Handelsblatt - 06.03.2020 - 08.03.2020

(Greg DeLong) #1

Angst und Wirtschaft


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sche Aktien beim Fondsanbieter Fidelity Inter-
national befasst sich seit Ende Januar mit dem
Coronavirus: „Seit die ersten Nachrichten über
eine internationale Ausbreitung aufkamen, ist
es für mich wichtig gewesen, ruhig zu bleiben
und die Daten zu analysieren.“ Nicht einfach,
weil im Hinterkopf ein schlimmer Gedanke ru-
mort. Der 43-Jährige ist seit einigen Wochen Va-
ter eines Sohnes: „Natürlich beschäftigt mich
das Thema, weil ich weiß, dass das Immunsys-
tem des Kleinen noch nicht so stark ist.“
Das Coronavirus spielt mit uns allen also ein
übles psychologisches Spiel. Wie reagiert man
am besten?

Regelwerk muss sein
In unsicheren Zeiten wie diesen ist Gerd Gige-
renzer ein gefragter Interviewpartner. Der Psy-
chologe ist Direktor des Harding-Zentrums für
Risikokompetenz am Max-Planck-Institut und
schreibt Bücher wie „Risiko – Wie man die rich-
tigen Entscheidungen trifft“. Er hilft deutschen
Managern, amerikanischen Bundesrichtern
oder europäischen Ärzten im Umgang mit Risi-
ken und Unsicherheiten.
Angst vor dem Coronavirus hat er nicht. Der
nüchterne Umgang ist für Gigerenzer sozusagen
eine Sache der Berufsehre. Er habe höchstens
Sorge, „dass ein anderer Autofahrer mich unge-
bremst überfährt, weil er auf sein Handy
guckt“. Wenn alles ähnlich verläuft wie es bei
Vogelgrippe, Sars, Schweinegrippe oder Ebola
verlaufen ist, sagt er, dann werden die Sache
und unsere Angst bald vergessen sein. Der
72-Jährige sieht aber ein Problem: „Aus Angst
getriebene Menschen bringen sich oft zusätz-
lich in Gefahr.“ So hätten nach den Terroran-
schlägen von 2001 viele Amerikaner das Flug-
zeug gemieden und seien auf das Auto umge-
stiegen. Im Straßenverkehr herrscht aber ein
höheres Risiko als in der Luft, rein rechnerisch
gab es so laut Gigerenzer 1 600 Tote mehr.
Das neue Virus weckt Grundängste in uns al-
len, Entscheidungsträger wie Unternehmer, Po-
litiker oder Anleger müssen reagieren. Veronika
Grimm, die neue Wirtschaftsweise Deutsch-
lands, rät, „Handlungsempfehlungen von sach-

