Handelsblatt - 06.03.2020 - 08.03.2020

(Greg DeLong) #1
Georg Weishaupt Düsseldorf

C


arsten Knobel will bei sei-
nem ersten großen Auf-
tritt als neuer Vorstands-
chef Aufbruchstimmung
verbreiten. „Ich bin ange-
treten, um Henkel für das beginnen-
de Jahrzehnt auf ein nachhaltiges,
profitables Wachstum auszurichten“,
sagte der Manager bei der Bilanzpres-
sekonferenz, die wegen des Corona-
virus nur als Videowebcast aus der
Konzernzentrale in Düsseldorf gesen-
det wurde.
Seine Strategie ist auf Innovatio-
nen, einen schnelleren Wandel zu ei-
nem nachhaltigen Konzern, mehr In-
vestitionen ins Marketing und auf ei-

nen Umbau im Portfolio der Sparten
Waschmittel- und Beauty-Care ausge-
richtet. Seine Strategie klingt nach
viel Arbeit und vor allem nach gro-
ßen Veränderungen im Düsseldorfer
Konzern. Knobel, der Anfang Januar
Hans Van Bylen nach dessen vorzeiti-
gem Abgang an der Spitze ablöste,
macht zwar Tempo. Aber er stellt die
Öffentlichkeit darauf ein, dass die
Trendwende bei Henkel längere Zeit
in Anspruch nehmen wird. „Das lau-
fende Jahr wird ein Jahr des Über-
gangs werden.“ Für das Jahr des
Übergangs erwartet Knobel denn
auch nur ein organisches Umsatz-
wachstum von lediglich null bis zwei

Prozent. Und die bereinigte Umsatz-
rendite dürfte gegenüber dem ver-
gangenen Jahr von 16,0 auf 15,0 Pro-
zent fallen.
Die große Unbekannte in der Rech-
nung sind die Auswirkungen des Co-
ronavirus auf das Geschäft. Finanz-
vorstand Marco Swoboda erwartet
„im ersten Quartal dieses Jahres ei-
nen Umsatzrückgang um rund 100
Millionen Euro“. Der Wert könne
aber auch ganz anders ausfallen, weil
die Folgen der Epidemie schwer ab-
zuschätzen seien. In China beschäf-
tigt Henkel 4 100 Mitarbeiter, die
rund drei Milliarden Euro des im ver-
gangenen Jahr um 1,1 Prozent auf 20,1
Milliarden Euro gestiegenen Umsat-
zes erzielten. Zu den Auswirkungen
der Epidemie auf den operativen Ge-
winn äußerte er sich nicht. Aber bei
der geplanten Umsatzrendite von 15
Prozent werde Corona den Gewinn
voraussichtlich um 15 Millionen Euro
drücken. Bereits Beiersdorf-Chef Ste-
fan de Loecker sagte, dass das „Virus
einen Einfluss auf die Geschäfte im
Januar und vor allem im Februar“
hatte.

Mehr Geld fürs Marketing
Um den Konzern auf einen „ganz-
heitlichen Wachstumskurs“ zu füh-
ren, zu dem die Transformation zu
einem nachhaltigen Konzern gehört,
hat er sich vor allem die beiden Kon-
sumentensparten vorgeknöpft. Er
will im Geschäft mit Wasch- und
Haushaltspflegemittel sowie mit
Beauty-Care von Marken wie Schau-
ma und Schwarzkopf kräftig aufräu-
men. Denn dort führt Henkel man-
che Marken, die seit Längerem nicht
mehr den eigenen Wachstums- und
Renditezielen genügen. Aber sein
Vorgänger Van Bylen versäumte es,
das Portfolio zu bereinigen. Das will
Knobel nachholen. „Wir haben Mar-
ken und Kategorien mit einem Ge-
samtumsatz von mehr als einer Milli-
arde Euro identifiziert“, sagte der
neue Vorstandschef, der vorher als
CFO an der Seite Van Bylens bei Hen-
kel wirkte.
Nun will Knobel – mit der Rücken-
deckung der Familie Henkel als größ-
ten Aktionärs – bis zum nächsten Jahr
etwa 50 Prozent dieses Geschäfts ent-
weder verkaufen oder einstellen. Bei

