München – Lautstark stürmt Horst
Schroth durch den Saal des Lustspielhau-
ses auf die Bühne: Da ist er nach längerer
Zeit also mal wieder, der kleine Drahtige,
der Jack-Russell-Terrier der Kabarettsze-
ne (lustigerweise sind diese Hunde seit je-
her seine privaten Begleiter). Wobei natür-
lich auch an ihm der Zahn der Zeit genagt
hat. 71 ist er inzwischen, und die Lust auf
das Leben aus dem Koffer, die ewige Reise-
rei und die „nicht immer entspannenden
Hotelübernachtungen“ (ein, zwei Beispiele
gab er denn auch zum Besten) hat derart ab-
genommen, dass Schroth jetzt in die
„Schlusskurve“ geht.
Ein Abschiedsprogramm also, in Zu-
kunft wird man seine Heimspiele im Ham-
burger St.-Pauli-Theater aufsuchen müs-
sen, wenn man ihn noch einmal sehen will
- und dementsprechend ein Best-of aus
40 Jahren: „Suchen Sie keinen roten Fa-
den, es gibt keinen“, verkündet er ein-
gangs. Was natürlich nicht ganz stimmt.
Denn zum einen entrollt sich bei dieser
Schlusskurve die Kabarettgeschichte von
der späten Bonner bis zur etablierten Berli-
ner Republik; durch die ausführlichen Hin-
tergrundgeschichten zu den Szenen ergibt
sich fast eine Art zeitgeschichtliches Prose-
minar. Zum anderen verblüfft durchge-
hend die Aktualität des Abends.
Schon die Anfangszeterei gegen den „Ju-
gendwahn“, wenn Schroth die „Altenrepu-
blik Deutschland ARD“ mit Grundrente
und allerlei Senioren-Zuckerl ausruft,
könnte gestern geschrieben sein – stammt
aber aus dem Jahr 1989, inspiriert von der
Parteigründung der „Grauen Panther“.
Taufrisch auch der stimmungstechnische
Höhepunkt, der Auszug aus dem „Herren-
abend“, in dem die Unterschiede der Ge-
schlechter im häuslichen Miteinander her-
ausgearbeitet werden: Männer wohnen,
Frauen rödeln. Eine Nummer, die 1998 ei-
gentlich die komplette Beziehungs-
Comedy vorweggenommen und erledigt
hat. So erkannte das Publikum am Schluss
die Größe des Moments und erhob sich ge-
schlossen, fast wie bei der Verleihung eines
Ehren-Oscars. oliver hochkeppel
Dresden –1867 hatten Europas Herrscher
einen ausgezeichneten Vorwand für eine
große Vergnügung. Damals war Weltaus-
stellung in Paris, da reiste man hin, aber ei-
gentlich gingen alle wichtigen Herren ins
Théâtre des Variétés, um Jacques Offen-
bachs damals hochaktuellen neuen Hit zu
sehen, „Die Großherzogin von Gerolstein“.
Der einzige, der sich diese Opéra-Bouffe
nicht anschaute, war dem Vernehmen
nach Kaiser Franz Joseph, doch der hatte
sie bereits in Wien gesehen. Bismarck soll
sehr amüsiert gewesen sein über diese
durchgeknallte Farce auf Militarismus,
Kleinstaaterei und die Idiotie der Staatsap-
parate – und besiegelte wenige Jahre spä-
ter mit dem deutsch-französischen Krieg
die deutsche Reichsgründung. Ob es einen
tieferen Zusammenhang gibt, ist ein wei-
ßer Fleck in der historischen Forschung.
Denn darum geht es: Der Großherzogin
ist fad, und damit sie nicht auf die Idee
kommt, in ihrem winzigen Reich etwas zu
ändern, entwerfen General Boum und Ba-
ron Puck und noch ein paar weitere Schran-
zen den Plan, die Herrscherin mit einem
kleinen Krieg und einer großen Liebe abzu-
lenken. Das fällt quasi zusammen, denn
die Großherzogin liebt das Militär, beson-
ders den jungen Fritz, den sie flugs zum Ge-
neral und obersten Feldherren ernennt.