Jahren an zu investieren – viel gesehen hat.
„Heute steht das Coronavirus in den Schlagzei-
len, in sechs Monaten wird es etwas anderes
sein“, sagte Buffett. „Die wirklich wichtige Fra-
ge ist: Wo wird das Aktienunternehmen in fünf,
zehn und zwanzig Jahren stehen?“
Kleber hat die Woche durchgehalten, ohne
der Angst zu erliegen und Aktien zu verkaufen.
Am vergangenen Montag hat er dann nachge-
kauft. Und wenn es noch einmal weiter runter-
geht, wird er noch mehr zukaufen.
Ein anderer Wall-Street-Investor hatte da
schlechtere Nerven. Der Mann will aus ver-
ständlichen Gründen nicht genannt werden, er
klagt: „Ich mache es immer falsch. Am Don-
nerstag und Freitag habe ich zehn Prozent mei-
ner Aktien verkauft. Ich konnte nicht mehr ein-
fach nur zusehen. Am Montag habe ich dann
wieder gekauft – natürlich zu einem viel höhe-
ren Preis.“
Zwei Anleger, zwei Erfahrungen. Schon im
Alltag versagt der Mensch oft an einfachster sta-
tistischer Logik, was Experten wie Nobelpreis-
träger Daniel Kahnemann in zahlreichen Expe-
rimenten nachwiesen. Verhaltensökonomen
geht es darum, das in den Wirtschaftswissen-
schaften gebräuchliche Modell eines rational
seinen Nutzen maximierenden „Homo oecono-
micus“ abzulösen durch ein realistischeres,
durch Erkenntnisse der Psychologie und aus
Gruppen-Experimenten geprägtes Bild. So wird
der Verlust von Aktien, die man besitzt, höher
bewertet als ein gleich hoher entgangener Ge-
winn. Auch nehmen Kunden ihrem Vermögens-
verwalter jene Fehler besonders übel, die nur
er allein gemacht hat, und verzeihen eher,
wenn er genauso falsch gelegen hat wie viele
andere auch. Das verstärkt den ohnehin schon
vorhandenen Herdentrieb an den Börsen.
Die feine Ironie: Die Verhaltensökonomie will
den realitätsfremden Homo oeconomicus über-
winden. Aber für ein besonnenes Verhalten ge-
rade in Krisensituationen ist er gar kein
schlechtes Vorbild. Entsprechend misstraut
Martin Weber, Experte für Verhaltensökonomie
an der Universität Mannheim, dem Bauchge-
fühl: „Ich selbst versuche, mich zurückzuhal-
ten, wenn ich intuitiv handeln möchte. Ich ver-
suche, mich gegen Aktionismus und Furcht zu
wehren.“ Dabei kann es ebenso falsch sein, un-
bedingt an verlustreichen Aktien festzuhalten,
wie bei Verlusten auf jeden Fall auszusteigen.
Weber rät zu rationalem Verhalten. Und dafür
gibt es aus seiner Sicht ein einfaches Rezept:
„kaufen und halten“.
Erfahrung hilft, einen kühlen Kopf zu bewah-
ren. Dan Morgan, Portfoliomanager von Syno-
vus aus Atlanta ist schon seit 34 Jahren im Ge-
schäft. Er hat den „Black Monday“ 1987 erlebt,
genauso wie das Platzen der Tech-Blase Anfang
der 2000er. „Und ich hatte Fonds, die nur in
Technologiewerte investiert waren. Damit bin
ich ziemlich auf die Nase gefallen“, erinnert er
sich. Die schmerzhaften Erfahrungen helfen
ihm heute. „Die letzte Woche war nichts im Ver-
gleich zu den großen Krisen der vergangenen
Jahre“, findet er. Seine Strategie: sich nicht ver-
rückt machen lassen. Er blendet buchstäblich
den Lärm aus, schaltet die Börsensender CNBC
und Bloomberg gar nicht erst ein, um sich nicht
von der Panik anstecken zu lassen. Am Freitag
hat er deutlich zugekauft, ausschließlich Tech-
nologie-Aktien. „Vielleicht stellen wir in einem
Monat fest, dass das eine blöde Idee war“, sagt
er, „wir werden sehen.“
Das Spiel der Gefühle schaut sich Nikolai
Roussanov, Finanzprofessor an der Wharton
Business School in Philadelphia, mit akademi-
scher Distanz an. Börsenturbulenzen sind für
ihn wie ein großes Feldexperiment. „Wenn Ak-
tienkurse steigen, dann denken wir nicht viel
darüber nach. Aber wenn die Kurse fallen,
dann machen wir uns überproportional viel
Sorgen. Das führt nicht zwingend zu guten Ent-
scheidungen.“ Roussanov macht noch auf ein
spezielles Problem in dieser Krise aufmerksam:
„Die Angst hier könnte noch größer sein als bei
anderen Panikphasen in der Vergangenheit.
Hier kommt zur Furcht vor den wirtschaftli-
chen Folgen noch die persönliche Angst vor
dem Virus dazu.“
Die doppelte Belastung kennt Christian von
Engelbrechten. Der Fondsmanager für deut-


Wie gefährlich ist das Coronavirus?
Ausgewählte Infektionskrankheiten Mortalitätsrate

Pest

3 248 (^584) 2010 bis 2015
8 096 774
34 453 15 158
95 748 3 286
132 121 2 420
20 bis 50 Millionen Tote
500 Millionen Erkrankte
Sars
Nov. 2002
bis Juli 2003
Ebola
2014
bis 2020
Coronavirus
8.12.2019
bis heute
Cholera
2016
Zum Vergleich:
Spanische Grippe
1918 bis 1919
Aufgrund der hohen
Zahlen nicht darstellbar
Zahl der Infizierten Zahl der Toten
HANDELSBLATT • Stand: 5.3.2020 • Quelle: WHO
18,0 %
9,6 %
44 %
3,4 %
1,8 %
5 bis
10 %
imago images/photothek
dungseffekt bewirken. Die Treffsicher-
heit der Maßnahme ist freilich einge-
schränkt. So würden auch Unterneh-
men begünstigt, die keine
Liquiditätsprobleme haben, und
gleichzeitig profitieren diejenigen Un-
ternehmen nicht, die zurzeit keine
Gewinne machen. Letzteres betrifft
Start-ups und Unternehmen in einer
Restrukturierungsphase, die beson-
ders von Liquiditätsengpässen betrof-
fen sein können.



