Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1

Sassou-Nguesso wegen des Verdachts auf
Korruption, Veruntreuung von Staats -
geldern und Geldwäsche im Visier.
Bei der Durchsuchung eines Pariser
Autohauses fand die Polizei heraus, dass
Etoka im Jahr 2012, offenbar unter dem
fiktiven Namen »Pierre Etoka«, zwei
Landrover für zusammen 148 000 Euro
gekauft hatte. Sie vermutet, dass die SUV
»im Namen der Familie Sassou-Nguesso
und ihrer Verwandten« erworben wurden.
Etoka bestreitet die Vorwürfe. Die Wagen
seien für ihn bestimmt gewesen.
Vor anderthalb Jahren beschlagnahm-
ten die Ermittler dann Dokumente bei der
Bank BNP Paribas, die weitere verdächti-
ge Geschäfte belegen. BNP hatte Etokas
Firmen früher Kredite gewährt. Zuletzt
brach sie die Geschäftsbeziehungen zu
dem Mann ab – wegen des »engen Freund-
schaftsverhältnisses zur Ehefrau des kon-
golesischen Präsidenten«. Zudem seien die
Gewinne von Etokas Geschäften mit der
staatlichen SNPC zu hoch gewesen. Etoka
dagegen behauptet, BNP hätte seine Kon-
ten aufgrund von US-Sanktionen gegen
die Bank geschlossen.
Die Bande zwischen Etoka und den Sas-
sou-Nguessos dürften erklären, warum der
Unternehmer in den Ngoki-Block inves-
tierte. Ein ehemaliges hochrangiges Regie-
rungsmitglied bezeichnete Etoka gegen-
über dem SPIEGELals »Strohmann« des
Präsidenten.
Vielleicht glaubten die beiden wirklich,
dass sich im Ngoki-Block Öl fördern lässt.
Wahrscheinlicher aber ist, dass sie den
wahren Wert des Gebiets erkannten: die
Lage im zweitgrößten Regenwald der Welt,
für dessen Erhalt reichere Länder bereit
sind, viel Geld zu bezahlen.
Im Jahr 2015 gründeten die EU,
Deutschland, Norwegen, Frankreich und
Großbritannien mit sechs afrikanischen
Ländern die sogenannte Zentralafrikani-
sche Waldinitiative. Sie soll helfen, den
Regenwald zu erhalten. Die Initiative be-
zahlt die Nehmerländer unter anderem da-
für, dass sie Rodungen stoppen. Auch die
60 Millionen Euro, die Präsident Macron
voriges Jahr versprach, sollen über die
Waldinitiative abgewickelt werden.
Die Staaten verstärkten ihre Bemühun-
gen, als Wissenschaftler vor einigen Jahren
erstmals das Torfmoor im Kongobecken
vermaßen und dabei feststellten, dass dort
rund 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff
gespeichert sind.
Sassou-Nguesso und Etoka dürfte spä-
testens nach der Vermessung des Torfmoo-
res klar geworden sein, auf welchem
Schatz sie da saßen. Der Ngoki-Block liegt
am Rande des sensiblen Ökosystems.
Der Präsident inszenierte sich nun plötz-
lich als Klimaschützer. Er legte 2017 einen
Umweltfonds (»Fonds bleu«) zum Schutz
des Kongobeckens auf, in den andere


Länder einzahlen sollen. Deutschland be-
teiligt sich am Aufbau, wie das Protokoll
einer Vorbereitungssitzung zeigt. Laut Um-
weltministerium fließen dafür 550 000
Euro.
Sassou-Nguesso habe den Umweltfonds
gegründet, »um das Geld für sich zu neh-
men«, behauptete das Ex-Regierungsmit-
glied gegenüber dem SPIEGEL. Reiche
Staaten mit hohem Umweltbewusstsein
seien die Zielgruppe. Der Ngoki-Block er-
fülle dabei den Zweck, den Druck auf
Europa zu erhöhen, nach dem Motto:
»Wenn ihr uns kein Geld gebt, zerstören
wir den Dschungel. Es sind Banditen.«

