Süddeutsche Zeitung - 03.03.2020

(Tina Sui) #1
Washington–Joe Biden ist 77 Jahre alt.
Das macht ihn – so seltsam das klingt –
zum jüngsten männlichen Bewerber, der
im Kampf um die demokratische Präsi-
dentschaftskandidatur noch übrig ist.
Mike Bloomberg ist 78 Jahre alt, Bernie
Sanders wird im September 79, und der
Mann, den sie im November alle aus dem
Weißen Haus verjagen wollen, ist nicht viel
jünger: Donald Trump wird in wenigen Mo-
naten 74. Die Vereinigten Staaten sind eine
alte Demokratie, und was den nächsten US-
Präsidenten angeht, müssen sich die ame-
rikanischen Wählerinnen und Wähler im
Herbst höchstwahrscheinlich zwischen
zwei alten Männern entscheiden.
Das ist die erste Folge der Entscheidung
von Pete Buttigieg, seine Präsidentschafts-
kandidatur aufzugeben. Am Sonntagmor-
gen hatte der 38-jährige Demokrat noch
mit dem früheren Präsidenten Jimmy Car-
ter gefrühstückt. Wenige Stunden später
saß er bereits im Flugzeug in seine Heimat-
stadt South Bend in Indiana, wo er das En-
de seiner Bewerbung verkündete. Er sehe
für sich keinen Weg mehr, wie er die demo-
kratische Nominierung gewinnen könnte,
sagte Buttigieg. Er werde in den kommen-
den Monaten alles dafür tun, dass ein De-
mokrat ins Weiße Haus einziehen werde.
Das Ende einer Präsidentschaftskandi-
datur ist normalerweise der Moment, an
dem die Kommentatoren rasch mit kriti-
schen bis vernichtenden Bilanzen zur Stel-
le sind. Nicht so bei Buttigieg: Er erntete
für seinen Schritt und für seine Kampagne
viel Lob. Und er hat ja auch tatsächlich eini-
ges erreicht: Noch vor einem Jahr kannten
nicht einmal viele Insider in Washington
seinen Namen, geschweige denn konnten
sie ihn aussprechen. Trotzdem gelang es
dem früheren Bürgermeister aus der Pro-
vinz, die erste Vorwahl in Iowa zu gewin-
nen, er holte sich den zweiten Platz in New
Hampshire, und er tat all dies als erster
schwuler Präsidentschaftsbewerber, der ei-
nen Generationenwandel versprach.

Buttigiegs Problem war jedoch, dass er
zwar bei gut ausgebildeten weißen Demo-
kraten Stimmen holte, nicht aber bei den
Minderheiten, die in der Partei eine wichti-
ge Rolle spielen. Die Vorwahl in South Caro-
lina am Wochenende zeigte in aller Deut-
lichkeit, dass seine Unterstützung bei den
Afroamerikanern minimal blieb. Buttigieg
kam offenbar zum Schluss, dass sich daran
auch bei den Super-Tuesday-Vorwahlen in
14 Bundesstaaten an diesem Dienstag
nichts ändern würde.