Nur Fritz liebt seine Wanda.
Vor zehn Jahren machte Christoph Mart-
haler aus dieser extravaganten Boufferie
in Basel ein fabelhaft böses Destillat deut-
scher Todessehnsucht, für das er recht frei
mit dem Werk umging, was allerdings be-
reits Offenbach und seine zwei Textdich-
ter, Henri Meilhac und Ludovic Halévy, ta-
ten. Unmittelbar nach der Premiere schrie-
ben die Drei ihr Werk um, seit dem gibt es
verschiedene Fassungen in unterschiedli-
chen Schärfegraden. Nun kommt eine
neue hinzu, denn Josef E. Köpplinger hat
die „Gerolstein“ an der Dresdner Semper-
oper inszeniert, mit neuer, deutscher Text-
fassung, die das, was mal Farce war, nun
zum Schwank umtüncht. Nicht einmal ei-
nen Krieg gibt es hier, Fritz verhaftet ledig-
lich unter Zuhilfenahme von 118 Flaschen
Gerolsteiner Spitzenwein ein paar Touris-
ten – im Original waren noch 300 000 Fla-
schen für eine echten Sieg nötig. Freilich:
Dies ist auch eine Adaption an die Dresd-
ner Verhältnisse. Selbstauskunft aus Gerol-
stein: „Wir haben keinen Feind. Wir sind
zu klein, zu unbedeutend: ein musealer,
zwergischer, verschuldeter, touristenab-
hängiger Stadtstaat.“ Und dann klaut auch
noch jemand den Schmuck.
Köpplinger scheint mit seinem Staatsin-
tendantenjob am Gärtnerplatztheater nur
bedingt ausgelastet; in dieser Saison hat er
im Oktober bereits in Bonn den „Rosenka-
valier“ inszeniert, im Juni folgt ein „Mas-
kenball“ an der Wiener Staatsoper, Ende
Juli ein „Barbier von Sevilla“ in Barcelona
- letzteres immerhin eine Zusammenar-
beit mit dem Gärtnerplatztheater, wohin
die auch noch mit Toulouse koproduzierte
Aufführung dann wohl mal wandern wird.
Im Kern ist auch die Dresdner „Gerol-
stein“ eine mehr oder weniger Koprodukti-
on. Maximilian Mayer, der mit viel Charme
den Fritz singt, ist am Gärtnerplatz im En-
semble, Daniel Prohaska und Sigrid Hau-
ser sind dort regelmäßig zu Gast. Prohaska
ist hier nun Prinz Paul und dabei so rosafar-
ben, dass dieser als möglicher Heiratskan-
didat für die Regentin kaum in Frage
kommt; Hauser ist eine Art politisch inter-
essierte Gouvernante mit stählernem So-
wjetcharme. Also fühlt man sich in Dres-
den ein bisschen wie in München, auch
weil einem nach der – ausgiebig bejubel-
ten – Aufführung schnell die Frage begeg-
net, wann denn nun Köpplinger die Wiener
Volksoper übernähme. Keine Ahnung.
Aber mitunter ist es lustig, dass viele Leute
davon wie selbstverständlich ausgehen.
Köpplingers Vertrag in München läuft bis
2023, der von Robert Meyer an der Volks-
oper bis 2022 und die Positionierung Köp-
plingers als in dieser Saison international
tätiger Regisseur macht den Wienern viel-
leicht ein Angebot leichter.