Im Jahr 2018 schloss Etoka mit dem
französischen Dienstleister SMP Drilling
einen Vertrag über Explorationsarbeiten
ab. Im Ngoki-Block wurde ein Bohrturm
errichtet, wie Videoaufnahmen auf der
Website des Projekts zeigen. Etoka habe
versichert, die nötigen Mittel mithilfe des
Präsidenten zu besorgen, sagte der Justiz-
direktor der Firma, Christian Cottenceau,
gegenüber Mediapart.
Nach seinen Angaben wurde die erste
Bohrung ab März 2019 durchgeführt,
unter schwierigsten Umständen. Die Ar-
beiter hätten lange Zeit nichts zu essen
und keine Unterkünfte in dem unwirt -
lichen Gebiet bekommen. Die Bohrung

hätte sich auch deswegen monatelang
verzögert.
Als die Genehmigung am 31. Mai 2019
auslief, waren die Arbeiten noch im Gange.
Machte aber nichts: Am 26. Juli erließ Prä-
sident Sassou-Nguesso rückwirkend ein
Dekret, das die Genehmigung für Ngoki
»außerordentlich« um ein Jahr verlängerte.
Im August 2019 endete die Tätigkeit von
SMP. Ob die Firma Öl gefunden hat und
wenn ja, wie viel, will sie nicht sagen.
Doch selbst wenn – es wäre noch viel zu
früh gewesen, um eine Aussage über die
Qualität des Ölvorkommens zu treffen.
»Eine Bohrung reicht nicht aus. Sie muss
durch zwei oder drei weitere Bohrungen
bestätigt werden«, sagt der französische
Branchenkenner Xavier Houzel.
Experten sprechen von sogenannten
Produktionstests. Doch die gab es laut
SMP nicht. Die Firma wurde nach eigenen
Angaben nicht voll bezahlt und hat eine
Klage gegen Etokas Ölgesellschaft einge-
reicht. Sie fordert 4,5 Millionen Euro. Ein
Gericht in Brazzaville hat die vorläufige
Beschlagnahme des Firmenvermögens von
Etoka angeordnet. Etoka sagt dagegen auf
Anfrage, er habe alle Rechnungen bezahlt.
Trotz all der Probleme verkündete der
Unternehmer im August den angeb li -
chen Riesenfund im Ngoki-Block. Bis zu
983 000 Barrel am Tag ließen sich dort pro-
duzieren, behaupteten seine Leute. Es gehe
darum, die »energiepolitische Unabhängig-
keit des Kongo zu stärken«, sagte Etoka.
In den vergangenen Wochen hat das
EIC Fragenkataloge an alle Beteiligten ge-
schickt. Die Zentralafrikanische Wald -
initiative antwortete, ihr Geld werde von
den Vereinten Nationen nach den »höchs-
ten internationalen Standards« verwaltet.
Das Bundesumweltministerium teilte
mit, es unterstütze mit seinen Förderange-
boten »keine Regierungsinstitutionen«.
Präsident Sassou-Nguesso ließ die Frage
unbeantwortet, ob er den Ölfund nur auf-
gebauscht habe, um an die Entwicklungs-
hilfe zu gelangen.
Die entlarvendste Antwort kam von
Wilfrid Etoka. Mit dem Recherchen kon-
frontiert, erklärte er, dass die maximale
Fördermenge im Ngoki-Block wohl doch
nur 140 000 Barrel Öl am Tag betragen
werde, mithin ein Siebtel der im Sommer
verkündeten Zahlen. Damit lieferte Etoka
im Grunde den Beleg, dass die Meldung
vom riesigen Ölfund im Ngoki-Block ein
Schwindel war.
Das Projekt soll natürlich trotzdem
weitergehen. Etoka unterstrich, dass es
sich bei dem Ölfund nicht um »irgendeine
Propaganda« handle, sondern um »ver -
läss liche Daten, die bald durch laufende
Produktionstests bestätigt werden«.
Sven Becker, Fritz Schaap
Mail: [email protected]

82 DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020

Ausland

SIMON LEWIS / UNIVERSITY LEEDS
Moorgebiet im Kongo
Sensibles Ökosystem

D.R.
KONGO

Brazzaville

ANGOLA

REP.
KONGO
GABUN

KAMERUN

Torfmoor im
Kongobecken

Probe-
bohrung

AFRIKA

250 km
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