Die zweite Folge von Buttigiegs Ent-
scheidung ist, dass sie ein bisschen mehr
Klarheit in den demokratischen Vorwahl-
kampf bringt. Der linke Senator Bernie
Sanders wird voraussichtlich auch nach
dem Super Tuesday mit den meisten Dele-
gierten dastehen. Doch von Buttigiegs
Rückzug könnte der frühere Vizepräsident
Joe Biden profitieren, der nach seinem
Sieg in South Carolina neuen Schwung er-
halten hat. Das ist zumindest die Hoffnung
vieler moderater Demokraten, die einen
Sieg von Sanders verhindern wollen. Sie
rechnen damit, dass zumindest ein Teil
von Buttigiegs Wählern zu Biden wechselt.
In den nationalen Umfragen gaben zuletzt
elf Prozent der Demokraten an, Buttigieg
wählen zu wollen.
Fraglich ist jedoch, wie stark der Effekt
solcher Wechselwähler ist. Zum einen ha-
ben viele Buttigieg-Anhänger in den Super-
Tuesday-Staaten ihre Stimme schon früh-
zeitig abgegeben. Zum anderen zeigt eine
Umfrage, dass Buttigiegs Unterstützer als
zweite Wahl mindestens so häufig Sanders
angeben wie Biden, Bloomberg oder die Se-
natorin Elizabeth Warren. Vielleicht än-
dert sich das, wenn Buttigieg selbst eine di-
rekte Wahlempfehlung für Biden abgibt.
Genau dies hat eine andere moderate
Kandidatin vor: Auch Amy Klobuchar been-
dete am Montag ihre Kampagne. Die Sena-
torin aus Minnesota hatte in New Hampshi-
re überraschend den dritten Platz belegt,
in den folgenden Vorwahlen aber kaum
mehr Wähler erreicht. Sie will nun stattdes-
sen Bidens Wahlkampf unterstützen.
Bei den demokratischen Vorwahlen er-
halten jene Kandidaten Delegierte, die in ei-
nem Bundesstaat oder in einzelnen Wahl-
kreisen mindestens 15 Prozent der Stim-
men erzielen. Der Rückzug von Buttigieg
und Klobuchar bedeutet, dass nun am Su-
per Tuesday mehr Kandidaten diese
Schwelle überschreiten könnten, weil sie
von den Stimmen der Leute profitieren,
die für einen der beiden ausgeschiedenen
Bewerber einlegen wollten.
Der komplizierte Mechanismus, nach
dem die Demokraten ihre Delegierten er-
mitteln, bringt dabei mit sich, dass selbst
manche Biden-Anhänger hoffen, dass die
Kandidaten Mike Bloomberg und Eliza-
beth Warren noch eine Weile im Rennen
verbleiben. Ihr Kalkül lautet: Indem diese
Bewerber am Super Tuesday viele Stim-
men holen, hindern sie Sanders immerhin
daran, bei den Delegierten davonzuziehen.
Pete Buttigieg braucht sich um solche takti-
schen Spiele von jetzt an nicht mehr zu
kümmern. Mit seinem frühen Verzicht hat
er sich bei vielen Demokraten Wohlwollen
erworben. Sein eigener Wahlkampf mag
zu Ende sein – seine politische Karriere ist
es wohl noch lange nicht. alan cassidy

München –AmSonntag kam Syriens Ar-
mee zu dem Schluss, dass es so nicht wei-
tergehen könne. In der Provinz Idlib droh-
ten ihr die Erfolge zu entgleiten, die sie seit
Beginn der Offensive im Dezember errun-
gen hatte: Die türkische Armee zerstörte
durch Drohnenschläge syrische Panzer
und Armeekonvois, griff Soldatenverbän-
de an, Ankaras offizielle Zahlen klangen ge-
waltig: Mehr als 2200 syrische Soldaten,
103 Panzer und acht Hubschrauber wollte
man „neutralisiert“ haben.
Diese Angaben sind nicht überprüfbar,
mögen teils übertrieben sein. Unbestreit-
bar ist aber, dass die Türkei den Rebellen
nach Wochen herber Verluste erstmals Ge-
ländegewinne ermöglichte. Die Stadt Sara-
kib etwa an der strategisch wichtigen Auto-
bahn M5, die das Regime Anfang Februar
erobert hatte, war nun wieder unter Kon-
trolle der Aufständischen, die direkte Stra-
ßenverbindung zwischen Damaskus und
Aleppo ein weiteres Mal unterbrochen.
Also ließ Damaskus ein Flugverbot für
den Norden des Landes verkünden. „Jedes
Flugobjekt, das den syrischen Luftraum
verletzt, wird als ein feindliches betrach-
tet, das abzuschießen ist“, hieß es. Kurz dar-
auf regneten tatsächlich Trümmer zweier
Jets über Idlib herab – nur waren es keine
von türkischen Flugzeugen, sondern sol-
che von syrischenSU-24. Getroffen hatte
nicht die syrische Luftabwehr, die schon so
manchmal Freund und Feind verwechselt
hat, sondern die türkische.
Mit seiner Offensive vom Wochenende
hat Ankara nach Ansicht von Experten wie
dem am Middle East Institute in Washing-
ton forschenden Charles Lister oder dem
in Syrien geborenen Autor Hassan Hassan
nicht nur Einheiten der syrischen Armee
zerstört. Sondern auch eine Schutzbehaup-
tung, die seit Jahren in westlichen Haupt-
städten gepflegt wurde: Ein Eingreifen in
Syrien – etwa durch die Errichtung von
Flugverbotszonen über den Rebellengebie-
ten, in denen Hunderttausende Zivilisten
unter den Bombardements des Regimes lit-
ten – sei kaum möglich, die Luftabwehr
des Regimes dafür zu stark. Und seit Be-
ginn der russischen Intervention im Jahr
2015 wurden Rufe nach militärischen
Schutzmaßnahmen, die hätten verhindern
können, dass nun wieder Syrer an Europas
Grenzen drängen, meist damit beantwor-
tet, dass ein Eingreifen zu einem Konflikt
mit Moskau führen würde, das den Luft-
raum über Syrien beherrscht.
An diesem Wochenende jedoch blieb
Russlands Luftwaffe am Boden – und ließ
die türkische Armee in Syrien gewähren.
Manche Beobachter neigen zu der Ansicht,
dass Moskau Ankara so etwas besänftigen
wollte, nachdem Ende vergangener Woche
36 türkische Soldaten bei einem Luftan-

