nun be-
deute. Eine Buchmesse ist eben kei-
ne einfache Handelsmesse; gerade
die Leipziger ist vor allem eine Pu-
blikumsmesse: eine Art Erlebnis-
ausstellung für Bücher, das gedruck-
te Wort bekommt ein zweites Le-
ben. Die ersten Neuerscheinungen
des Jahres werden gezeigt, Debü-
tanten vor Fernsehkameras gesetzt,
beim dritten Weißwein am Stand
Empfehlungen ausgetauscht. Die
Messe schafft Sichtbarkeit, ein gro-
ßes Gespräch.

VON MARA DELIUS

Nun ist nicht nur die Messe, auch
alle Veranstaltungen drumherum
sind abgesagt. Für einen Verlag wie
Hanser bedeutet das die Einbuße ei-
ner fünfstelligen Summe, der mone-
täre Verlust halte sich aber im Ver-
gleich fast noch im Rahmen, sagt
Lendle. Tom Kraushaar, Verleger
von Klett-Cotta, sieht es ähnlich:
Für ihn gebe es größere Probleme
als die Kosten. Verlage hätten sich
auf die Messe als Ort einer verdich-
teten Öffentlichkeit eingestellt,
„Autoren emotional, Verlage strate-
gisch“, das falle nun weg. „Bücher
werden sich auch so verkaufen, aber
es gibt eben Bücher, die das Hinter-
grundrauschen der Messeberichter-
stattung brauchen.“ Wie auch der
Preis der Leipziger Messe: Statt wie
sonst unter der Glaskuppel einer Messehalle
vergeben zu werden, werden die Gewinner
nun kommenden Donnerstag im Deutsch-
landfunk Kultur verkündet werden. Damit
wird erstmals in der 16-jährigen Geschichte
der Veranstaltung der Preis nicht öffentlich
vergeben, für jeden der nominierten Autoren
mindestens eine milde Enttäuschung.
Auch der Preis zur Europäischen Ver-
ständigung, dessen Verleihung auf der Er-
öffnungsgala im Leipziger Gewandhaus
immer politisches Statement und bil-
dungsbürgerliche Selbstvergewisserung
ist, wird verschoben – was in diesen Ta-

gen europäischer Unsicherheiten und
VVVerwerfungen besonders trifft, auch des-erwerfungen besonders trifft, auch des-
wegen, weil Preisträger Lászlo Földényi
sicher einiges Wichtige aus Ungarn be-
richtet hätte (wo gerade Imre Kertész

und Péter Nádas von den Schullehrplä-
nen gestrichen wurden).
Wen die Absage der Buchmesse jenseits
der ideellen Wirkung am meisten trifft, sind
die Underdogs des Betriebs, die unabhängi-
gen Verlage. Der Verdienstausfall sei einiger-
maßen überschaubar, sagt Jörg Sundermeier
vom Verbrecher Verlag, schwerer wiege, dass
Treffen mit Literaturinstitutionen und Jour-
nalisten nun nicht mehr zustandekämen,
was nicht unbedingt dem Verlag, sondern
eher einer Debütantin wie Alexandra Riedel
schade, weil die geplanten Lesungen ausfie-
len. Sebastian Wolter vom Verlag Voland &

Quist sieht es ähnlich: „Das Hauptproblem
für uns ist die fehlende Sichtbarkeit und Auf-
merksamkeit für unsere Autorinnen und Au-
toren.“ Die Messe bedeute „potenziell ein
paar Tausend direkte Kontakte, die nicht zu

ersetzen sind“. Finanziell sehe es nicht ganz
so schlimm aus wie zuerst befürchtet, aber
„ein vierstelliger Betrag“ werde verloren
sein, ebenfalls vierstellig sei der Verlust
durch nicht verkaufte Bücher zu beziffern.
Inzwischen werden auf Twitter unter dem
Hashtag „#bücherhamstern“ Buchempfeh-
lungen aus unabhängigen Verlagen ausge-
tauscht. Ob die Solidaritätsaktion tatsächlich
nennenswerte Auswirkungen auf den Buch-
verkauf haben wird, bleibt abzuwarten. Ge-
nauso scheint es noch zu früh, die ökonomi-
schen Folgen für den Buchhandel in diesem
Jahr abzuschätzen. Oliver Zille, Direktor der

