Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
Quelle: Refinitiv Datastream Quelle: Bloomberg


  1. Febr. 2020 27. Febr. 14. Febr. 2020 27. Febr.



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0

50

45

40

55 Index-Basispunkte, ITRX

Deutsche Bank

Lufthansa

Volkswagen

Dax 30
insgesamt

Vom Virus geschwächt ...
Kursverluste großer Dax-30-Unternehmen

... von A ng st ge t r ieben
Kreditausfallversicherungen für euro-
päische Unternehmen (Anstieg durch
Risikoaufschläge)

18

schäftsterminen im Ausland wieder aus -
geladen. Und im Inland würden mittel-
oder süditalienische Firmenkunden bitten,
bloß keine Techniker oder Berater aus
Norditalien zu schicken. Wenn sich der
hysterische Ton in Rom nicht ändere, stür-
ze das Land in eine Rezession.
Dass ausgerechnet der reiche Norden
Italiens vom Virus befallen wurde, macht
die Sache nicht besser. Die am stärksten
betroffenen Regionen Lombardei und
Venetien produzieren etwa 40 Prozent
der italienischen Exporte und rund ein
Drittel der Wirtschaftsleistung. Produk -
tionsausfälle zwischen Venedig, Padua
und Mailand kann sich das Land nicht
lange leisten.
Carlo Cottarelli, Professor an der Wirt-
schaftsuniversität Bocconi in Mailand,
warnt trotzdem vor Alarmismus. »Norma-
lerweise haben solche Epidemien nur ei-
nen vorübergehenden Effekt auf die Wirt-
schaft«, sagt der ehemalige Direktor beim
Internationalen Währungsfonds.
Das wahre Problem bestehe darin, dass
das Covid-19-Virus Italien in einer ohnehin
schon geschwächten Lage treffe: »Wir ha-
ben seit 20 Jahren praktisch kein Wirt-
schaftswachstum, unsere Verschuldung ist
die zweithöchste im Euroraum«, sagt Cot-
tarelli. »Wenn die Epidemie jetzt zum zün-
denden Funken wird und die Stimmung
an den Finanzmärkten verändert, wird es
eine Kettenreaktion geben.« Mit unabseh-
baren Folgen für den Euroraum, auch für
Deutschland.

Die deutsche Wirtschaft ist bislang noch
vollauf damit beschäftigt zu analysieren,
welche Folgen der Ausbruch der Lungen-
krankheit Covid-19 in anderen Ländern
auf ihr Geschäft hat. Manche Unterneh-
men haben bereits Konsequenzen gezo-
gen: Die Lufthansa bietet ihren Mitarbei-

tern an, unbezahlten Urlaub zu nehmen,
weil viele Flüge nach Asien ausfallen. Es
gibt einen Einstellungsstopp. Ähnlich
agiert der Betreiber des Frankfurter Flug-
hafens, Fraport.
Für die deutsche Autoindustrie bei-
spielsweise ist China der mit Abstand
wichtigste Absatzmarkt. Volkswagen ver-
kauft dort mittlerweile fast 40 Prozent
seiner Fahrzeuge. Entsprechend schmerz-
haft dürfte sich der jüngste Absatzein -
bruch in der Jahresbilanz bemerkbar ma-
chen. Der gesamte Autohandel ist in
weiten Teilen des Landes zum Erliegen
gekommen.

Nach dem zwischenzeitlichen Produk-
tionsstopp fährt Volkswagen seine Werke
in der Volksrepublik nur schrittweise wie-
der hoch. Viele Betriebe laufen noch nicht
mit voller Kapazität. Es fehlt an Personal,
an Zulieferteilen, vor allem aber an der
Nachfrage. »Es nützt ja nichts, wenn wir
jetzt massenhaft Autos auf Halde pro -
duzieren«, sagt VW-Chinachef Stephan
Wöllenstein.
Auch außerhalb Chinas bekommt Volks-
wagen die Auswirkungen des Virus zu spü-
ren. Viele Zulieferbetriebe, die auch Teile
für die VW-Produktion in anderen Län-
dern herstellen, standen bis vergangene
Woche still. Da der übliche Transport auf
dem Schiffsweg mehrere Wochen dauert,
werden die Folgen des Produktionsstopps
erst im März und April sichtbar werden.
Um die dann drohenden Engpässe zu über-
brücken, lässt VW wichtige Zulieferteile
per Luftfracht an die verschiedenen Volks -
wagen-Standorte außerhalb Chinas flie-
gen. »Wir sind vorsichtig optimistisch, dass
es nicht zu einem Abriss der Lieferkette
kommt«, sagt Wöllenstein.
All die Verwerfungen zeigen jedoch,
wie stark die Industrie mittlerweile von
China abhängig ist. »Wir stoßen jetzt alle
an unsere Grenzen bei dem Versuch, uns
schnellstmöglich Alternativquellen zu er-
schließen«, sagt Ford-Deutschland-Chef
Gunnar Herrmann.
In diesem Ausmaß sei das bislang nie
nötig gewesen. Die Abhängigkeit von Chi-
na könne aber auch einen Lerneffekt aus-
lösen. Herrmann geht davon aus, dass die
Unternehmen sich künftig »bei den Lie -

Die VW-Werke in Chinawerden nur schrittweise wieder
hochgefahren. Vielerorts fehlt es an Personal, an Zulieferteilen.
Vor allem aber fehlt es an der Nachfrage.
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