griff starben, bei dem Russlands Rolle bes-
tenfalls mit unklar umschrieben ist. Ande-
re weisen darauf hin, dass Russland die
Türkei in den vergangenen Jahren trotz
des Konflikts in Syrien umworben und aus
der Nato zu lösen versucht hat.

Auf jeden Fall aber scheint Russland
kein Interesse daran zu haben, den Kon-
flikt um Idlib in einen regionalen Krieg aus-
arten zu lassen: Der teils hilflosen syri-
schen Armee kamen Moskaus Truppen am
Wochenende kaum zu Hilfe. Berichten zu-
folge zwingt Moskau seine syrischen Ver-
bündeten sogar, Konvois zu den türki-
schen Beobachtungsposten passieren zu
lassen, die bis Ende 2019 an der Waffenstill-
standslinie rund um die damalige „Deeska-
lationszone“ von Idlib lagen und nunmehr
von syrischen Truppen umschlossen sind.
Mit dem Beginn der neuen Woche hat
die russische Luftwaffe wieder Starts
durchgeführt. Auch die syrische Armee ist
an manchen Stellen etwas vorgedrungen –
die Stadt Sarakib etwa war am Montag ein
weiteres Mal umkämpft. Später rückte
dort die russische Militärpolizei ein – ver-
mutlich im Kalkül, dass die Türkei ihre Of-

fensive einstellt. Eine direkte Konfrontati-
on der beiden Mächte scheint jedoch aufs
Erste abgewendet, wenn Recep Tayyip Er-
doğan an diesem Donnerstag nach Mos-
kau reisen wird, um mit Wladimir Putin
über Idlib zu verhandeln. Erdoğan sagte
am Montag, er werde Putin treffen, um
„weiteres Blutvergießen zu verhindern“.
Vielleicht werden die Präsidenten auch
über das zweite Schlachtfeld sprechen, auf
dem sie unterschiedliche Seiten unterstüt-
zen – Libyen ist dieser Tage eng mit Syrien
verknüpft. Seit Wochen häufen sich Berich-
te, dass Erdoğan Syrer als Söldner nach Li-
byen schickt, am Montag reiste eine Grup-
pe in die Gegenrichtung: Machthaber Ba-
schar al-Assad empfing eine der raren aus-
ländischen Delegationen, dann wurde die
Wiedereröffnung der libyschen Botschaft
angekündigt. Den Vertrag unterzeichne-
ten aber nicht Vertreter der international
anerkannten und von Erdoğan unterstüt-
zen Regierung, sondern Gesandte von Kha-
lifa al-Haftar – dem selbsternannten Gene-
ralfeldmarschall und Verbündeten Mos-
kaus. Mitten in dem Konflikt trat nun auch
noch der UN-Sondergesandte für Libyen
zurück. Ghassan Salame begründete dies
mit seiner Gesundheit und „viel Stress“. Er
erklärte aber auch, zweieinhalb Jahre habe
er versucht, die rivalisierenden Lager zu ei-
nen und Einmischung aus dem Ausland zu
verhindern. moritz baumstieger