Leipziger Buchmesse, sagt: „Die Absage ist
fffür alle Beteiligten, die Branche, Autoren, Bü-ür alle Beteiligten, die Branche, Autoren, Bü-
cherfreunde, Dienstleister und nicht zuletzt
die Leipziger Messe, die Stadt Leipzig und all
unsere Mitarbeiter ein großer Verlust.“ Be-
sonders treffe es auch die Verlage,
„die das dritte Jahr in Folge, nach
den VG Wort-Nachzahlungen und
der Insolvenz des Zwischenhändlers
KNV, erneut mit einer besonderen
Situation zu kämpfen haben“. Frü-
her als eine gute Woche vor Beginn
habe man nicht absagen können.
Wahrscheinlich ist die relativer
Unsicherheit als neue Größe im All-
tag etwas, an das man sich gewöh-
nen muss. Die Ausbreitung von Co-
vid-19 hat weltweite Folgen auf den
Buchhandel: Die Londoner und Pa-
riser Buchmessen wurden abgesagt.
Die Messe in Abu Dhabi im April
wurde verschoben, ebenfalls die von
Taipei und Teheran, die von Buenos
Aires und Thessaloniki Anfang Mai
noch nicht. Das deutlich kleinere
Festival „Lit.Cologne“ hält bisher
an seinem Termin nächste Woche
fest. Von der Frankfurter Buchmes-
se heißt es bisher nur, man stehe im
engen Austausch mit allen interna-
tionalen Veranstaltern sowie dem
Auswärtigen Amt und beobachte die
Entwicklungen genau. Wie es im
Oktober in Frankfurt aussieht, kann
jetzt noch niemand wissen und
wohl auch nicht prognostizieren.
Vielleicht hilft es einer Branche,
die sich oft über den eigenen Bedeu-
tungsverlust selbst melancholisiert,
paradoxerweise gerade durch den
Ausfall des ersten wichtigen Tref-
fens im Jahr mal wieder zu spüren,
dass sie doch stärker ist als oft ange-
nommen. „Wir merken, wie drin-
gend wir diese Festivals des Plauderns brau-
chen“, sagt Tom Kraushaar. „Die durch die
verstümmelte Kommunikation der sozialen
Medien infizierten Diskurse werden in den
Face-to-face Begegnungen der Buchmessen
wiederbelebt. Messen, Partys, persönliche
Begegnungen befördern Höflichkeit, Zivili-
siertheit, die bedachte Rede, Verständnis für
den anderen – aber vor allem zwingen sie da-
zu, Komplexität anzuerkennen, die man in
seiner Filterblase verdrängt hat.“ Insofern
bliebe zu hoffen, dass zumindest die Frank-
furter Messe stattfinden kann. Bis dahin gibt
es immerhin viele Bücher zu lesen.

Messe ohne


Momentum


Die Leipziger


Buchmesse fällt


aus. Was bedeutet


das für die Branche?


Ein Stimmungsbild


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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP


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DWBE-HP

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DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020 DIE LITERARISCHE WELT 35


2019 beging Ketterer Kunst
sein 65. Firmenjubiläum.
Es war das wohl turbulen-
teste, spannendste und er-
folgreichste Jahr in der Ge-
schichte des international
agierenden Hauses. Doch
nach der Auktion ist vor der
Auktion.
„Und nach dem Jubiläum ist
vor dem Jubiläum“, wie es Fir-
menchef Robert Ketterer for-
mulierte. In diesem Jahr feiert
das Haus im Juni seine 500.
Auktion, eine Veranstaltung,
auf die sich der Auktionator,
der seit über 25 Jahren am
Pult steht, mehr denn je freut.
Schon jetzt darf man gespannt
sein auf Arbeiten von Künstlern

wie Max Beckmann, Lyonel Fei-
ninger, Alexej von Jawlensky, Ernst
Ludwig Kirchner, Gerhard Richter
und Günther Uecker. Wer viel-
leicht selbst noch ein Werk eines
namhaften Künstlers versteigern
lassen will, der kann eine unverlassen will, der kann eine unverlassen will, der kann eine unver--
bindliche Schätzung bei Ketterer
Kunst einholen. Aktuell finden
Expertentage für Gemälde, Arbei-
ten auf Papier, Druckgrafik und
Skulpturen aus dem Bereich der
Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts
sowie für wertvolle Bücher in al-
len großen Städten Deutschlands
und Europas statt. Terminverein-
barungen sind in den Häusern in
München, Hamburg, Berlin und
Düsseldorf möglich.
http://www.kettererkunst.de