So viel zum Schmäh, obwohl wir ja in
Sachsen sind, aber wo Köpplinger arbeitet,
ist immer auch ein bisschen Österreich. Ist
ja auch gut so. Tatsächlich ist seine „Gerol-
stein“-Inszenierung eine sorgenfreie Süß-
speise, garniert von einem wirklich fabel-
haften Militärballett (Choreografie: Adam
Cooper), das ein wenig an die SA denken
lässt, allerdings in der Zeit vor dem soge-
nannten „Röhm-Putsch“. Schwules Militär
ist hier schon die Spitze der Subversion.
Und schaut sehr gut aus. Derweil begibt
sich Anne Schwanewilms in der Titelrolle
auf eine irritierende Suche nach ihrer Stim-
me, findet sie für eine Viertelstunde am En-
de des zweiten Akts und behilft sich an-
sonsten mit losgelösten Spitzentönen. Die
Sächsische Staatskapelle klingt unter Jona-
than Darlington nicht wie eine „Wunder-
harfe“, sondern nach Kurkapelle, was den
Spaß nicht stört. Diesen vollenden die hin-
reißende Katerina von Bennigsen als Wan-
da und der knackige, prachtvoll agierende
Martin Winkler als General Boum, hier
Bumm. Die beiden sollte man dann mitneh-
men. Nach München. egbert tholl
München –EinBegriffspaar verwendet
Walter Heun besonders häufig, wenn man
ihn nach der Konzeption der Tanzplatt-
form 2020 fragt: „Offene Gesellschaft.“
Der Münchner Mitbegründer dieser Art
Fachmesse für zeitgenössischen Tanz, die
seit 1994 in wechselnden Städten biennal
stattfindet, ist im deutschsprachigen
Raum ein großer Kenner und Förderer des
Tanzes – und weigert sich zunehmend, die-
se Kunstform in seinen Formaten zu kate-
gorisieren. „Wir hatten früher Tanzplatt-
formen, wo die Jurys ab und an mal eine Be-
hauptung aufgestellt haben“, erklärt er,
die seien aber konzeptionell die schwierigs-
ten gewesen. Deshalb sei man in diesem
Jahr ganz „ohne Ideologie“ rangegangen
und habe sich gefreut über das breite
„Spektrum an bemerkenswerten Arbei-
ten“, erklärt Heun weiter, der auch der dies-
jährigen Jury angehörte. 444 Stücke wur-
den insgesamt gesichtet, 15 daraus sind
nun nach München eingeladen, wo sie in in-
nerhalb von fünf Tagen oft mehrmals ge-
zeigt werden. Hinzu kommen ein Rahmen-
programm sowie die üblichen Empfänge,
Meets and Greets und Partys, die für Ver-
netzung der Szene sorgen sollen.
Bei den Produktionen treffen verschie-
dene Stile, unterschiedliche künstlerische
Interessen sowie Etabliertes und Under-
ground aufeinander. Zur offiziellen Eröff-
nung, am Mittwoch Abend in den Kammer-
spielen, zeigt die in diesem Jahr beim deut-
schen Tanzpreis geehrte Choreografin Isa-
belle Schad ihr Stück „Reflection“; eine abs-
trakte Arbeit, in der Alltagsbewegungen
und vor allem Begegnungen zwischen Men-
schen in eine künstliche und dann auch
künstlerische Form übersetzt werden.
Ähnlich bekannt ist auch die israelische
Choreografin Sharon Eyal, die mit ihrem
Stück „Soul Chain“ vertreten ist, das sie für
das Ensemble des Staatstheaters Mainz ge-
schaffen hat. Mit „Coexist“ ist auch eine
weitere Produktion eines Staatstheaters
eingeladen: Adrienn Hód hat hier für das
Theater Bremen gearbeitet.
Diese Kooperationen spiegeln sich auch
in der praktischen Organisation in Mün-
chen. Als die Tanzplattform 1998 zuletzt in
München ausgetragen wurde, sei es un-
denkbar gewesen, die großen städtischen
und staatlichen Bühnen zu bespielen, sagt
Heun. Heuer sind nicht nur die drei Spiel-
stätten der Kammerspiele dabei sondern
auch das Residenztheater.
