Handelsblatt - 06.03.2020 - 08.03.2020

(Greg DeLong) #1

Elisabeth Warren: Die US-Senatorin zieht ihre
Bewerbung um eine Kandidatur zurück.


AFP

Elizabeth Warren


US-Demokratin


steigt aus


WASHINGTON Die
Senatorin Elizabeth
Warren steigt aus dem
Rennen der Demokra-
ten um die US-Präsi-
dentschaftskandidatur
aus. Das teilte die
70-jährige Juraprofes-
sorin am Donnerstag
mit. Man habe das an-
gestrebte Ziel nicht er-
reicht, räumte sie ein,
doch der Kampf um
mehr Gerechtigkeit in
dem Land gehe weiter.
Mit Warrens Rückzug
sind die Vorwahlen
der Partei nun endgül-
tig ein Zweikampf zwi-
schen dem linken Se-
nator Bernie Sanders
und dem früheren US-
Vizepräsidenten Joe
Biden. Warren war
aussichtsreich in das
Rennen ihrer Partei
eingestiegen und hatte


über längere Zeit in
nationalen Umfragen
unter den demokrati-
schen Präsident-
schaftsbewerbern weit
vorn gelegen. Doch in
den ersten vier Vor-
wahlstaaten Iowa,
New Hampshire, Ne-
vada und South Caroli-
na schnitt sie nur
schwach ab und ent-
täuschte auch am „Su-
per Tuesday“ bei Ab-
stimmungen in 14 Bun-
desstaaten: Sie
gewann dort keinen
einzigen Staat für sich
und verlor selbst in ih-
rer Heimat Massachu-
setts. Warrens Aus-
stieg spielt Sanders in
die Hände, der wie sie
eine klar linke Agenda
vertritt und somit um
die gleiche Anhänger-
schaft buhlt. dpa

Heike Anger Berlin

F


ranziska Giffey hat sich mal wie-
der etwas einfallen lassen. Die Er-
finderin der Werbespruch-Geset-
zesnamen wie „Gute-Kita-Gesetz“
ließ große orangefarbene Kellen
anfertigen. Die Aufdrucke: „#Frauen können
alles“, „#Frauen in Vorstände“ und „#Frau-
enquote“. Taucht die Bundesfamilienministe-
rin nun bei einem Termin auf, müssen die
Gesprächspartner darauf gefasst sein, eine
der Kellen in die Hand gedrückt zu bekom-
men. Dann wird für ein Foto posiert, das an-
schließend auf Facebook landet. Beim Emp-
fang zum Internationalen Frauentag der SPD-
Bundestagsfraktion war es selbstredend, dass
die Kelle zum Einsatz kam. Auch die neue
Präsidentin des Deutschen Landfrauenver-
bands, Petra Bentkämper, musste sich schon
mit Schild ablichten lassen.
In Sachen Gleichstellung ist Giffey umtrie-
big wie kaum eine ihrer Vorgängerinnen.
Zwar trägt das Ministerium seit dem Jahr 1991
explizit den Zusatz „Frauen“ im Titel – da-
mals waltete dort noch Angela Merkel (CDU).
Doch in Erinnerung ist etwa Kristina Schrö-
der (CDU), die während ihrer Amtszeit nur
lasch auf eine Selbstverpflichtung der Wirt-
schaft für mehr Frauen in Führungspositio-
nen hoffte, so dass es schließlich Parteifreun-
din Ursula von der Leyen als Arbeitsministe-
rin war, die eine verpflichtende Frauenquote
forderte.
Giffey macht indes keinen Hehl daraus,
dass die Gleichstellung von Frauen und Män-
nern auf ihrer Agenda weit oben steht. „Rei-
ne Männerklubs in Führungsetagen sind ein-
fach nicht mehr zeitgemäß“, sagt sie.