Am 14. Mai setzt das Kölner
Kunstauktionshaus Van Ham
seine Auktionsserie der SØR
Rusche Collection fort.
Schon im vergangenem Jahr
stand mit der SØR Rusche Col-
lection bei Van Ham eine Fir-
mensammlung besonderer Güte
im Fokus. Mit zwei Präsenz- und
über zehn Onlineauktionen setzt
das Haus 2020 die Auktionsse-
rie fort. Am 14. Mai werden in
der Auktion „Old Masters meet
Contemporaries“ ausgewählten
alten Meistern Werke aus der
zeitgenössischen Kunst entge-
gengesetzt. Die Gegenüberstel-
lung alter und zeitgenössischer
Kunst wie etwa bei Jan Asseljin
und Nicola Samorì oder Jan Dörre

Am 22. März eröffnet die
Draiflessen Collection in
Mettingen mit „Hoffnung“
den letzten Teil der Aus-
stellungstrilogie „Glaube,
Liebe, Hoffnung“. Die Aus-
stellung ist bis zum 21. Juni
zu sehen.
Gibt es ein Leben nach dem
Tod? Wie geht man mit
ausweglosen Situationen um?
Künstlerische Positionen aus
dem 20. und 21. Jahrhundert
liefern im Rahmen der Aus-
stellung mögliche Antworten
auf diese und ähnliche Fragen.

Joseph Beuys, Schlitten, 1969.
© Joseph Beuys Estate/VG
Bild-Kunst, Bonn 2020.
Foto: Tom Carter/Collection
Thaddaeus Ropac, London,
Paris, Salzburg

Gerhard Richter, Christine und Kerstin, 1968. Foto: Ketterer Kunst Jan Dörre, Nachtmahl, 2010. Foto: © Van Ham Kunstauktionen, Köln 2020

KETTERER KUNST



  1. AUKTION


VAN HAM


SØR RUSCHE COLLECTION


DRAIFLESSEN COLLECTION


DAS KONZEPT DER HOFFNUNG


TEXT/LAYOUT: CP/COMPARTNER, Redaktionsbüro Essen · Berlin, http://www.cp-compartner.de
ANZEIGEN: Theresia Maas, Tel.: 030 2591-73088, E-Mail: [email protected]
07./08. März 2020

und Cornelis van Lelienbergh,
zeigt, wie spannend und berei-
chernd die Dialogkonzeption
der SØR Rusche Collection ist:
Zum einen beeindrucken Werke
mit Blicken in die Vergangen-
heit, zum anderen zeigt sich die
Relevanz der zeitgenössischen
Kunst gerade auch in ihrer Ak-
tualisierung zeitübergreifender
Menschheitsthemen.
http://www.van-ham.com

Mit Werken von Joseph Beuys,
Michael Buthe, Anna Opper-
mann, Sofia Hultén, Philippe
Vandenberg und weiteren
Künstlerinnen und Künstlern
werden die unterschiedli-
chen Facetten der Hoffnung
behandelt. Die ausgestellten
Werke zeigen, dass sich im
Prozess des Hoffens die Gren-
zen von Wissen, Erfahrung
und Bewusstsein verschieben
können. Bisweilen können
sie sogar überschritten oder
komplett aufgelöst werden.
http://www.draiflessen.com

KULTUR-HIGHLIGHTS


AUKTIONEN UND AUSSTELLUNGEN


Kunst anschauen? Oder gar ersteigern? Beides ist möglich. Das Frühjahr


startet mit einer Fülle von Ausstellungen und Auktionen. Dabei kommen


nicht nur Sammler und Liebhaber auf ihre Kosten.


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