Handelsblatt - 06.03.2020 - 08.03.2020

(Greg DeLong) #1
Siegfried Hofmann, Maike
Telgheder Frankfurt

I


m konjunkturell schwierigen
Umfeld entwickelt sich der
Darmstädter Merck-Konzern
zusehends zum großen Auf-
steiger in der deutschen In-
dustrie. Dank starker Geschäfte in
den Bereichen Pharma und Life Sci-
ence (Laborreagenzien und Biotech-
Materialien) wuchs Merck um neun
Prozent auf mehr als 16 Milliarden
Euro Umsatz, wie der Konzern am
Donnerstag bekanntgab. Der operati-
ve Gewinn stieg um gut ein Fünftel,
das bereinigte Ergebnis vor Abschrei-
bungen (Ebitda) legte um 15 Prozent
auf 4,4 Milliarden Euro zu. Für 2020
stellt Vorstandschef Stefan Oschmann
trotz Gegenwind durch die Coronavi-
rus-Krise weitere Ertragssteigerungen
in Aussicht.
Dieser positive Trend bei Merck
schlägt sich inzwischen immer stär-
ker auch am Kapitalmarkt durch. Die
Merck-Aktie legte am Donnerstag
zeitweise mehr als sechs Prozent zu.
Analysten waren insbesondere von
den Zahlen des vierten Quartals an-
getan, das besser als erwartet lief.
Mit rund 51 Milliarden Euro Börsen-
wert wird der Pharma- und Spezial-
chemie-Konzern jetzt erstmals höher
bewertet als der weitaus größere Kon-
kurrent BASF, der von der Rezession
in wichtigen Abnehmerindustrien viel
stärker getroffen wird. Die Bewertung
des Ludwigshafener Chemieriesen
unterschritt am Donnerstag erstmals
seit 2011 wieder die Marke von 50 Mil-
liarden Euro, während sich Merck
weiterhin nahe dem bisherigen Re-
kordhoch von Mitte Februar bewegt.
Hinter dem stillen Aufstieg des
Darmstädter Konzerns steht die über-

wiegend erfolgreiche Ausrichtung auf
innovative und relativ hochmargige
Geschäftsfelder, die von der aktuel-
len Konjunkturkrise weniger betrof-
fen sind. Merck hat diesen Umbau ei-
ner Reihe großer Zukäufe und Ver-
käufe vorangetrieben. Vorstandschef
Oschmann sieht den Konzern damit
auf dem Weg zu einem „führenden
Wissenschafts- und Technologie-Un-
ternehmen“ mit weiterhin guten
Wachstumsperspektiven.
Von der Coronavirus-Krise werde
Merck zwar nicht profitieren, sagte
Oschmann am Donnerstag. „Gleich-
zeitig glauben wir, dass Industrien
wie Biopharma und Life Science
auch weniger darunter leiden wer-
den als andere.“ Die beiden größten
Sparten des Konzerns konnten dies
mit relativ starken Zahlen für 2019
und soliden Aussichten für das lau-
fende Jahr unterlegen.

Im Pharmabereich verbuchte der
Konzern erstmals seit Jahren auch
dank eigener Neuentwicklungen wie-
der solides organisches Wachstum
von sechs Prozent auf 6,7 Milliarden
Euro Umsatz. Der Betriebsgewinn
der Sparte verbesserte sich um mehr
als die Hälfte, das Ebitda stieg um gut
ein Viertel. Oschmann bekräftigte
das Ziel, bis 2022 rund zwei Milliar-
den Euro zusätzlichen Umsatz mit
Pharmaneuentwicklungen zu gene-
rieren. Unter anderem arbeitet
Merck an neuartigen Medikamenten
gegen Krebs und Multiple Sklerose.
Noch wichtiger als Wachstumstrei-
ber für Merck ist inzwischen der Un-
ternehmensbereich Life Science, in
dem Produkte und Dienstleistungen
für die Herstellung von Arzneimitteln
sowie die pharmazeutische For-
schung hergestellt werden. Die Spar-
te legte um elf Prozent auf 6,9 Milliar-
de Euro Umsatz zu, wobei das orga-
nische Wachstum bei neun Prozent
lag. Das Ebitda stieg hier um knapp
16 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro.

Spezialchemie schwächer
Der kleinste Unternehmensbereich
Performance Materials dagegen
konnte im abgelaufenen Geschäfts-
jahr nur dank des Kaufs der Spezial-
chemie-Firmen Versum und Intermo-
lecular sowie positiver Währungsef-
fekte zulegen. Ohne diese Effekte ist
die Sparte um 6,5 Prozent ge-
schrumpft. Das liegt am Rückgang im
Geschäft mit Flüssigkristallen sowie
an einer Schwäche des Halbleiter-
markts. Außerdem sank im Bereich
Oberflächen und Lacke die Nachfra-
ge aus der Autoindustrie.
Im laufenden Jahr will Merck bei
Umsatz und Gewinn weiter zulegen,
dazu sollen vor allem die Life-Sci-
ence-Sparte und das Arzneimittelge-
schäft beitragen. Beim Ebitda erwar-
tet Merck einen starken Zuwachs,
was einem hohen einstelligen Plus
entsprechen dürfte.
Die möglichen Auswirkungen der
Coronavirus-Krise seien derzeit
schwer abzuschätzen, sagte Konzern-
chef Oschmann. Ein Szenario sei,
dass die Epidemie im Laufe des zwei-
ten Quartals abklinge und sich die
Lage im zweiten Halbjahr normalisie-
re. In diesem Fall rechnet Merck mit
einem negativen Effekt von einem
Prozent auf den Umsatz, der in der
Prognose bereits berücksichtigt ist.
Sollte sich die Krise aber ausweiten,
müsse man die Prognose für 2020
anpassen.

