Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1

Mehr Gewicht Chinas Anteil ...


Quellen:
IWF,
WTO,
UNWTO

... am
weltweiten
Brutto-
inlands-
produkt

... an den
weltweiten
Exporten

... an den
weltweiten
Ausgaben
für
Tourismus

2019


  1. bis 3.
    Quartal
    2003 2003 2019 2003 2018


16,3 %

4,3 %

5,8 %
2,9 %

13,1 %

19,8 %

nesischen Kreise gebe es gar keine Covid-
19-Fälle.
Hubei ausgenommen, nimmt die Be -
wegungsfreiheit allmählich wieder zu.
Mehrere Provinzen haben ihr Alarmlevel
gemäß Chinas vierstufigem System zur
Seuchenbekämpfung herabgesetzt, Lokal-
regierungen Einschränkungen gelockert.
Unternehmen locken ihre Belegschaften
mit Boni oder haben Busse gechartert, um
sie zurück an den Arbeitsplatz zu holen.
Ende Februar hatten rund 60 Prozent
der großen Konzerne die Produktion wie-
der angeschoben, unter den kleinen und
mittelgroßen Unternehmen waren es 30
Prozent. »Seit Montag ist zu spüren, dass
die Chinesen ihr Programm ausrollen«,
sagt Wuttke.
Die Zentralregierung hat einige Steuern
und Sozialabgaben temporär gemindert,
um finanzielle Engpässe bei den Unterneh-
men zu lindern. Die chinesische Zentral-
bank hat die Zinsen gesenkt. Die sechs
größten Staatsbanken wurden instruiert,
mehr Not leidenden Betrieben Zugang zu
Hilfskrediten zu gewähren; mittlerweile
stehen umgerechnet fast 105 Milliarden
Euro zur Verfügung. Die meisten dieser
Maßnahmen laufen auf höhere Unterneh-
mensschulden hinaus, die in China ohne-
hin bereits beträchtlich sind – und dem
Ziel zuwider, Finanzrisiken zu mindern,
neben der Armutsbekämpfung und dem
Umweltschutz einer von Xi Jinpings »drei
harten Kämpfen«.
»Auf mittlere Sicht werden wir wohl ei-
nen Anstieg des Schuldenniveaus sehen«,
fürchtet der Ökonom Ding Yifan vom Zen-


16


ANDREA CANALI / EPA-EFE / REX

Hamsterkäuferhaben die Regale dieses Supermarkts bei Mailand geleert.


Während sich die Italiener langsam an das Leben mit dem Virus gewöh-


nen, kommen die Schreckensnachrichten zunehmend aus der Wirtschaft.


sind jeweils Schiffe, die bis zu 20 000 Con-
tainer aufnehmen können. Deswegen hat
man in Deutschland noch gar nicht ge-
merkt, dass China ein Problem hat, weil
de facto jetzt gerade noch die Schiffe an-
kommen, die vor dem Coronavirus los -
gefahren sind.«
Dass die Volksrepublik die Krise über-
winden wird, darin sind die beiden sich
dennoch einig. »Es ist schlimm, auch lang-
fristig, aber die Chinastory ist nicht vor-
bei«, sagt Wuttke. Es gebe noch genug
Nachfrage im System.
Wie schlimm die Weltwirtschaft betrof-
fen sein könnte, sei dagegen schwer abzu-
schätzen, sagt Ding. Eine globale Rezes -
sion liege im Bereich des Möglichen:
»Schauen Sie sich die Reaktion der New
Yorker Börse an«, sagt er. »Internationale
Investoren sind nicht sonderlich rational.
Es könnte zu einer Panik kommen, zu
einer Überreaktion.«
Aus chinesischer Sicht stelle es sich so
dar, sagt Ding: »China hat ein gutes Bei-
spiel abgeliefert, wie man die öffentliche
Meinung mobilisiert und dann die Ausbrei-
tung der Pandemie kontrolliert. Aber wir
wissen nicht, ob andere Länder genauso
effektiv sein können.«
Länder wie Südkorea zum Beispiel.

Ungewöhnlich ruhig ist es in Seoul, der
südkoreanischen Hauptstadt – und leer.
Normalerweise drängen sich die Men-
schen in den U-Bahnen, sie schieben sich
nachmittags durch Einkaufszonen und sit-
zen bis spätabends in Cafés, während drau-
ßen die Leuchtreklamen blinken.
Doch es sind keine normalen Zeiten in
Südkorea, innerhalb einer Woche sind
mehr als 1600 neue Infektionen mit dem
Coronavirus bestätigt worden. Das Land
ist im Panikmodus. »Die Angst vor dem
Virus verbreitet sich im ganzen Land und
sehr viel schneller als das Virus selbst«,
schrieben Ökonomen der Citibank Anfang
der Woche.
Die Menschen meiden den Kontakt mit
anderen – und die Geschäfte. Der Kon-
sumklima-Index der koreanischen Zentral-
bank ist im Vergleich zum Januar drastisch
gefallen. »Angesichts der Unsicherheit ist

trum für Weltentwicklungsforschung des
Staatsrats von China. Eine Alternative
sehe er jedoch nicht, zumal er die Verschul-
dung als beherrschbar betrachte: »Chinas
Wirtschaft wird sich erholen – wenn nicht
im nächsten Quartal, dann im Sommer.«
Der 2016 verabschiedete Fünfjahresplan
sehe bis 2020 ein jährliches Wachstum von
6,5 Prozent vor; da die Wirtschaft in den
vergangenen Jahren aber stärker expan-
diert sei, könne das Land 2020 auch mit
einem Prozentpunkt weniger leben und
seine Ziele erreichen. Ein massives Kon-
junkturpaket, wie China es nach der Welt-
finanzkrise auflegte, hält Ding weder für
wahrscheinlich noch für notwendig.
EU-Handelskammerpräsident Wuttke
ist weniger optimistisch: »Welche Vorpro-
dukte kriegt man aus Europa? Da gibt es
ein riesengroßes Verschiffungsproblem.
Wir haben hier Ausfälle von etwa vier Wo-
chen, wo nichts rausgegangen ist. Maersk
hat 68 Schiffe abgesagt, Cosco 69, und das
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