Kabul – Die Taliban in Afghanistan
wollen erst nach Freilassung von etwa
5000 Gefangenen über Frieden im Land
mit der Regierung sprechen. „Falls
unsere 5000 Gefangenen – 100 oder
200 mehr oder weniger spielen keine
Rolle – nicht freigelassen werden, gibt
es keine innerafghanischen Gespräche“,
sagte Taliban-Sprecher Sabihullah
Mudschajid am Montag per Telefon der
Nachrichtenagentur Reuters. Die USA
hatten am Samstag in Doha ein Abkom-
men geschlossen, wonach die Gefange-
nen auf freien Fuß kommen. Der afgha-
nische Präsident Aschraf Ghani wies
dies aber umgehend zurück und will
über die Gefangenen mit den Taliban
bei Friedensgesprächen verhandeln. Ob
es zu diesen Gesprächen kommt, ist
aber nach den jüngsten Entwicklungen
ungewiss. Bei einem Anschlag in der
ostafghanischen Provinz Khost starben
am Montag drei Menschen, elf weitere
wurden verletzt. Zunächst bekannte
sich niemand zu dem Anschlag. sz


Pristina– Vor der Wiederaufnahme
von Gesprächen mit Serbien hat der
kosovarische Ministerpräsident Albin
Kurti eine Aufhebung von Zoll auf serbi-
sche und bosnische Güter in Aussicht
gestellt. In einem Brief an US-Präsident
Donald Trump, der auch an US-Außen-
minister Mike Pompeo adressiert war,
teilte Kurti mit, dass der schrittweise
Abbau des Zolls am 15. März beginnen
werde. Im Gegenzug wolle er, dass Serbi-
en aufhöre, die Anerkennung Kosovos
zu blockieren und das Land daran zu
hindern, sich internationalen Organisa-
tionen anzuschließen. Sollte Serbien
kooperieren, werde Kosovo seinen Zoll
von 100 Prozent auf alle serbischen
Güter aufheben, teilte Ministerpräsi-
dent Kurti mit.ap


von alexandra föderl-schmid

Tel Aviv – Bei der Parlamentswahl in Israel
gab es zwei Überraschungen: Die eine war,
dass Ministerpräsident Benjamin Netanja-
hu mit seiner rechtsnationalen Likud-Par-
tei laut ersten Prognosen sogar mit klarem
Vorsprung die Wahl gewonnen hat. Das
blau-weiße Parteienbündnis von Benny
Gantz landete auf dem zweiten Platz. Die
weitere Überraschung war, dass zwei Drit-
tel der 6,5 Millionen Wahlberechtigten tat-
sächlich wählen gingen und die Beteili-
gung die höchste seit 21 Jahren war – ob-
wohl an diesem Montag die Israelis bereits
zum dritten Mal binnen eines Jahres zu
den Urnen gerufen wurden.
Kurz nach Schließung der Wahllokale
um 22 Uhr war noch nicht klar, ob es auch
dafür reichen würde, dass der Likud mit an-
deren rechten und religiösen Parteien eine
Mehrheit für die Regierungsbildung zu-
stande bekommt. Dafür sind 61 von 120
Mandaten im Parlament notwendig.
Das rechte Lager besteht aus Netanja-
hus Likud, der den Siedlern nahestehen-
den Jamina-Partei von Verteidigungsmi-
nister Naftali Bennett und den ultraortho-
doxen Parteien Schas und Vereinigtes Tho-
ra-Judentum. Die rechtsextreme Ozma Je-
hudit (Jüdische Kraft) scheiterte an der
Sperrklausel von 3,25 Prozent. Zum Mitte-
Links-Lager wird neben Gantz' Bündnis
Blau-Weiß, der linksliberalen Liste von Ar-
beitspartei, Merez und Gescher auch die
Vereinigte Liste der arabischen Parteien ge-
zählt.

Der ehemalige Verteidigungsminister
Avigdor Lieberman könnte mit seiner ultra-
nationalistischen Partei Unser Haus Israel
zu einer Koalitionsmehrheit verhelfen. Al-
lerdings hatte Lieberman im Wahlkampf
zuletzt ausgeschlossen, einer Regierung
angehören zu wollen, in der auch Netanja-
hu vertreten ist. Auch Gantz will in keine
Regierung mit Netanjahu eintreten und be-
gründet dies mit den Anklagen gegen ihn.
Deshalb war auch eine von Präsident Reu-
ven Rivlin favorisierte große Koalition aus
Likud und Blau-Weiß nach zwei Wahlgän-
gen nicht zustande gekommen. Blau-Weiß
war aus der Wahl im September mit 33 von
120 Mandaten als stärkste Kraft hervorge-
gangen. Der Likud kam auf 32 Mandate,
aber keines der beiden Lager hatte eine
Mehrheit für eine Regierungsbildung.
Präsident Rivlin nutzte die Aufmerk-
samkeit der Medien nach der Abgabe sei-