  1. Stabilisierung der Beschäftigung
    und der Arbeitseinkommen durch
    Kurzarbeit. Angebotsseitig führt die
    Coronakrise zur Produktionsbeein-
    trächtigung mit dem Risiko umfang-
    reicher Entlassungen. Eine unbüro-
    kratische und zeitlich anpassungsfähi-
    ge Nutzung von Kurzarbeit stabilisiert
    Beschäftigung und Einkommen. Dies
    reduziert lähmende Unsicherheit in
    den privaten Haushalten. Wir wissen
    wenig über die Dauer der Epidemie,
    geschweige denn über die Dauer ih-
    rer wirtschaftlichen Folgen. Alles,
    was die Flexibilität beim Arbeitsein-
    satz erhöht, hilft, die Krise zu bewälti-
    gen. Das Kurzarbeitergeld (bis zu
    „KUG Null“ bei hundertprozentigem


Arbeitsausfall) kann genutzt werden,
da der Arbeitsausfall auf einem unab-
wendbaren Ereignis beruht. Die ge-
setzlich vorgesehene Bezugsdauer
sollte ausreichend sein (12 bezie-
hungsweise 24 Monate). Es ist zu prü-
fen, ob die beim Unternehmen ver-
bleibenden Sozialversicherungsbeiträ-
ge (80 Prozent) vom Staat
übernommen werden, um die Liqui-
dität der Unternehmen zu schonen.
Mit diesen Maßnahmen sollte es ge-
lingen, Beschäftigung und Unterneh-
mensliquidität in einer temporären
Krise zu stabilisieren. Budgetäre Res-
triktionen gibt es nicht, da die Schul-
denbremse für „Naturkatastrophen
oder außergewöhnliche Notsituatio-
nen, die sich der Kontrolle des Staa-
tes entziehen“, eine Kreditaufnahme
erlaubt. Allerdings wird verlangt,
dass entsprechende Tilgungsregelun-
gen gleichzeitig festgelegt werden.
Nochmals: Über die Dauer und Heftig-
keit der gesundheitlichen und ökono-
mischen Auswirkungen kann derzeit
nur spekuliert werden. Das limitiert
aber auch den wirtschaftspolitischen
Handlungsspielraum. Es kommt da-
rauf an, Erwartungen zu stabilisieren,
indem man einigermaßen treffsicher
die plausiblen ökonomischen Folgen
einer Coronakrise adressiert. Das ist
im derzeitigen Stadium der Krise die
Wirtschaftspolitik.