Börsenwert


Merck zieht an


BASF vorbei


Mit der Ausrichtung auf Pharma, Biotech


und Hightech-Materialien sieht sich der


Konzern für eine Konjunkturkrise gerüstet.


Merck-Labor in
Darmstadt: Der
Konzern setzt
seinen stillen
Aufstieg fort. Bloomberg/Getty Images

2018

Merck KGaA im Fokus
Kennzahlen in Mrd. Euro

Umsatz

16,
14,

Bereinigtes
Ergebnis
(Ebitda)

3,80 4,

HANDELSBLATT Quelle: Unternehmen

2019

+8,
%

+15,4 %

Wir glauben,


dass


Indus trien wie


Biopharma


und Life


Science


weniger


unter der


Coronakrise


leiden als


andere.


Stefan Oschmann
Vorstandschef Merck

Herrenmode


Coronavirus


setzt Hugo


Boss zu


Martin Buchenau Stuttgart


D


as Coronavirus macht Hugo
Boss schwer zu schaffen. Der
größte deutsche Herrenmo-
dehersteller rechnet für 2020 damit,
dass der Umsatz stagnieren oder bes-
tenfalls währungsbereinigt um zwei
Prozent steigen wird. Grund für die
vorsichtige P rognose sind hauptsäch-
lich die Risiken auf dem wichtigen
Markt Asien, wo Vorstandschef Mark
Langer einen Umsatzrückgang im ein-
stelligen Prozentbereich erwartet:
„Seit Ende Januar sind 60 Prozent der
rund 150 eigenen Verkaufspunkte auf
dem chinesischen Festland, in Hong-
kong und in Macau geschlossen.“ In
den verbliebenen, meist verkürzt ge-
öffneten Geschäften ging die Besu-
cherzahl um 80 Prozent zurück.
Zehn Prozent des Konzernumsatzes
entfallen auf China. Hugo Boss ver-
sucht, die Warenströme dorthin in an-
dere Märkte umzuleiten. Die Bedin-
gungen sind schwierig: Denn auch auf
anderen wichtigen Märkten wie Ja-
pan, Südkorea und Italien gehen die
Erlöse, wie bei der Konkurrenz, zu-
rück. Strategisch bleibt China laut
Langer ein wichtiger Wachstums-
markt. Er hofft, dass die starke Aus-
breitung des Virus in Italien innerhalb
Europas die Ausnahme bleibe.
Europa ist mit einem Umsatzanteil
von 60 Prozent der stärkste Markt.
Ausbleibende chinesische Touristen
und Absagen von Modeevents schmä-
lern auch in London und Paris die
Verkaufszahlen. Langer rechnet in
den ersten drei Monaten mit Ergeb-
nisbelastungen „im niedrigen zwei-
stelligen Millionenbereich“. Für das
Gesamtjahr geht er von einem Ergeb-
nis vor Steuern und Zinsen zwischen
320 und 350 Millionen Euro aus. Da-
mit wird ein weiterer Ergebnisrück-
gang gegenüber den 2019 erreichten
333 Millionen Euro wahrscheinlich.


Kein Übernahmekandidat


Die Investoren beruhigt Langer mit
einer im dritten Jahr in Folge erhöh-
ten Dividende von 2,75 Euro je Aktie



  • fünf Cent mehr als im Vorjahr. Da-
    mit schüttet der Konzern 93 Prozent
    des Gewinns aus und verlässt die üb-
    liche Ausschüttungsbandbreite von
    60 bis 80 Prozent. Das Unternehmen
    sei quasi schuldenfrei und könne sich
    die Dividende auch in dieser Situati-
    on leisten. Der Aktienkurs von Hugo
    Boss stieg am Donnerstag um gut ein
    Prozent auf 38,50 Euro. Zufrieden
    kann Langer damit aber nicht sein.
    Als er vor vier Jahren das Amt über-
    nahm, notierte das Papier noch bei
    rund 60 Euro. Großaktionär Marzot-
    to nutzte die niedrigen Kurse zuletzt,
    um seine Beteiligung auf mehr als
    15 Prozent zu erhöhen.
    Als Übernahmekandidat sieht Lan-
    ger das Unternehmen nicht. Die Mar-
    ke könne ihr Potenzial besser allein
    entfalten. „Kein anderes Unterneh-
    men im gehobenen Herrensegment
    wird die Krise besser überstehen als
    wir“, sagte der Vorstandschef. Trotz
    der großen Unsicherheiten rechnet
    er mit einer Normalisierung des Ge-
    schäfts bis Jahresmitte. Die Strategie,
    das Angebot zu personalisieren, das
    Onlinegeschäft auszubauen und die
    Flächenprofitabilität in den eigenen
    Geschäften zu erhöhen, zahle sich
    aus.


Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 6./7./8. MÄRZ 2020, NR. 47
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