ner Stimme am Montag für eine Botschaft
an die Israelis. Normalerweise sei ein Wahl-
tag ein feierlicher Tag, aber nicht, wenn
binnen eines Jahres zum dritten Mal die
Bürger an die Urnen gerufen werden. „Ehr-
lich gesagt, empfinde ich heute keinerlei
Feierlichkeit. Nur ein Gefühl der tiefen
Scham euch gegenüber, den Bürgern des
Staates Israel.“ Der Präsident sprach dann
auch von sich selbst als Staatsbürger: „Wir
haben das einfach nicht verdient. Wir ha-
ben einen schrecklichen und schmutzigen
Wahlkampf wie diesen nicht verdient. Wir
haben eine endlose Phase der Instabilität
nicht verdient. Wir haben eine Regierung
verdient, die für uns arbeitet.“
Der Präsident muss nun die Frage klä-
ren, ob er Netanjahu nach den Anklagen

überhaupt mit einer Regierungsbildung
beauftragen kann. Der Generalstaatsan-
walt und das Oberste Gericht haben sich
noch nicht abschließend dazu geäußert, ob
einem Angeklagten überhaupt ein Mandat
dazu erteilt werden darf. Im Gegensatz zu

den vorherigen Wahlen ist Netanjahu nun
tatsächlich in drei Fällen wegen Bestech-
lichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt –
als erster amtierender Ministerpräsident.
Für Netanjahu beginnt daher nach dem
Wahlkampf der eigentliche Kampf vor Ge-

richt: der um das politische Überleben. Vor
der Wahl hatte ein Gericht den Prozessbe-
ginn gegen ihn für den 17. März festgelegt.
Selbst im Falle einer raschen Regierungs-
bildung hätte er nicht mehr genügend Zeit,
um ein Immunitätsgesetz in der Knesset
zu verabschieden.
Im Wahlkampf, in dem es auch um an-
gebliche Sexaffären von Gantz und heim-
lich aufgenommene, wenig schmeichelhaf-
te Einschätzungen von Beratern ging, wur-
den auch neue Details aus den Untersu-
chungen gegen Netanjahu bekannt. So soll
Netanjahu während eines offiziellen Mos-
kau-Besuchs die Rechnung in einem Res-
taurant in Höhe von 24 000 Dollar einem
Milliardär zustellen haben lassen, der an ei-
nem Tisch nebenan saß. Seine Ehefrau Sa-

ra soll noch ein Kilogramm „sehr teuren
Kaviar“ mitgenommen haben. Netanjahu
soll sich danach gerühmt haben, dass er
nie in einem Restaurant zahlen müsse.
In allen Fällen geht es um Gefälligkeiten
wie positive Berichterstattung oder Ge-
schenke von reichen Bekannten, für die Ne-
tanjahu politische Gegenleistungen organi-
siert haben soll. Das Verfahren wird Mona-
te, vielleicht Jahre dauern. Die mit dem Ver-
fahren betraute Richterin Rivka Friedman-
Feldman war an der Verurteilung des frühe-
ren Ministerpräsidenten Ehud Olmert zu
27 Monaten Haft beteiligt. Nachdem 2008
die Korruptionsvorwürfe bekannt gewor-
den waren, trat Olmert zurück. Dazu ge-
drängt hatte ihn der damalige Oppositions-
führer – Benjamin Netanjahu.  Seite 4

Duell der alten Männer


Buttigiegsteigt aus dem Rennen um die Präsidentschaft aus


Luft für Geländegewinne


In Syrien lässt Russland die türkische Armee gewähren, wohl um Ankara zu besänftigen


Mit Syrien eng verknüpft ist der
Konflikt in Libyen: Dort trat der
UN-Sondergesandte zurück

