Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
SPIEGEL:Sie gelten als einer der Weg -
bereiter für Schwarz-Grün. Was haben die
Grünen gerade, was der CDU fehlt?
Laschet:Die Grünen stehen in den Umfra-
gen sehr gut da, auch weil sie als Team sym-
pathisch wirken, vor allem aber weil sie in-
haltlich in vielen Fragen relativ wenig ein-
bringen. Ohne Position erhalten sie eben
auch keinen Widerspruch. Die Grünen sind
nicht in Regierungsverantwortung, müssen
nicht konkret handeln und können sich so
zu jedem Thema, das sie besetzen wollen,
betont gefühlig äußern. Besonders beliebt
sind ja die philosophischen Betrachtungen
eines Poeten aus dem Norden. Das klingt
ganz gut, verliert aber bei genauem Zuhö-
ren oder Nachfragen schnell an Substanz.
SPIEGEL:Sie meinen Robert Habeck. Wie
kommen Sie gegen das grüne Hoch an?
Laschet:Im Bundestagswahlkampf sind
die Grünen gezwungen, endlich mal kon-
kret zu werden. Da wollen die Menschen
dann zum Beispiel wissen: Wie können
wir Industrieland bleiben? Wo kommt der
Strom her? Wie erhalten wir unsere Auto-
mobilindustrie als Schlüsselbranche? Wie
vertreten wir unsere Interessen in der
Welt? Ich höre da schon ein: Nicht so
schnell, da müssen wir erst mal die Inte-
ressen der Protestgruppen und Bürgerini-
tiativen berücksichtigen. Aber Politik ver-
langt Entscheidungen. Diese Sachdebatten
müssen wir führen.
SPIEGEL:Ein Thema, mit dem Sie die
CDU klar aufstellen wollen, ist der Kampf
gegen rechts. Hat Ihre Partei die Gefahr
eines militanten, gewaltbereiten Rechts -
extremismus zu lange unterschätzt?
Laschet:Das ganze Land hat die Bedro-
hung unterschätzt. Zu Beginn des Jahr -
tausends ist der NSU mordend durch das
Land gezogen, und niemand hat wahrge-
nommen, dass hier die politisch Rechten

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SPIEGEL:Also müsste sich die Politik bei
Greta Thunberg bedanken, die die Auf-
merksamkeit auf das Thema gelenkt hat?
Merz:Sie hat eine ganze junge Generation
aufgewühlt. Und auch ich bin bewegt,
wenn ich sehe, wie sich ein junges Mäd-
chen so engagiert. Aber man muss ihr auch
widersprechen, wo es notwendig ist.
SPIEGEL:Nämlich?
Merz:Ich widerspreche ihrer Behauptung,
dass ihrer Generation die Jugend geraubt
worden sei. Diese Jugend hatte die beste
Jugend, die es überhaupt jemals in diesem
Teil der Welt für eine Jugend gab.
SPIEGEL:Wie lässt sich die Klimakrise
noch bewältigen? Müssen alle verzichten?
Merz:Den Herausforderungen des Klima-
wandels können wir nur mit modernster
und neuester Technologie begegnen. Ich
meine mich zu erinnern, dass sich Greta


Thunberg sogar schon positiv zur Nutzung
der Kernenergie geäußert hat.
SPIEGEL:Werben Sie für eine Renaissance
der Atomenergie?
Merz:Nein, das tue ich ausdrücklich nicht,
das Thema ist in Deutschland durch. Aber
vielleicht sehen wir in den kommenden
Jahren technologische Entwicklungen, die
ganz neue Chancen bieten. Es gibt hier in
Berlin am Institut für Festkörper-Kernphy-
sik zum Beispiel die Entwicklung eines so-
genannten Dual-Fluid-Reaktors, der sogar
in der Lage wäre, abgebrannte Brennstäbe
wiederzuverwenden, deren Halbwertszeit
dann auf wenige Jahrzehnte reduziert wür-
de. Und ich rate uns, in allen diesen Fragen
technologieoffen zu sein und keine künst-
lichen Tabus zu errichten. Da muss die
CDU zur Not auch in harte Auseinander-
setzungen mit den Grünen gehen.

SPIEGEL:Was stört Sie an den Grünen?
Merz:Stören ist der falsche Ausdruck. Sie
sind mir einfach zu technikfeindlich und
zu rückwärtsgewandt. Wir können nicht
zurück zu einfachen und vorindustriellen
Strukturen. Deshalb müssen wir mit den
Grünen darüber streiten, wie wir denn mit
einer vernünftigen Klimapolitik ein Indus-
trieland bleiben können. An der deutschen
Automobilindustrie zum Beispiel hängt je-
der siebte Arbeitsplatz in diesem Land.
Und da können wir den Verbrennungs -
motor nicht im Jahr 2030 verbieten. Sorry,
das ist in weniger als zehn Jahren. Ist das
wirklich ernst gemeint? Mit allen Folgen
für Millionen Arbeitsplätze? Auf diese
Auseinandersetzung freue ich mich jetzt
schon.
SPIEGEL:Herr Merz, wir danken Ihnen
für dieses Gespräch.

Ministerpräsident Laschet: »Mein Vater war Bergmann«

MARCUS SIMAITIS / DER SPIEGEL
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