den restlichen 50 Prozent hofft er,
dass er sie durch neue Produkte und
mehr Marketing auf Kurs bringen
kann. Beim Aufräumen im Marken-
portfolio wendet er damit ein Kon-
zept an, das die größte Henkel-Sparte
Klebstoffe schon seit vielen Jahren er-
folgreich nutzt. Insgesamt will Kno-
bel 2020 350 Millionen Euro zusätz-
lich vor allem ins Marketing der
Waschmittel- und Beauty-Sparte in-
vestieren, um im Konsumentenge-
schäft wieder stärker zu wachsen. Be-
reits sein Vorgänger Van Bylen hatte
vor einem Jahr Ähnliches versucht,
als er 300 Millionen Euro zusätzlich
für Marketing und Digitalisierung zur
Verfügung stellte. Allerdings wurde
bislang nur etwa die Hälfte des Gel-
des tatsächlich eingesetzt.
Mit seiner neuen Strategie will es
Knobel schaffen, mittel- bis langfristig
wieder den Umsatz organisch, also
ohne Zukäufe, jedes Jahr um zwei bis
vier Prozent zu steigern. Und das be-
reinigte Ergebnis je Vorzugsaktie will
er im mittleren bis hohen einstelligen
Prozentbereich erhöhen. Im laufen-
den Jahr rechnet er hingegen mit ei-
nem Minus im mittleren bis hohen
einstelligen Prozentbereich. An der
Börse erfuhr Knobels Strategie wenig
Zustimmung: Der Aktienkurs fiel am
Donnerstag zeitweise um bis zu fünf
Prozent auf 82,88 Euro.

> Leitartikel Seite 26

Henkel


Der neue


Vorstandschef


räumt auf


Carsten Knobel will Marken und ganze


Produktkategorien aus der Beauty- und


Waschmittel-Sparte verkaufen.


Henkel
Kennzahlen der Sparten 2019 in Mio. Euro
Umsatz
Klebstofftechnologien
Schönheitspflege
Wasch-, Reinigungsmit.
Henkel (Konzern)
Ebit
Klebstofftechnologien
Schönheitspflege
Wasch-, Reinigungsmit.
Henkel (Konzern)

9 461
3 877
6 656
20 114

1 631
418
973
2 899

+0,6
-1,8
+3,7
+1,1

-2,3
-29,0
+0,3
-7,0

% % % % % % % %

Veränd. z. Vorjahr

HANDELSBLATT Quelle: Unternehmen

Produktion bei der Henkel-Beautysparte: Das Portfolio soll bereinigt werden.

henkel ag

Das laufende


Jahr wird ein


Jahr des


Übergangs


werden.


Carsten Knobel
Henkel-Chef

Michael Englert für Handelsblatt










 







 







 

*%"!$ ( !*!    '
&






  
 &
 




 #&
 )& 
 #

 

     
    
 

 


   
  


ʤʥʱʥʫʭʩ ʪʭʯʱʧʬʫʭʯ ʥʬʨʭʮʦʧʮʬ


 





^ 


9+

+–&.*7;;


p C­­ñã]“Cñp­

āÞμñp]“­˜ 

#ā­čp­
1p˜ãpč˜p¡p ˜§ þã¡C­g

6“Þp­ J 2]“§þ] 