Doch auch bei den kleineren Produktio-
nen zeigt sich die thematische Vielfalt: Joa-
na Tischkau widmet sich in „Playback“
afroamerikanischer und afrodeutscher
Kulturprojektion, Saša Asentićs nutzt in
„Dis_Sylphide“ die Tanzgeschichte und be-
setzt das romantische Bild der ätherischen
Sylphiden mit Tänzern mit und ohne Be-
hinderung neu. Das Duo Gintersdorfer/
Klaßen geht sogar noch einen Schritt wei-
ter in die Tanzvergangenheit und konfron-
tiert in „Kabuki Noir“ die japanische Tanz-
tradition Kabuki mit den Codes des ivori-
schen Coupé Décalé.
Eine Gemeinsamkeit kann Heun bei
den ausgewählten Produktionen aber
doch feststellen: „Diversität“. Ein Modebe-
griff gerade. Aber eben auch ein Statement
gegen Kategorien und für die von Heun be-
schworene „offene Gesellschaft“ und „das
Miteinander der Menschen“. Man will also
auf der Tanzplattform einen „Begegnungs-
raum“ schaffen. Auch mit den Machern: So
gibt es am Mittwoch zu Beginn und am letz-
ten Tag je ein öffentliches Gespräch mit
der Jury. rita argauer
Tanzplattform Deutschland, Mittwoch, 4., bis
Sonntag, 8. März, weitere Informationen im Inter-
netunter http://www.tanzplattform2020.de
München–Peter Maffay wirft auch mit 70
so schnell nichts um. Aber ausgerechnet
die Jubiläumstour zu seinem 50. Bühnen-
jahr muss der Tutzinger Rocker nun ver-
schieben, und damit auch das Konzert in
der Münchner Olympiahalle am 20. März.
Kurz vor dem Soundcheck zum zweiten
Tour-Auftritt in Hamburg stürzte der Bas-
sist Ken Taylor von der Bühne und brach
sich den Oberschenkel. Als nach dem Auf-
tritt in Berlin auch noch der Keyboarder
Pascal Kravetz aus nicht näher genannten
Gründen erneut ins Krankenhaus musste,
zogen Maffay und sein Tourveranstalter
die Notbremse. Alle restlichen 19 Konzerte
werden in den Sommer verschoben, die
Karten bleiben gültig. zir
von michael zirnstein
A
ls Grashüpfer getarnt war Gil Ofarim
besonders nackt. Unter dem Plastik-
helm mit Riesenglubschern konnte
er nicht mit seelenvollen Augen punkten,
er durfte auch nichts sagen und mit seinem
Charme bezirzen, und keine treue Verehre-
rin, die dem engelhaarigen Beau aus der
Bravo-„Foto-Lovestory“ in Teenagertagen
vor seiner Wohnung an der Leopoldstraße
auf dem Trottoir tagelang aufgelauert hat-
te, würde aus alter Liebe für ihn stimmen.
Ein wenig mit dem Extra-Beinpaar wa-
ckeln, das konnte er. Nur die Stimme zählt,
das war die Ausgangslage des so albernen
wie geheimnisvollen Sängerwettstreits auf
Pro7 „The Masked Singer“. „Ich wollte wis-
sen: Funktioniere ich oder nur der Promi-
faktor“, sagt Gil Ofarim. Seine samtraue
Stimme überzeugte, auch wenn die Exper-
ten-Jury anfangs mit Tipps von Bruce
Springsteen über Florian Silbereisen bis DJ
Bobo noch recht im Dunkeln tappte. Im Fi-
nale waren sich dann alle sicher, es mit Gil
zu tun zu haben, der nur dem Soul-Bruder
Max Mutzke unterlag.