Angst und Wirtschaft


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kundiger Seite“ einzuholen. Das habe mehrere
Vorteile, abgesehen von der fachlichen Kompe-
tenz: Zum einen geht der Entscheider kein per-
sönliches Risiko ein. „Das heißt konkret, sein
Handeln kann ihm nicht persönlich zum Ver-
hängnis werden, wenn etwas schief läuft“, sagt
Grimm. Außerdem ermögliche ein Regelwerk
„die Koordination aller Entscheidungsträger“.
Im Fall des Coronavirus sind neben den un-
mittelbaren Folgen für das Unternehmen oder
den Wahlkreis hinaus auch gesamtgesellschaftli-
che Belange zu bedenken. „Selbst wenn für den
Einzelnen gar keine große Gefahr durch eine
Ansteckung droht“, sagt Grimm, „kann es für
die Gesellschaft als Ganzes sehr wichtig sein,
die Verbreitung einzudämmen.“
Zeit gewinnen, das ist der Schlüssel. Je mehr
man die Verbreitung des Virus in die Länge zie-
hen kann – Experten sprechen von einer niedri-
gen Reproduktionsrate –, desto weniger Men-
schen werden sterben und Krankenhäuser
überfüllt sein. Kommen mit dem Frühling und
Sommer wärmere Temperaturen, könne das Vi-
rus sich auslaufen. „Wir tun gut daran, die Wel-
len in die Länge zu ziehen“, sagt Christian Dros-
ten, Virologe von der Charité in Berlin.
Aber es muss dabei eine Verhältnismäßigkeit
gewahrt bleiben. Vielleicht sollte jeder, der sich
vor dem Coronavirus fürchtet, sich vor einer
Entscheidung den Vergleich von Verhaltensöko-
nom Weber von der Universität Mannheim vor
Augen halten. „Wenn Sie nicht auf die Straße ge-
hen wollen wegen Corona, dann dürfen Sie
auch sonst nicht auf die Straße gehen. Denn die
Infektionsgefahr ist ähnlich der, bei normalem
Weg über die Straße von einem Hund gebissen
zu werden – und sich bei einer anschließend nö-
tigen Operation Komplikationen einzuhandeln.“
Das Gefährlichste an Corona scheint momen-
tan die Angst davor zu sein. Die wiederum kann
jeder ein Stück weit kontrollieren.

Astrid Dörner, Norbert Häring, Jan Hildebrand,
Thomas Jahn, Florian Kolf, Ingo Narat, Michael
Scheppe, Thomas Sigmund, Michael Verfürden,
Gregor Waschinski, Christian Wermke, Frank
Wiebe, Anke Rezmer dpa

Sachverstand gegen
Panik: Bundes -
gesundheitsminister
Jens Spahn (l.) und
Lothar Wieler,
Direktor des Robert-
Koch-Instituts.

Gastbeitrag

Coronakrise – was zu tun ist


Das Virus löst einen Nachfrage- und Angebotsschock in der Wirtschaft aus. Michael Hüther,
Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, fordert Hilfsmaßnahmen.

A


bsage der ITB und der Leipzi-
ger Buchmesse, Verschiebung
der Hannover Messe, Kursver-
luste an den Finanzmärkten wie seit
der Finanzkrise nicht mehr erlebt:
Die Coronakrise ist erkennbar auch
zu einer ökonomischen Herausforde-
rung geworden – und das global.
Wenngleich Panik nie hilft, stellt sich
doch die Frage, was bei einer Ver-
schärfung wirtschaftspolitisch getan
werden kann – und sollte. Die Aus-
breitung des Virus stellt gesamtwirt-
schaftlich sowohl einen negativen An-
gebotsschock als auch einen negati-
ven Nachfrageschock dar.
Mittlerweile hat die Epidemie die
Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezo-
gen. Laut aktueller OECD-Prognose
wird im besten Fall das globale Wachs-
tum im Jahr 2020 um einen halben
Prozentpunkt niedriger ausfallen. Der-
zeit sieht es eher danach aus, dass die
ökonomische Krise länger anhält und
breiter streut. In diesem Fall kann sich
das Weltwirtschaftswachstum in die-
sem Jahr auf 1,5 Prozent halbieren.
Wenn man den identifizierten und
kombinierten Angebots- und Nachfra-
geschock betrachtet, dann bieten di-
gitale Infrastruktur und Netzwerke ei-
ne Kompensationschance. Denn viele
Prozesse können aufrechterhalten
werden, wo die Entkopplung des Ge-
schäftsmodells vom Raum wirksam
ist. Erfahrungen haben wir darüber
freilich noch nicht. Doch eindeutig
helfen die digitale Infrastruktur, die
kollaborativen Plattformen und die
sozialen Netzwerke, die Produktion
aufrechtzuerhalten und schnell An-
passungen vorzunehmen.
Das Denken in Angebots- und Nach-
fragedimensionen kann die Ansatz-
punkte für wirtschaftspolitisches
Handeln vorgeben. Derzeit aber
scheinen sich beide Schocks zu über-
lagern, und diese Kombination redu-
ziert den wirtschaftspolitischen
Handlungsspielraum. Die kategorial
erfassten gesamtwirtschaftlichen Ef-
fekte werden in erster Linie über die
Unternehmensfinanzen ihre Konse-
quenzen entfalten: Liquiditätsengpäs-
se bei schrumpfendem Umsatz und
fortbestehenden Kosten. Dort muss
die Wirtschaftspolitik ansetzen.
Sonderabschreibungen funktionie-
ren nur dann, wenn eine entstehende
Nachfragelücke auch tatsächlich an-
gebotsseitig aus Inlandsproduktion
bestückt werden kann. Das Gleiche
gilt für klassische Konjunkturprogram-
me, welche die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage zeitnah beleben sollen.
Maßnahmen wie etwa Konsumgut-
scheine oder Infrastrukturinvestitio-
nen funktionieren allenfalls dann,
wenn ungenutzte Kapazitäten in den
entsprechenden Branchen zur Verfü-
gung stehen und diese reibungslos
abgerufen werden können.
Was also kann von wirtschaftspoliti-
scher Seite getan werden?


