Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1

E


s fängt an mit der Haltung. Damit,
wie sie dasitzen, wie sie ihren
Körper positionieren, welche Wir-
kung sie so erzielen. Wahrschein-
lich sagt die Haltung schon etwas darü -
ber aus, wie dieser Wahlkampf verlaufen
wird.
Friedrich Merz hat für das Interview ins
Haus des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin-
Mitte gebeten, er ist hier Vizepräsident.
Er sitzt in einem Besprechungsraum an ei-
nem massiven Holztisch. Während des Ge-
sprächs lässt er sich allmählich tiefer in sei-
nen Stuhl sinken, dann verschränkt er die
Hände hinter dem Kopf und lässt sie dort,
minutenlang, die Ärmel des Sakkos rut-
schen fast bis zu den Ellbogen hoch. Es ist
die Haltung eines Mannes, der sich über-
legen fühlt. Der sich seiner Sache sicher
ist, sehr sicher.


Armin Laschet hat in sein Büro in der
Düsseldorfer Staatskanzlei gebeten, er ist
hier der Ministerpräsident. Er sitzt in ei-
nem leichten Sessel, der zu einer Sitzgrup-
pe gehört. Während des Gesprächs rutscht
er mal nach vorn auf die Kante, dann lehnt
er sich zurück, dreht sich diesem Ge-
sprächspartner zu, dann dem anderen, je
nachdem, wer ihn angesprochen hat. Es
ist die Haltung eines Mannes, der gut darin
ist, Menschen für sich einzunehmen.
Merz gegen Laschet, das ist die Lage,
das wird die Auseinandersetzung. Ja, es
gibt noch Norbert Röttgen, auch er kandi-
diert für den CDU-Vorsitz, er kann reden,
versteht viel von Außenpolitik, sieht gut
aus. Am Ende aber entscheidet ein Partei-
tag, und dort geht es um den Rückhalt in
der Partei, unter den Delegierten. Da sieht
es für Röttgen bislang nicht so gut aus.

Es deutet deshalb viel darauf hin, dass
sich Ende April in Berlin alles zwischen
Friedrich Merz, 64, und Armin Laschet,
59, entscheiden wird. Wer dort gewinnt,
wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Kanz-
lerkandidat der Union, also von CDU und
CSU. Und dann womöglich Kanzler.
Der SPIEGELhat mit beiden, Merz und
Laschet, ein Gespräch geführt, jeweils ein-
zeln, für die direkte Konfrontation war es
noch zu früh. Die Fragen an beide sind
trotzdem ähnlich, stellenweise sind es die-
selben. Es sind die Fragen, die sich aus der
Zeit ergeben: nach Gerechtigkeit, Öko -
logie, dem Verhältnis zu Angela Merkel.
Es geht darum, wie die beiden dem gras-
sierenden Rassismus begegnen, wie sie
dieses Land in die Zukunft führen wollen.
Und darum, wie sie auf den jeweils ande-
ren blicken.

26 DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020


Deutschland

Die Reifeprüfung


CDUFriedrich Merz und Armin Laschet kämpfen um den Parteivorsitz und damit perspektivisch


um die Kanzlerschaft – der eine ist konservativ, der andere sieht sich
pragmatisch in der Mitte. Der Sieger könnte die Zukunft des Landes bestimmen.

NIKITA TERYOSHIN / DER SPIEGEL
Kulisse des Parteitags in Leipzig 2019: Schwerste Krise seit der Spendenaffäre
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