Eine Strategie mit
universalem Anspruch
Unmittelbar vor dem Internationalen Frauen-
tag an diesem Sonntag ging den anderen Mi-
nisterien Giffeys Entwurf einer nationalen
Gleichstellungsstrategie zu. Damit will die So-
zialdemokratin erreichen, dass die Regierung
verbindlich bei allen Gesetzen und Förder-
programmen die Gleichstellung von Frauen
und Männern berücksichtigt – sei es mit Blick
auf die Entgeltgleichheit, die Rente oder Füh-
rungspositionen. Es ist das erste Mal, dass ei-
ne Frauenministerin eine solche Strategie auf
den Weg bringt.
Derzeit liegt ihr Entwurf für ein zweites Ge-
setz für die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen und Männern an Führungspositionen
(FüPoG) im Kanzleramt. Freimütig erzählte
die 41-Jährige jüngst im Interview mit dem
Handelsblatt, dass ihr Vorstoß dort gar nicht
gut ankam. Denn im Entwurf fanden sich
nicht nur die im Koalitionsvertrag vereinbar-
ten Punkte – Bußgelder für börsennotierte
oder mitbestimmungspflichtige Unterneh-
men, die bei den Zielgrößen für Frauen in
Vorständen und obersten Management -
ebenen nur die Zielgrößen null setzen und
dies nicht ausreichend begründen. Giffey hat-
te gemeinsam mit Justizministerin Christine
Lambrecht (SPD) gleich noch eine Frauen-
quote für Vorstände börsennotierter und pa-
ritätisch mitbestimmter Unternehmen drauf-

gesattelt. Die Regelung soll greifen, wenn ein
Vorstandsposten neu zu besetzen ist und der
Vorstand aus mehr als drei Personen besteht.
„Kein Unternehmen wird also gezwungen,
ein männliches Vorstandsmitglied zu entlas-
sen“, versicherte Giffey etwas spöttisch. Und:
„Es ist kein Verstoß gegen die Menschenwür-
de, wenn eine Frau dabei ist.“
Doch Giffey sucht auch die Nähe der Wirt-
schaft. Gerade erst besuchte sie die SAP-Zen-
trale im baden-württembergischen Walldorf.
Der Softwarekonzern ist Mitglied im Unter-
nehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“
des Ministeriums, und die SPD-Politikerin
lobte entsprechend die familienfreundliche
Personalpolitik des Unternehmens. In Ros-
tock würdigte sie beim Medizintechnikher-
steller Cortronik die gute Vereinbarkeit von
Familie und Beruf.
Ob sie alle Ideen umsetzen kann, ist derzeit
offen. Dem Koalitionspartner geht vieles zu
weit; die Frauenquote für Vorstände wird
dort als „ordnungspolitischer Sündenfall“
empfunden. Doch Giffey hofft, einige der gut
50 Unionsfrauen in der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion auf ihre Seite ziehen zu können.
Dort gibt es durchaus Sympathisantinnen.

Franziska Giffey


Angriff auf die


Männerklubs


Die Bundesfrauenministerin scheut kaum einen Konflikt. Nun will sie


der Regierung eine nationale Gleichstellungsstrategie verordnen.


Franziska
Giffey: Die
41-Jährige
scheut
nicht den
Konflikt.

dpa

Es ist kein


Verstoß


gegen die


Menschen-


würde, wenn


auch eine


Frau dabei ist.


Franziska Giffey (SPD)
Bundesfamilien-
ministerin

Michael Sherwood


Hilfe beim Aufbau


einer globalen Bank


LONDON Das Board
der britischen
Smartphone-Bank Re-
volut sieht zuneh-
mend aus wie das ei-
ner traditionellen
Bank. Nun wechselt
auch Michael Sher-
wood, der Ex-Europa-
Chef von Goldman
Sachs, in den Verwal-
tungsrat des Fintechs.
Die Ernennung des
54-Jährigen war be-
reits erwartet worden.
Nach einer Reihe von
Problemen mit inter-
nen Kontrollen will
Revolut seriöser wer-
den. Gründer Nikolay
Storonsky spricht da-
von, eine „wahrhaft
globale Bank“ aufzu-
bauen. Die Firma hat