—3Ún ݝ— ÚáÚÂ3¿’B3—Vځ¿_—
V_¿ 3¿_— #Ž_áS 3¿Ï†_¿S -S !3Ï_S S
3—y_:$ —__ÏL ̄à†_y3—å_$3’’ŽÚ—y_—
Là_¿Ï†y_¿ ¿’B3—Vځ¿_— ̄
†¿’3  ̄ ¿†’’_†ÂÂ_—
3¿ÏªŽ3Ïå ¤× ° ÆuçÆ× _†ŽB¿——
?çƤѤ̘˜Ñ¤Æ˜
ààà ̄y¿†’’_†ÂÂ_— ̄V_
†—n@y¿†’’_†ÂÂ_— ̄V_

<p˜­ J p­þãã


;pÞãC­g“C­gp¡


,‘jБ„j êÐó>Œ™ >¢ 1¢ÝjÍóBÐWŒj
V†¾_Î ܝ’ ÁLß7B†ÁL_— _¾ÁÎ_ŽŽ_¾
óóó½ ,"½aj

pãþ­g“p˜ñí#pg˜č˜­



Ïz©š… ž’à ÓàÏ?šk£b ÓX¬£k£ =C£k£
ööö¿ü?£ºíàüš?bk£¿bk

Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 6./7./8. MÄRZ 2020, NR. 47
24

Anzeige

Medienkonzern

Pro Sieben Sat 1 setzt auf Online-Dating


Das Stammgeschäft mit
TV-Reklame schrumpft, die
Gruppe drängt daher in neue
Bereiche. Die Investoren sind
skeptisch, der Kurs bricht ein.

Joachim Hofer München

M


ax Conze greift an. Fast
zwei Jahre nach seinem
Amtsantritt wagt der Chef
von Pro Sieben Sat 1 eine der größten
Übernahmen der Konzerngeschichte.
Für rund eine halbe Milliarde Dollar
will der Manager den börsennotier-
ten US-App-Entwickler The Meet
Group übernehmen. Das teilte das
Unternehmen am Donnerstag mit.
Damit versucht der 50-Jährige, sein
Geschäft mit der Onlinepartnerver-
mittlung auszubauen. Mit an Bord bei
der Akquisition ist der amerikanische
Finanzinvestor General Atlantic, mit
dem die Münchener bereits in ihrer
E-Commerce-Division NuCom zusam-
menarbeiten. Der Kauf bringe den im
MDax notierten Konzern dem Ziel
näher, „einen führenden globalen
Player im Onlinedatingmarkt zu
schaffen“, erklärte Conze. Zu Pro Sie-
ben Sat 1 gehören bereits die Partner-
vermittlungen Parship und Elite-Part-
ner in Deutschland, sowie Eharmony
in den USA.
Es hat seinen Grund, dass sich
Conze neue Geschäftsfelder sucht.
Das angestammte Geschäft mit der
TV-Werbung schrumpft. So sind die
Erlöse der Fernsehsparte des Kon-
zerns vergangenes Jahr um vier Pro-
zent zurückgegangen. Es ist die mit
Abstand größte Division, die auch
den größten Gewinnbeitrag erbringt.
Die Bereiche Commerce und Produk-
tion sind 2019 zwar kräftig gewach-
sen. Alles in allem kam das Unterneh-
men aber lediglich auf einen Umsatz
von rund 4,1 Milliarden Euro. Das
entspricht einem Plus von drei Pro-
zent – etwas weniger als die fünf Pro-
zent Wachstum, die Conze noch im
Herbst in Aussicht gestellt hatte.

