Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
SPIEGEL:Herr Laschet, Sie wollen CDU-
Vorsitzender und Kanzlerkandidat wer-
den, also Angela Merkel beerben. Wie ist
Ihr Verhältnis zur Kanzlerin?
Laschet:Gut.
SPIEGEL:Was war denn die größte Leis-
tung von Frau Merkel?
Laschet:Zunächst mal lenkt sie als Regie-
rungschefin in einer sehr langen Kanzler-
schaft erfolgreich eine der größten Wirt-
schaftsnationen. Die Menschen vertrauen
ihr. Und das seit bald 15 Jahren, eine Zeit-
spanne, die man nach Helmut Kohl nie
mehr für möglich gehalten hätte. Interna-
tional hat Angela Merkel in ihrer Kanzler-
schaft drei große Krisen bewältigen müs-
sen: Erst kam die Weltfinanzkrise, daraus
folgend die europäische Schuldenkrise und
dann 2015 die Flüchtlingskrise. Sie hat
Deutschland und Europa in dieser Zeit zu-
sammengehalten, trotz aller Spannungen,
die es gab. Das ist eine immense Leistung.
SPIEGEL:Und ihre größte Fehlleistung?
Laschet:In einer langen Amtszeit mit un-
terschiedlichen Regierungsbeteiligungen
gibt es im Rückblick vermutlich immer et-


  • Das Gespräch führten die Redakteure Lukas Eberle,
    Christoph Hickmann und Veit Medick in Düsseldorf.


was, was man anders hätte machen können.
Aus heutiger Perspektive, wenn man sieht,
wie wir darum ringen, den CO
²
-Ausstoß zu
reduzieren, war wohl die Reihenfolge falsch,
erst aus der Kernenergie auszusteigen und
dann aus der Kohle. Diese Entscheidung ist
aber nun unwiderruflich gefallen.
SPIEGEL:Sollte Merkel die volle Legis -
laturperiode Kanzlerin bleiben?
Laschet:Ja.
SPIEGEL:Sie sagen, Sie würden alles tun,
um einen Richtungswechsel der CDU zu
verhindern. Aber reicht ein Weiter-so?
Laschet:Es wird kein Weiter-so geben.
Nach der nächsten Bundestagswahl wird
eine völlig neue Bundesregierung gebildet,
ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel und
in neuer Konstellation. Es liegen auch ganz
andere Aufgaben vor uns. Da ist der Wett-
bewerb mit den USA und China. Hier geht
es auch um die Frage: Welches Wertesys-
tem setzt sich in der Welt durch? Weitere
Herausforderungen sind die künstliche In-
telligenz, die Energiewirtschaft, die wir ge-
rade massiv umbauen und zukunftsfähig
gestalten. Schon hier verändert sich alles,
nichts bleibt, wie es war.
SPIEGEL:Sie beschreiben Herausforderun-
gen, neue Antworten hören wir da nicht.

physisch auf viele Menschen von oben, der
Schritt hin zu »von oben herab« ist dann
nur noch ein kleiner Spin.
SPIEGEL:Aber was die Parteispitze an-
geht, kam eine sogenannte Teamlösung
für Sie ja offenbar nicht infrage.
Merz:Na langsam. Wenn in den vergan-
genen Tagen von »Teamlösung« die Rede
war, dann immer in dem Sinn, dass ich
doch bitte auf die Kandidatur für den Vor-
sitz verzichten möge. Team geht aber
auch unter meiner Führung. Für diese
Variante habe ich bei den anderen Betei-
ligten wenig Bereitschaft angetroffen.
Stattdessen hat man mich ständig gefragt,
ob ich mich nicht in ein Team einreihen
wolle, wobei immer im Unklaren geblie-
ben ist, wie ein solches Team denn ausse-
hen soll.
SPIEGEL:Was ist Ihre größte Schwäche?

Merz:Ich habe gelernt, dass ich noch mehr
zuhören muss. Und vielleicht halte ich im-
mer wieder Dinge für selbsterklärend, die
es nicht sind.
SPIEGEL:Sie halten es also für Ihre größte
Schwäche, dass Sie schlauer sind als die
meisten anderen?
Merz:Das macht ja richtig Spaß mit Ih-
nen! Lassen Sie uns mal ernst bleiben. Die
Menschen sind angesichts der Lage in
der Welt sehr verunsichert, und anders
als die Politik- und Medienprofis wie wir
sind sie in ihrem Alltag mit anderen
Dingen beschäftigt als mit Politik. Wir
müssen mehr erklären, Sachzusammen-
hänge erläutern, Schlussfolgerungen plau-
sibel machen.
SPIEGEL:Und Ihre größte Stärke?
Merz:Ich bringe Erfahrungen aus Politik
und Beruf mit in das Amt des Vorsitzen-

30 DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020

Deutschland

den der CDU, ich verstehe beide Welten,
kann Menschen zusammenführen. Und
ich denke, dass ich in der Lage bin, einen
sachlich orientierten, konturierten Wahl-
kampf zu führen, in dem politische Unter-
schiede wieder deutlich sichtbar werden.
SPIEGEL:Was ist die größte Stärke Ihres
Konkurrenten Armin Laschet?
Merz:Er regiert das bevölkerungsreichste
Bundesland sehr erfolgreich.
SPIEGEL:Und seine größte Schwäche?
Merz:Die kenne ich, aber darüber spreche
ich nicht öffentlich.
SPIEGEL:Damit zum letzten großen The-
ma – Ökologie und Klimakrise.
Merz:Das mag vielleicht in diesem Inter-
view das letzte Thema sein, aber aus mei-
ner Sicht ist es derzeit, unterhalb der Ebe-
ne von Krieg und Frieden, das politische
Thema Nummer eins.

»Hier verändert sich alles –


nichts bleibt, wie es war«


SPIEGEL-GesprächArmin Laschet, 59, über die Gefahr von rechts, NRW als Blaupause
für den Bund, den Poeten Robert Habeck und verschlampte Klausuren

Ihr Konkurrent Friedrich Merz offenbar
auch nicht. Er wirft Ihnen vor, Sie wollten
nur den Status quo verwalten.
Laschet:Es mangelt uns nicht an Analysen,
aber wir brauchen Konzepte und Ideen für
die Zukunft von Deutschland. Auf der
Grundlage diskutiere ich gern darüber, was
richtig oder falsch für unser Land ist.
SPIEGEL:Zum Beispiel worüber?
Laschet:Wir brauchen auch im Bund eine
stärkere Politik für industrielle Arbeitsplät-
ze, zur Entlastung des Mittelstands, für
Bürokratieabbau und Planungsbeschleu-
nigung, technologische Lösungen beim Kli-
mawandel, bessere Aufstiegschancen und
Nulltoleranz gegenüber Kriminellen. Das
ist meine tagtägliche Politik in Nordrhein-
Westfalen. Was will er anders machen?
SPIEGEL:Herr Merz ist Ihnen zu wolkig?
Laschet:Es reicht jedenfalls nicht, Proble-
me nur zu beschreiben. Wir brauchen Lö-
sungen, konkrete Handlungskonzepte. Für
mich zählen praktische Umsetzung und
reale Ergebnisse im Regierungshandeln.
In diesem Wettbewerb um den Parteivor-
sitz werden die Delegierten entscheiden,
ob das, was ich hier in der Praxis tue und
leiste, der richtige Weg für das ganze Land
und die Zukunft Deutschlands ist.
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