Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
sphäre. Darum möchte ich nicht mehr
dazu sagen.
SPIEGEL:Zurück zu Nancy und Derek Hay-
som: Haben Sie die beiden getötet?
Söring:Absolutely not. Nein, überhaupt
nicht.
SPIEGEL:Wer war es dann?
Söring:Das weiß ich nicht. Ich war nicht
dabei. Die forensischen Beweismittel sa-
gen, dass mindestens zwei andere Männer
am Tatort waren. Das wissen wir von den
DNA-Spuren, das wissen wir aber auch
von den Schuhabdrücken. Es gibt kein ein-
ziges forensisches Beweismittel, das mich
mit dem Tatort verbindet.

Söring hat über seine Version der Ereignis-
se mehrere Bücher geschrieben. Er habe
Elizabeth schützen wollen, behauptete er
schon 1990 im Prozess. Vor Gericht erklärte
er damals, sie habe ihre Eltern getötet und
ihm die Details erzählt. Aus Liebe habe er
ihr versprochen, die Schuld auf sich zu neh-
men und sie vor der Hinrichtung zu bewah-
ren. Als Sohn eines Vizekonsuls habe er da-
rauf gehofft, Immunität zu genießen, nach
Deutschland abgeschoben und dort zu
einer Jugendstrafe verurteilt zu werden.

SPIEGEL:Bevor wir über die Bedeutung der
DNA-Spuren sprechen, lassen Sie uns klä-
ren, was unstrittig ist. Am Tatort wurde Blut
der Gruppe 0 gefunden, das ist auch Ihre
Blutgruppe. (Söring nickt.)45 Prozent der
amerikanischen Bevölkerung hatten damals
Blutgruppe 0. Das Blut der Gruppe 0 könn-
te von Ihnen stammen, muss es aber nicht.
Söring:So wurde es auch vor Gericht ge-
sagt. Derek Haysom hatte Blut der Blut-
gruppe A, Nancy hatte Blut der Blutgrup-
pe AB, Elizabeth hatte Blut der Blutgrup-
pe B. Der einzige Mensch, der mit dem
Fall zu tun hatte, im Gerichtssaal stand
und Blut der Blutgruppe 0 hat, war ich.
SPIEGEL:Ihre letzten Worte im Gerichts-
saal waren: »I’m innocent«, ich bin un-
schuldig. Das ist der Stand bis heute.
(Söring nickt.)

2005 startete in Virginia ein Programm,
das alte Kriminalfälle mithilfe neuester
DNA-Methoden untersuchen sollte. 2009
war Sörings Fall an der Reihe. Die Aus-
gangslage war schlecht: Etliche Blutspuren
waren vernichtet worden oder unbrauch-
bar. An den übrigen wurde keine DNA ge-
funden, die Jens Söring zuzuordnen war.
Außerdem, sagt Söring, habe es am Tat-
ort Schuhabdrücke gegeben, die nicht von
ihm stammen können. Auch das, argumen-
tiert er, deute darauf hin, dass Unbekannte
am Tatort gewesen seien.

SPIEGEL:Was beweist die DNA-Überprü-
fung Ihrer Meinung nach?
Söring:Die Ergebnisse von 2009 beweisen
herzlich wenig. Die sagen nur, dass die

59

THE BRUNSWICK COUNTY DETENTION CENTER

QUELLE: YOUTUBE, CREDIT: ICE

SHEPARD SHERBELL / CORBIS VIA GETTY IMAGES

Zwei Beamte führen Söring nach fast 30 Jahren in amerikanischen Strafanstalten
in die Abschiebehaft. Im Gefängnis hat er exzessiv Sport getrieben, Kontakte
zu Journalisten in Deutschland und den USA geknüpft und mehrere Bücher ver -
öffentlicht. Das Essen sei überall ungenießbar, sagt er. Am schwersten zu
ertragen sei für ihn die Sinnlosigkeit gewesen.


Die Haft

Free download pdf