Viel Geld für lokale Inhalte
Mehr noch: Um die Zuschauer vor
die Fernseher zu locken, muss Conze
viel Geld in die Hand nehmen. „Wir
haben 2019 mehr als eine Milliarde
Euro in unser Programm investiert“,
erläuterte der Manager. So gibt der
Ex-Chef des Staubsaugerherstellers
Dyson immer mehr für lokale Pro-
duktionen aus – und für die neue
Streamingplattform Joyn. Der berei-
nigte operative Gewinn ist daher im
vergangenen Jahr um 14 Prozent auf
872 Millionen Euro gefallen.
Die Investoren zeigten sich von
den Zahlen und der Akquisition am
Donnerstag allerdings nicht über-
zeugt, im Gegenteil: Mit einem Minus
von bis zu zehn Prozent auf rund
9,70 Euro waren die Papiere der mit
Abstand größte Verlierer im MDax.
Die Anleger sehen Pro Sieben Sat 1
schon länger skeptisch. Während
Conzes Amtszeit haben die Aktien
rund zwei Drittel an Wert verloren.
Allein seit Jahresbeginn ging es etwa
20 Prozent bergab.
Die Werbeerlöse seien zwar besser,
das operative Ergebnis (Ebitda) je-
doch hinter den Erwartungen zu-
rückgeblieben, urteilte UBS-Analyst
Richard Eary am Donnerstag. Die
Übernahme des Datingportals The
Meet Group werfe außerdem Fragen
auf – trotz der Synergiepotenziale mit

Parship. Anders die Einschätzung
von Daniel Kerven von JP Morgan.
Der Kauf des Onlinedatingunterneh-
mens The Meet Group passe gut zum
schnell wachsenden und innovativen
Medienkonzern, meint der Banker.
Fakt ist: Conze nimmt nun erneut
Millionen in die Hand, um noch we-
niger abhängig von den TV-Werbeer-
lösen zu werden. Derzeit erwirtschaf-
tet das Unternehmen 52 Prozent vom
Umsatz in den zwei aufstrebenden
Geschäftsfeldern Commerce und
Filmproduktion. Sie stehen aber nur
für rund 16 Prozent vom angepassten
operativen Gewinn. „Es ist wichtig,
dass wir noch digitaler und diversifi-
zierter werden“, betonte Conze am
Donnerstag.
Für die Übernahme von The Meet
Group investieren die Münchner 232

Millionen Dollar, von General Atlantic
kommen 306 Millionen. The Meet
Group erwirtschaftete zuletzt rund
200 Millionen Dollar Umsatz im Jahr.
An der neuen Partnervermittlungs-
einheit, zu der auch Parship und
Eharmony gehören werden, wird Pro
Sieben Sat 1 gut die Hälfte der Anteile
halten. The Meet Group entwickelt
Apps, die Live-Übertragungen und
-Chats im Internet ermöglichen. Da-
mit werde Pro Sieben Sat 1 künftig
das gesamte Spektrum des Onlineda-
tings abdecken, heißt es in der Mittei-
lung. Denn die Gruppe ergänze das
Portfolio mit den Social Dating- und
Social Entertainment-Apps MeetMe,
Tagged und Lovoo. Die Partner hät-
ten das Geschäft in einer eigenen Ein-
heit gebündelt, um es womöglich in
zwei, drei Jahren in den USA an die

Börse zu bringen, erläuterte Conze
im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Auf eigenen Beinen sei die Division
für Investoren und Analysten zudem
leichter zu bewerten.
Dieses Jahr wird Pro Sieben Sat 1
keine großen Sprünge machen. Für
2020 verspricht Finanzchef Rainer
Beaujean ein leichtes Umsatzplus
und einen stagnierenden operativen
Gewinn: „In diesem Ausblick sind je-
doch die positiven Effekte der Trans-
aktion mit The Meet Group, aber
auch die möglichen Auswirkungen,
die eine weitere Ausbreitung des Co-
ronavirus auf Investitionsentschei-
dungen von Werbekunden haben
könnte, nicht berücksichtigt.“ Analys-
ten waren enttäuscht. Der Ausblick
sei schwach, fand Julien Roche von
der Investmentbank Barclays.

Konzernchef Max
Conze: Eine halbe
Milliarde Dollar für die
Partnervermittlung.

http://www.imago-images.de

$!) )%


!%


+"%)'!


*%


%#)!


#) !%%)



 & (




  
     
,,
  


&  
 

   &

Unternehmen & Märkte
WOCHENENDE 6./7./8. MÄRZ 2020, NR. 47
25

Anzeige
Free download pdf