Der 37-jährige Münchner fordert sich
gern heraus. Weil die Fernsehzuschauer
derzeit nichts lieber sehen als Duelle, misst
sich Ofarim auf allen Kanälen. Bei „Schlag
den Star“ fegte er den 13 Jahre jüngern Pie-
tro Lombardi hinweg, obwohl er sich im
zweiten Spiel – Trampolinball – einen gro-
ßen Zeh brach, er trat beim „Großen Promi-
Backen“ und bei „Promi Ninja Warrior“ an,
bei „Let’s Dance“ siegte er mit Ekaterina
Leonova im Paartanz, jüngst trat das Team
„Gilkat“ dann im Quiz „Wer weiß denn so-
was?“ gegeneinander an. Dazu modelt er,
spricht Synchronrollen, spielt in Film und
Musical, moderiert die Rock-Radio-Show
„Chilling In The Name“ – ein Medienmann
modernen Typs. „Das mag wahllos erschei-
nen“, sagt er, aber er nehme nur Angebote
an, auf die er „Bock“ habe. Tanzen zum Bei-
spiel, das habe er schon als Kind geliebt,
mit seinem Bruder Tal brachte er anderen
Kindern in der BR-Reihe „Ping Pong Junior
Club“ rappen und Dancemoves bei. Die
nächste Herausforderung ist schon gestar-
tet: Mit dem Krimiklassiker „Tod Auf dem
Nil“ ist er auf Theatertour und gastiert im
Februar 2021 im Prinzregententheater.
Freilich fragen ihn Freunde, ob er sich
nicht verzettelt. „Keine Ahnung“, sagt Ofa-
rim, „aber stimmt schon, wenn’s ums Ei-
gentliche ginge, dürfte ich nur Musik ma-
chen“. Aber als „gestandener Liederma-
cher“, als der er sich bezeichnet, hat man es
dort nicht leicht, wo er zu Hause ist. Für die
so genannte Münchner Szene, glaubt er, sei
er zu prominent, obwohl er lange in der
BandAchtmit Andy Lind von denFreaky
Fukin Weirdozund mit Petros Kontos, dem
lässigen Wirt vom Café Haidhausen, das
wilde Tourleben genoss. Und im TV? Wo
kann man da heute noch live rocken, außer
bei „The Voice“, und da war er schon.
Aber er bleibt dran, wo sein Herz hängt.
Nach der Zeit als Mädchen-Schwarm mit
Hits wie „Round’N’Round (It Goes)“ auch in
Kanada, Asien und im Olympiastadion vor
Bon Joviund nach Bands wieZoo Armyund
Achtwar es längst wieder Zeit für eine Be-
währungsprobe. Nur kollidierte das Solo-
Projekt „Alles auf Hoffnung“ mit der härtes-
ten Prüfung seines Lebens, die er sich ein-
mal nicht selbst gesucht hatte. 2018 starb
sein Vater, der israelische Schwabinger
Schlager-Gigant Abi Ofarim. So sehr ihn
der Verlust zum Schreiben drängte, so sehr
blockierte er ihn auch. Es half, dass er sich
Hilfe holte, weil er „tausend Ideen, aber kei-
nen einzigen Song“ hatte. In einer frühen
Session mit Christian Neander vonSelig
und Tom Albrecht offenbarten alle „in ei-
nem Seelenstriptease“ ihre Trauer und
Ängste. Sie wunderten sich, dass sowohl
Albrecht als auch er beim Tod der Väter
zum Landeplatz für einen Schmetterling ge-
worden waren und gossen dieses gemeinsa-
me Gefühl in ein Lied: „Ein Teil von mir“.