soeben den Abschluss
einer neuen Finanzie-
rungsrunde bekannt-
gegeben und wird nun
mit 5,5 Milliarden Dol-
lar bewertet. Sher-
wood war einst als
möglicher Nachfolger
des langjährigen Gold-
man-Chefs Lloyd
Blankfein gehandelt
worden, hatte die
Bank aber 2016 verlas-
sen. Neben Sherwood
konnte Revolut mit Ian
Wilson einen weiteren
angesehenen Banker
für den Verwaltungs-
rat gewinnen. Der Risi-
komanager war früher
bei der Royal Bank of
Scotland und Revolut-
Konkurrent Monzo.
C. Volkery

Namen


des Tages
1

WOCHENENDE 6./7./8. MÄRZ 2020, NR. 47
62


Anthony Levandowski

Der tiefe


Fall eines


IT-Stars


A


nthony Levandowski hat die Idee
der selbstfahrenden Autos ehrgeizig
verfolgt wie kaum ein anderer. Zu
ehrgeizig. Wie ein US-Gericht bestätigt hat,
muss der 39-Jährige 179 Millionen Dollar an
Google zahlen, um einen Rechtsstreit mit
seinem ehemaligen Arbeitgeber zu been-
den. Damit ist der spektakulärste Fall von
unternehmerischem Geheimnisverrat im Si-
licon Valley um eine Episode reicher.
Die Sache wurde bekannt, nachdem Le-
vandowski am Mittwoch Insolvenzschutz
beantragen musste. Es geht um Geschäftsge-
heimnisse und die Abwerbung von Mitarbei-
tern auf einem Milliardenmarkt. Levan-
dowski war einst einer der wichtigsten Ma-
nager bei Waymo, dem Roboterauto-Projekt
der Google-Mutter Alphabet. Als er und sein
Kollege Lior Ron 2016 die eigene Firma Otto
gründeten, war das unlauterer Wettbewerb,
hat ein US-Gericht nun entgegen Levan-
dowskis Einspruch bestätigt.
Es dauerte damals nur Monate, bis der
Fahrdienst Uber Levandowskis junge Firma
für selbstfahrende Lkws aufkaufte. Google
war entsetzt, sah seine Geschäftsgeheimnis-
se verraten. Konkret geht es um die Laser-
technik „Lidar“, an der sowohl bei Waymo
als auch bei Uber gearbeitet wurde.
Uber hatte sich im Rahmen von Levan-
dowskis Beschäftigung zwar bereit erklärt,
sämtliche Anwaltskosten und Urteile gegen

ihn zu übernehmen. Gegenüber der US-Bör-
senaufsicht erklärte der Fahrdienst nun al-
lerdings, das gelte „vorbehaltlich eines
Rechtsstreits zwischen den beiden Partei-
en“. Der Manager hat Uber inzwischen wie-
der verlassen und erneut gegründet – natür-
lich im vertrauten Technologiebereich.
So oder so ist die Sache für Levandowski
aber noch nicht durch. Denn er muss sich
noch strafrechtlich verantworten – Bundes-
staatsanwälte in Kalifornien haben ihn in 33
Punkten angeklagt. Die Anklage könnte ihn
für bis zu zehn Jahre ins Gefängnis bringen.
Die Vorwürfe wiegen schwer: 14 000 in-
terne Daten soll der frühere Topmanager in
seiner Waymo-Zeit kopiert haben, um damit
auch außerhalb von Alphabet weiterzuarbei-
ten. Larissa Holzki

Anthony Levandowski:
Der 39-Jährige
musste Insolvenzschutz
beantragen.

