Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
Versteckspiel hinter Ausreden
Nr. 8/2020 Rechtsradikale Sprüche in einer
Abizeitung beschäftigen eine ganze Stadt

Ich schäme mich wieder, Deutscher zu
sein.
Tebogo Mench, Kirchzarten (Bad.-Württ.)

Wenn ein 20-Jähriger mit Abitur, befähigt
zum Studium, nicht erkennt, was er mit
der Aussage »Mir sind die Flüchtlinge
nicht wichtig. Die können verbrannt wer-
den zur Energiegewinnung« verursacht,
muss er eine höchst schäbige Geisteshal-
tung haben. Keine Entschuldigung, auch
nicht von den Eltern, Mitschülern oder
Poli tikern? Die AfD lässt grüßen.
Klaus Heck, Wachtberg (NRW)

Glückwunsch zu diesem aufwühlenden
Beitrag. Es ist schon empörend, wie un-

Warum ist das Morden möglich?
Nr. 9/2020 Deutscher Winter – Wenn aus
rechtem Hass Terror wird / Leitartikel:
Das Erstarken des rechten Terrors ist die
Folge eines Staatsversagens

Auch wenn sich die Bilder gleichen, kön-
nen wir diesen widerwärtigen Taten nur
mit aktiver Zivilcourage begegnen, um
Ohnmacht und Apathie zu verhindern.
Menschlichkeit und Empathie der großen
Mehrheit sind und bleiben die einzig über-
zeugend-entwaffnende Antwort auf die
unfassbaren Taten einzelner Psychopa-
then. In Ihrem Text wird die Täterpersön-
lichkeit als krude Mixtur aus rechtsextre-
mem Rassismus, bizarren Verschwörungs-
fantasien und diffuser Identitätsbildung
sehr anschaulich erschlossen.
Dr. Volker Brand, Bad Oeynhausen (NRW)

Die Spirale fängt mit dem Satz an: »Ich
habe nichts gegen Ausländer, aber ...« Es
endet mit Hanau.
Wolfgang Klingner, Ober-Ramstadt (Hessen)

Am Ende des Artikels »Irre gefährlich«
trifft der Barbesucher Ömer Demir mit sei-
ner verbitterten Frage: »Warum überprüft
niemand die Scharfschützenvereine?« im
Prinzip den Nagel auf den Kopf! Warum
ist in Deutschland das Morden mit legalen
Waffen immer noch möglich? Warum dür-
fen Mitglieder von Schützenvereinen ihre
(zum Teil paramilitärischen) Waffen mit
nach Hause nehmen? Zum Üben? Von den
Schützenvereins-Lobbyisten wird immer
auf die sichere Verwahrung der Waffen zu
Hause hingewiesen, aber vor einem Amok-
lauf von deren Besitzern schützt das leider
nicht. Immer wieder sind die Politiker vor
den Vertretern der Verbände eingeknickt
und haben sich auf die ihrer Meinung nach
ausreichenden Waffengesetze berufen.
Man stelle sich vor, jeder Soldat der Bun-
deswehr dürfte sein Sturmgewehr mit nach
Hause nehmen, mit der Begründung, dort
sei es sicherer als in den Waffenkammern
der Kasernen!
Georg Malkowsky, Bockenem (Nieders.)


Der Mörder von Hanau war eindeutig pa-
ranoid, seine Gedanken wahnhaft. In sei-
ner Paranoia suchte er von sich aus die
Poli zei auf und wollte Kontakt zum BND.
Anstatt harmlose Jugendliche bezüglich
ihres Marihuanakonsums zu überwachen,

täte die Exekutive gut daran, die hierdurch
gebundenen Ressourcen freizusetzen und
wirklich verhaltensauffällige Personen und
deren Aktivitäten im Netz zu observieren.
Dr. med. Christian Etzer, München

Auf sieben Seiten über den Zehnfachmör-
der von Hanau hat es der SPIEGELallen
Ernstes fertiggebracht, den Namen des Tä-
ters mindestens 35-mal zu nennen – nebst
unverpixeltem Porträt zur Illustration! So
leisten Sie einen wirkungsvollen Beitrag,
dass diese Attentäter wie auch künftige
Nachahmer – ob nun irre oder nicht –

ihren Platz in den Geschichtsbüchern fin-
den. Und darum geht’s denen ja wohl auch.
Sie sollten sich schämen.
Matt Blümel, Berlin

In Ihrem klaren Leitartikel fehlt mir die
Benennung eines weiteren Hauptverant-
wortlichen: Horst Seehofer. Dass die AfD
mit ihren kruden, fiesen, ekligen Tabubrü-
chen den politischen Boden in einen brau-
nen Sumpf verwandelt, ist eine Sache (die
wir endlich bekämpfen müssen!). Dass wir
aber einen Innenminister haben, der als
Regierungsmitglied den Satz sagt: »Migra-
tion ist die Mutter aller Probleme«, ist für
mich der größere Skandal. Wir dürfen uns
nicht wundern, wenn durchgeknallte Rech-
te sich diese Haltung zu eigen machen und
der Meinung sind, dass sie mit ihren bösen
Taten ja »nur Probleme lösen«. Herr See-
hofer sollte Verantwortung für seine wi-
derliche Haltung und seine provozieren-
den Worte übernehmen und endlich zu-
rücktreten.
Marlen Theiß, Mainz

Auch die Medien tragen eine große Mit-
schuld am Erstarken des rechten Terrors.
Wann hat man zuletzt in einer Talkshow
eine Muslimin mit Kopftuch zu einem The-
ma reden gehört, das nicht im Entferntes-

ten mit dem Islam zu tun hat? Warum lädt
man eine Muslimin mit Kopftuch nicht
zum Thema Klimawandel ein? Auf den
Fluren unserer Krankenhäuser hinter ei-
nem Putzwagen toleriert man das Kopf-
tuch, nicht aber im Fernsehen? Dieser un-
terschwellige Rassismus findet tagtäglich
statt. Solange Muslime nicht als selbstver-
ständlicher Teil unserer Gesellschaft prä-
sentiert werden, sondern nur als Stereo -
type ihrer selbst, werden sie stets als Ziel-
scheibe herhalten müssen.
Zia Masihuddin, Frankfurt am Main

Die Warnung des Leitartikel-Autors an die
Familie, Freunde, Nachbarn und Kollegen
eines potenziell rechtsextremen Einzel -
täters lautet: »Jeder von denen trägt eine
Mitschuld, weil er womöglich Zeuge von
menschenfeindlichem Gerede wurde –
und nicht energisch widersprochen oder
keinen Hinweis an die Behörden gegeben
hat, dass hier eine Hitlerkopie heranreifen
könnte.« Läge es hier im Sinne einer ef-
fektiven Koordinierung nicht nahe, für
jeden Wohnblock auch einen Wart des
Vertrauens zu berufen?
Herrmann Walterscheid, Nettersheim-Buir (NRW)

Wenn man die letzten Zeilen im Leitartikel
von Markus Feldenkirchen falsch verste-
hen will, so ist dem Denunziantentum und
der Blockwartmentalität ab jetzt Tür und
Tor geöffnet.
Dr. Gunther Kranert, Königsee (Thüringen)

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»Hanau kann immer und überall wieder passieren! Wer rechtes Gedankengut


toleriert oder sich dieser Sprache bedient, dem muss klar sein, dass auch


er Blut an den Händen hat, wenn auch nur symbolisch, denn diese Personen
sind nichts anderes als geistige Brandstifter.«
René Osselmann, Magdeburg (Sachsen-Anhalt)

DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020

MICHAEL PROBST / AP
Tatort in Hanau
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