Brüssel– Vor der Vorstellung eines
EU-Klimagesetzes fordern Umweltver-
bände ein schärferes Ziel zur Einspa-
rung von Treibhausgasen bis 2030. Nur
so sei das Klimaschutzabkommen von
Paris umzusetzen, sagte Klaus Röhrig
vom Umweltverband Climate Action
Network am Montag in Brüssel. An
diesem Mittwoch will die EU-Kommissi-
on das Klimaschutzgesetz vorstellen.
Damit soll vor allem das Ziel der Klima-
neutralität bis 2050 gesetzlich festge-
schrieben werden. Klimaneutralität
bedeutet, dass die allermeisten Treib-
hausgase eingespart werden und der
Rest ausgeglichen werden muss, etwa
durch Aufforstung oder Speicherung.
Die Umweltverbände verlangen von der
EU bis 2030 eine Senkung der Treib-
hausgase um 65 Prozent im Vergleich
zu 1990. Offizielles Ziel sind derzeit
minus 40 Prozent. dpa


Seoul– Die selbst erklärte Atommacht
Nordkorea hat nach dreimonatiger
Pause seine Raketentests wieder aufge-
nommen. Nordkorea habe am Montag
zwei Flugkörper abgefeuert, bei denen
es sich vermutlich um ballistische Rake-
ten von kurzer Reichweite gehandelt
habe, teilte Südkoreas Generalstab mit
(FOTO: REUTERS). Eine genauere Analyse
werde mit den US-Behörden vorgenom-
men. UN-Resolutionen untersagen
Nordkorea die Erprobung von ballisti-
schen Raketen, die je nach Bauart auch
atomare Sprengköpfe tragen können.


Es war der erste Raketentest des wegen
seines Atomwaffenprogramms isolier-
ten Landes seit Ende November. Japans
Verteidigungsminister bestätigte die
Waffentests und sprach von zwei „ballis-
tischen Raketen“. Südkoreas Militär
bedauerte die Tests. Sie seien wenig
hilfreich, „die Spannungen auf der kore-
anischen Halbinsel zu reduzieren“.dpa


Bratislava– Nach der Wahl in der Slo-
wakei strebt der Wahlsieger Igor
Matovič eine Vier-Parteien-Koalition
an, um eine verfassungsändernde Mehr-
heit zu erhalten. Das Land brauche
einen „Paradigmenwechsel“, erklärte
der 46 Jahre alte Unternehmer. Seine
bisher oppositionelle Protestpartei
Gewöhnliche Menschen und unabhängi-
ge Persönlichkeiten war am Samstag
auf 25 Prozent der Stimmen gekom-
men. Die regierenden Sozialdemokra-
ten (Smer) waren auf 18,3 Prozent gefal-
len. Präsidentin Zuzana Čaputová lud
den Wahlsieger Matovič zu einem Ge-
spräch über eine mögliche Regierungs-
bildung ein. Matovič traf sich zu Sondie-
rungen mit dem Vorsitzenden der libera-
len Partei Freiheit und Solidarität, Ri-
chard Sulík, sowie mit Boris Kollár, dem
Gründer der rechtspopulistischen Wir
sind Familie. Zusammen mit der Partei
Für die Menschen des Ex-Präsidenten
Andrej Kiska käme das Bündnis auf 95
der 150 Parlamentssitze.dpa


Buttigiegs Problem war,
dass er bei den Minderheiten
nicht punkten konnte

DEFGH Nr. 52, Dienstag, 3. März 2020 (^) POLITIK HMG 7
Kosovo geht auf Serbien zu
Der Kampf nach der Wahl
Israels Premier Netanjahu hat mit seiner Likud-Partei die Abstimmung gewonnen, doch schon in zwei Wochen beginnt der Prozess
gegen ihn. Die Anklage wirft ihm Bestechlichkeit, Betrug und Untreue in mehreren Fällen vor – ihm droht eine lange Haftstrafe
Fraglich ist, ob der Präsident
Netanjahu mit der Bildung einer
Regierung beauftragen kann
Zum dritten Mal binnen eines Jahres waren die Israelis zur Wahl aufgerufen, hier in der Stadt Tamra, die eine arabische Bevölkerungsmehrheit hat. FOTO: AHMAD GHARABLI/AFP
Syrische Flüchtlinge versuchen sich vor den Kämpfen in der Region Idlib in Sicher-
heit zu bringen. FOTO: AP
Die vorsitzende Richterin war an
der Verurteilung des früheren
Premiers Ehud Olmert beteiligt
Verbände rügen Brüssel
Taliban widersprechen Ghani
Nordkorea testet Raketen
Viererbündnis geplant
AUSLAND

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