REUTERS

Stephan Gemkow

Ein Deutscher für Airbus


D


er ehemalige Haniel-Vorstandschef
Stephan Gemkow soll in den Ver-
waltungsrat von Airbus einziehen.
Der 60-jährige Deutsche wird zur Wahl in
das Aufsichtsgremium vorgeschlagen, wie
aus der Einladung zur Hauptversammlung
des Flugzeugbauers am 16. April in Amster-
dam hervorgeht.
Gemkow, der auch im Verwaltungsrat des
für sein Flug-Reservierungssystem bekann-
ten Softwareunternehmens Amadeus IT
sitzt, verbrachte den größten Teil seiner Kar-
riere bei der Lufthansa, unter anderem als
Finanzchef. Zusammen mit ihm soll der
ehemalige Chef von Hawaiian Airlines, Mark
Dunkerley, 55, in den Airbus-Verwaltungsrat
gewählt werden. Es sind gleich zwei hoch-
rangige Manager mit reichlich Erfahrung aus
der Luftfahrt.
Den meisten Deutschen ist Gemkow aber
wohl besser als der Mann in Erinnerung,
der bis Mitte 2019 das Familienunterneh-
men Haniel saniert hat. Seine Zeit als Vor-

standschef war durchaus erfolgreich. Und
auch wenn die Familie nie von einer drama-
tischen Lage des Unternehmens sprechen
wollte, bevor Gemkow zu Haniel stieß, sagte
sie bei seinem Abschied: „Wir sind ihm zu
großem Dank verpflichtet.“
Auch Dunkerley gilt als erfolgreicher Sa-
nierer: Als er bei Hawaiian antrat, stand die
Fluglinie kurz vor dem Bankrott. Doch der
damals 40-Jährige schaffte die Wende. Auf
die Gemeinsamkeit der Manager angespro-
chen, ließ Airbus verlauten, dass dies nicht
das entscheidende Kriterium gewesen sei,
sondern die Erfahrung der beiden in der
Luftfahrt. Airbus ist angesichts solider Ge-
winne auch alles andere als ein Sanierungs-
fall. Zurückziehen werden sich bei der
Hauptversammlung im April der derzeitige
Vorsitzende des Verwaltungsrats, der Fran-
zose Denis Ranque, und der Deutsche Her-
mann-Josef Lamberti. Ranques Nachfolger
wird René Obermann werden, der für den
Finanzinvestor Warburg Pincus arbeitet.
Das hatte das Board bereits im April 2019
beschlossen. T. Hanke

BusinessLounge


Stabilität: Evonik-Finanzvorständin Ute Wolf
spricht im Rahmen der Bilanzpressekonferenz
des Chemiekonzerns in Essen. Im abgelaufenen
Geschäftsjahr konnte das Unternehmen seinen
Gewinn stabil halten.

Platonisch: Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio
Berlusconi, 83, und seine langjährige Freundin
Francesca Pascale, 34, haben sich getrennt. Laut
„Il Giornale“ wollen beide befreundet bleiben.
Berlusconi soll allerdings wieder vergeben sein –
an die Forza-Abgeordnete Marta Fascina, 30.

Platonisch:ItaliensExMinit ä

Secondhand: Julie Wainwright, Gründerin und
CEO des US-Start-ups TheRealReal, posiert in
San Francisco für die Fotografen. Sie plant, künf-
tig neben ihrem Onlineshop auch stationäre Ge-
schäfte für gebrauchte Luxusartikel zu betreiben.

Secondhand:Julie WainwrightGründerin und

Coronakrise: Debbie Birx, Ärztin und jetzt
„White House Coronavirus Response Coordina-
tor“, spricht mit Präsident Donald Trump (l.) und
American-Airlines-CEO Doug Parker in Washing-
ton über die Folgen der Epidemie.

Coronakrise:Debbie BirxÄrztinundjetzt

Sepp Spiegl, UPI/laif, dpa, Bloomberg

Der Vordenker des Roboterautos
muss Google 179 Millionen Dollar
zahlen. Er soll Betriebsgeheimnisse
an Uber verraten haben.

Der Ex-Haniel-Chef soll in den
Verwaltungsrat des Konzerns
einziehen. Der 60-Jährige arbeitete
lange für Lufthansa.

Stephan Gemkow:
„Zu großem Dank
HANIEL BILANZ PK^ verpflichtet.“

Namen des Tages
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