Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
Vermögen* der verbleibenden
US-Präsidentschaftsbewerber

Republikanisch

Demokratisch

Pete
Buttigieg

Tulsi Gabbard

Bernie Sanders

Amy Klobuchar

Joe Biden

Elizabeth Warren

William F. Weld

Tom Steyer

Donald Trump

Michael Bloomberg

*geschätzter Maximalwert
Quellen: Forbes, OpenSecrets

60 Mrd. $


Gut situiert


1,7 Mrd.


1,5 Mrd.


70,2
Mio.

11,1

7,9

2,3

1,8

0,6

0,2

Mittel der landesweiten Umfragen nur
knapp hinter dem früheren Vizepräsiden-
ten Joe Biden auf dem dritten Platz. Wäh-
rend Bidens Werte seit Wochen sinken,
steigen Bloombergs an. Am kommenden
Dienstag, wenn Demokraten in 14 Bun-
desstaaten ihren Favoriten wählen, darun-
ter in Kalifornien, Texas und Virginia, tritt
Bloomberg zum ersten Mal an. Es ist seine
große Bewährungsprobe.
Am Super Tuesday wird rund ein Drittel
der Delegierten für den Nominierungs -
parteitag der Demokraten gewählt. Bloom-
berg muss es idealerweise schaffen, an
Biden vorbeizuziehen und auf den zwei-
ten Platz hinter Bernie Sanders zu kom-
men, wenn er weiter im Rennen bleiben
möchte. An diesem Dienstag zeigt sich, ob
Bloombergs große Wette aufgeht: Kann
ein alter Milliardär, der als kühl bis arro-
gant gilt, die Herzen der demokratischen
Wähler erobern und schließlich gegen
Trump antreten?

Bloombergs Kalkül ist, das Land mit Wer-
bung zu fluten, bei den Vorwahlen mög-
lichst viele Delegiertenstimmen zu sam-
meln und dann auf dem Nominierungspar-
teitag im Juli in einer Stichwahl unter den
verbliebenen Bewerbern zum Sieger des
moderaten Lagers gekürt zu werden, ge-
wissermaßen als letzte Hoffnung gegen
den Sozialisten Bernie Sanders. Mehr als
400 Millionen Dollar hat der achtreichs -
te Mann der USA nach Recherchen der
»New York Times« bislang für Werbespots
und Veranstaltungen ausgegeben, mehr
als alle Mitbewerber zusammen. Sein Auf-
stieg in den Umfragen ist vor allem mit
Geld erkauft.
In mancher Hinsicht ähnelt Bloomberg
Donald Trump. Beide stammen nicht aus
dem Establishment der Partei, sondern
benutzen sie als Vehikel für die Karrie re.
Trump hat Demokraten unterstützt, be -
vor er für die Republikaner kandidierte,
Bloomberg spendete an Republikaner und
wechselte mehrfach die Partei. Erst seit
vergangenem Jahr ist er wieder Demokrat.
Beide verbreiten ihre Botschaften direkt
ans Volk, das erspart unangenehme Fragen
von Journalisten. Bloomberg sieht sich wie
Trump als Macher, der sich nicht von Kon-
ventionen einhegen lässt. Und er besitzt
wie dieser einen Hang zum Autoritären.
Im Gegensatz zu Trump hat Bloomberg
sein Geld selbst erarbeitet, nicht ererbt. Er
unterstützte damit zahlreiche liberale Ini-
tiativen und setzte sich unter anderem für
schärfere Schusswaffengesetze und die
gleichgeschlechtliche Ehe ein. Als Bürger-
meister von New York dehnte er zwar die
Regeln, setzte sich aber nicht über rechts-
staatliche Grundsätze hinweg. Anders als
Trump zählt Bloomberg zum New Yorker
Establishment, was auch mit seiner Kar-
riere an der Wall Street zusammenhängt.


Der Sohn eines jüdischen Immigranten
aus Polen arbeitete dort zunächst als Tra-
der und Tech-Experte. Als ihn die Invest-
mentbank Salomon Brothers 1981 vor die
Tür setzte, gründete er mit der Abfindung
von zehn Millionen Dollar einen Finanz-
informationsdienst. Bald stand auf fast
jedem Schreibtisch an der Wall Street ein
Bloomberg-Terminal, über das Kurse und
News flimmerten. Mittlerweile ist Bloom-
berg LP ein globaler Medienkonzern mit
Radio- und TV-Sendern, dem Ma -
gazin »Businessweek« und ei ner
Nachrichtenagentur mit 2700
Reportern und Analysten
weltweit. Bloomberg besitzt
88 Prozent des Unterneh-
mens, er hätte mit seinem
Vermögen einen angeneh-
men Ruhestand verbrin-
gen können.
Die Frage ist: Warum
wirft sich jemand, der
fast alles hat, in die
Schlammschlacht eines
Wahlkampfs? »Bloomberg
wollte schon immer Präsi-
dent werden«, sagt seine Bio-
grafin Joyce Purnick. »Ich habe
mit Leuten gesprochen, die erzähl-
ten, wie er bereits im College davon re-
dete. Das war keine Hoffnung oder ein
Traum. Das war eine Vorhersage«.
Zunächst aber wurde er 2002
Bürgermeister von New York.
Seine zwölf Jahre im Amt
standen im Zeichen der
Terroranschläge des 11. Sep-
tember. Bloomberg emp-
fahl sich mit Law-and-
Order-Sprüchen als Nach-
folger des damals in der
Stadt als Helden verehr -
ten Rudy Giuliani. Er trat
als Republikaner an, eine
Koalition aus konservativen
und moderaten Wählern hiev -
te ihn ins Amt, dieselbe Wähler-
gruppe, die Bloomberg auch heute
wieder ansprechen will.
Bloomberg computerisierte die Kom-
munalbürokratie und verwandelte das
Milliardendefizit der Stadt in einen Über-
schuss. Unter seiner Ägide sank die Mord-
rate auf den Stand der Fünfzigerjahre.
Gleichzeitig riss seine Politik soziale Grä-
ben auf. Er säuberte zwar die Stadt, be-
handelte die Bürger aber oft wie Kinder.
Kritiker empfanden das als »freund lichen
Autoritarismus«. Berüchtigt waren seine
»Bloomberg Bans«: Rauchverbote in Knei-
pen, Verbot der Verwendung von Trans-
fettsäuren in Restaurants, Handyverbote
in Schulen. Er verbot sogar schwarze Teer-
pappe auf Dächern.
Widerstand war zwecklos. »Er hörte
einem nicht zu, er war stur«, erinnert sich

DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020 77
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