  1. Stabilisierung der Unternehmens-
    liquidität. Die Coronakrise führt zu
    Produktions- und Nachfrageausfällen
    bei den Unternehmen ganz unter-
    schiedlicher Art. Das sind zum einen
    hochgradig international agierende
    Unternehmen wie etwa Fluggesell-
    schaften, zum anderen aber auch re-
    gional aktive Firmen wie etwa Messe-
    bauer. In bestimmten Branchen zei-
    gen sich Abhängigkeiten, weil


Vorleistungen nur noch aus bestimm-
ten Volkswirtschaften verfügbar sind.
Sollte die Epidemie in Deutschland
und in Europa greifen, wären Liefer-
ketten noch direkter betroffen. Ein
Teil dieser Unternehmen kann ernst-
hafte und den Fortbestand gefährden-
de Liquiditätsprobleme bekommen.
Wirtschaftspolitisch bedeutet dies,
schnell und unbürokratisch die Un-
ternehmensfinanzierung zu sichern.
Das kann über die Kreditanstalt für
Wiederaufbau (KfW) im Zusammen-
spiel mit den Förderbanken der Län-
der organisiert werden. Die Finanzie-
rung sollte über den Bundeshaushalt
abgesichert werden.


  1. Stabilisierung der Finanzmarktli-
    quidität. Eine höhere Nachfrage der
    Unternehmen nach „Emergency Li-
    quidity Assistance“ könnte im Euro-
    Raum infolge einer Ausbreitung des
    Virus entstehen. Die EZB kann bereits
    mit dem bestehenden Targeted Long-
    Term Refinancing Operations
    (TLTROs) zur Milderung von Liquidi-
    tätsproblemen beitragen und darüber
    hinaus ein neues TLTRO beschließen.
    Damit könnten Banken bei der EZB
    Geld günstiger leihen, wenn sie an


solvente Unternehmen in Corona-be-
dingten Liquiditätsschwierigkeiten
(aber mit ausreichend Collateral) Kre-
dite vergeben. Dadurch würde zudem
sichergestellt, dass die Probleme der
Realwirtschaft nicht auf die Banken
durchschlagen, also aus einer Liquidi-
tätskrise der Unternehmen eine Li-
quiditätskrise der Banken resultiert.
Allgemeine Zinssenkungen – wie
jüngst prophylaktisch seitens der Fed


  • helfen jetzt allerdings nicht. Ganz
    abgesehen davon, hat die EZB selbst
    verschuldet keinen zinspolitischen
    Spielraum mehr.



  1. Durch Steuerstundung Unterneh-
    mensliquidität stabilisieren. Eine
    Möglichkeit der Steuerstundung für
    eine möglichst breite Masse der Un-
    ternehmen würde die großzügigere
    Gewährung des Investitionsabzugsbe-
    trags bieten. Eingeführt im Zuge der
    Unternehmensteuerreform 2008,
    mindert der Investitionsabzugsbetrag
    den heutigen steuerlichen Gewinn,
    indem 40 Prozent der voraussichtli-
    chen Anschaffungskosten von in den
    nächsten drei Jahren geplanten Inves-
    titionen angesetzt werden. Der Be-
    trag ist zurzeit auf 200 000 Euro im
    Jahr und auf Unternehmen mit einem
    Betriebsvermögen bis zu 235 000
    Euro beschränkt. Eine temporäre
    deutliche Anhebung beider Grenzen
    würde einen spürbaren Steuerstun-


Gastautor
Michael Hüther
ist Chef des
Instituts der
deutschen
Wirtschaft
Köln (IW).
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