Der Spiegel - 29.02.2020

 Drei Tage lang tobte in Delhi der Mob. Gewalttätige Männer
zogen, bewaffnet mit Eisenstangen, Molotowcocktails und
Pistolen, durch die Straßen. Nun sieht es im Nordosten der indi-
schen Metropole fast so aus wie nach einem Krieg: Autos sind
verkohlt, Häuser beschädigt. Auf den Straßen liegen Steine. Der
Geruch von Rauch hängt in der Luft.
Die Kämpfe waren hauptsächlich religiös motiviert. Muslime
und Hindus gingen aufeinander los, wobei zu den Opfern vor
allem Muslime gehörten: Moscheen brannten, Journalisten
wurden zusammengeschlagen. Sie mussten sich als Hindus zu
erkennen geben, damit die Angreifer von ihnen abließen.
Panische Bewohner verließen ihre Häuser. Mehr als 30 Men-
schen starben bislang, mehr als 200 wurden verletzt. Es waren
die schlimmsten Ausschreitungen in der Stadt seit 1984.

Es mag Zufall gewesen sein, dass die Gewalt gerade dann aus-

brach, als US-Präsident Donald Trump zu Besuch war. Dass die

Lage eskalieren könnte, hatte sich allerdings abgezeichnet.

Seit Monaten schürt die hindunationalistische BJP von Pre-

mier Narendra Modi Hass und Misstrauen gegen Muslime.

Die Regierung hat ein Staatsbürgerschaftsgesetz verabschiedet,

das die Zugehörigkeit der rund 200 Millionen Muslime infrage

stellt, Indiens größter Minderheit. Modi unterstellte Demons-

tranten, die gegen das Gesetz protestieren, Lügen zu verbreiten.

Ein Staatsminister forderte seine Anhänger auf: »Erschießt die

Verräter!« Genau dieser Satz ist zum Slogan der Randalierer

geworden. Als Auslöser für die Gewalt gilt zudem die Rede eines

BJP-Politikers am Sonntag. Darin drohte er, dass sie losschlagen

würden, sobald Trump das Land verlassen habe.

Hinzu kommt, dass Bürger in Indien oft leicht Zugang zu

Waffen haben und die Polizei dem Gewaltausbruch großenteils

freien Lauf ließ, sich mutmaßlich sogar an Verbrechen beteilig-

te. Indien ist ein Vielvölkerstaat. Menschen unterschiedlichen

Glaubens leben hier zusammen. Doch der soziale Frieden

ist fragil. Spannungen können jederzeit zu offenen Konflikten

werden. Modis BJP tut derzeit alles dafür, dass genau das

passiert. Laura Höflinger

Die Hassprediger

AnalyseIn Indien sind Hindus und Muslime

aufeinander losgegangen. Die Regierung trägt eine

Mitschuld an den Ausschreitungen.

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Ausland

DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020

COSTAS BALTAS / REUTERS

Heftige Schlachten lieferten sich Demonstranten und Polizisten diese Woche wegen eines geplanten Flüchtlingslagers

auf der griechischen Mittelmeerinsel Lesbos. Die Polizisten waren im Schutz der Dunkelheit angekommen, um

den Bau eines geschlossenen Lagers und Abschiebezentrums zu sichern. Doch die Inselbewohner wollen kein neues

Camp zulassen, sie protestierten teils gewaltsam und warfen Brandsätze auf das Eingangstor des Polizeistützpunkts.