„Den Papa-Song habe ich von der Schul-
ter“, dachte sich Ofarim, aber recht befreit
fühlt er sich nicht. Irgendwo „am Arsch der
Welt“ bei Münster, bei einer verregneten
Songwriting-Runde, hörte er Abis Stimme
in sich: „Eine Ballade mit Streichern und
Trauer für mich, echt jetzt?“ Sein Vater ha-
be Funk geliebt, sei voll auf Rhythmus abge-
fahren, er hätte ihm geraten, seine Wut
rauszubrüllen. Daraus wurde „Nach Dir
der Regen“, ein aufwühlendes Donnerwet-
ter. Das fängt sanft an, erzählt – wie auch
Christian Ude bei der Beerdigung – von den
Händen Abi Ofarims: „Du hast mir beige-
bracht, wie man Hände reicht, die groß ge-
nug zum Halten sind, die Trost genug für
Tränen sind, die wehren und die streicheln
können.“ Gil berühren sie immer noch,
wenn er an sie denkt. „Ein Kind sucht Halt“,
sagt er, „ich habe keine Hände länger gehal-
ten als die meines Vaters, er hat mir damit
gezeigt, wie man eine Gitarre und einen
Tennisschläger hält; zum Lob hat er mir bei-
de Hände zum Einschlagen hochgehalten:
Kapha, Gil, kapha!“
Mit dem Stück, das es auch als Duett mit
seinem Bruder Tal gibt, platzte der Knoten.
Noch in der folgenden Nacht schrieb er das
zweite Meisterwerk, es ist in der rohen Erst-
Aufnahme am Ende der Platte: „Pierrot“. Er
singt in der Ballade aus Sicht der traurigen
Figur des Pantomimen Jean-Gaspard De-
burau. Auch wenn das jeden betrifft, der
für andere Rollen spielt, schildert der Text
doch sein Innerstes als verjährter Teenager-
Star: „Meine Name ist Pierrot / Ich tanz
wenn’s muss / Mit dem Schädel unterm
Arm / Und Schmerz im Fuß / Die Leute, die
drauf hoffen und die alles drauf setzen /die
kann ich nicht enttäuschen / ... / mein Na-
me ist egal / Ihr findet mich in jedem zwei-
ten Saal“. Chapeau, dem Pierrot. So macht
sich ein Künstler nackt.
Gil Ofarim, Dienstag, 3. März, 20 Uhr, Technikum
In Erinnerung an seinen
verstorbenen Vater
schrieb er zwei Songs
Gemeinsam unterschiedlich
Nach 21 Jahren wieder in München: die Tanzplattform Deutschland
Peter Maffay
verschiebt Tournee
444 Stücke wurden gesichtet,
15 daraus sind nun
nach München eingeladen
Der sanfte Rocker: Diesen Typen gab Gil Ofarim schon zu Teenager-Zeiten in der „Bravo“-Foto-Love-Story. Jetzt
schwankt der 37-Jährige zwischen ernsthaftem Musiker-Dasein und Fernseh-Star. FOTO: INA BOHNSACK
Seiner Zeit
voraus
Horst Schroth gibt zum Abschied
ein Best-of-Programm
Dresdner Großherzoginnensoufflé
Gärtnerplatzintendant Josef E. Köpplinger hält es kaum mehr in München
Der temporäre General Fritz (Maximili-
an Mayer) und seine liebe Wanda (Kateri-
na von Bennigsen). FOTO: LUDWIG OLAH
Die Poesie des Grashüpfers
DerMünchner Musiker Gil Ofarim ist als TV-Persönlichkeit derzeit bekannter denn als Sänger. Nun reflektiert er
das Showbiz auf seinem neuen Album „Alles auf Hoffnung“ so sinnlich wie pointiert
Große Gefühle, die in Körpern eingeschlossen sind, will die Choreografin Sharon
Eyal in ihrem Stück „Soul Chain“ darstellen. FOTO: ANDREAS ETTER
Weil die Fernsehzuschauer nichts
lieber sehen als Duelle, misst
sich Ofarim auf allen Kanälen
KURZKRITIK
R1 (^4) KULTUR Dienstag, 3. März 2020, Nr. 52 DEFGH