Der Spiegel - 29.02.2020

(Jeff_L) #1
DER SPIEGEL Nr. 10 / 29. 2. 2020 91

Sport


 Der englische Fußballverband gab jüngst
bekannt, dass fortan Kinder im Grund-
schulalter keine Kopfbälle mehr trainieren
dürfen, Jugendliche nur noch einge-
schränkt. Es sei eine Präventivmaßnahme,
um die Gefahr von Gehirnverletzungen
und entsprechenden Langzeitschäden zu
minimieren, hieß es.
Die Entscheidung sorgte international
für Schlagzeilen – und besorgte Eltern.
Doch ist sie überhaupt angemessen?
Für den Neurologen Claus Reinsberger,
45, ist das Verbot ein »Schnellschuss,
für den es bislang keine wissenschaft -
lichen Belege gibt«. Die Entscheidung
des englischen Verbands fußt auf einer
Studie der Universität Glasgow aus
dem vergangenen Jahr, der zufolge Fuß-
baller ein erhöhtes Risiko für Demenz
und Alzheimer haben. Reinsberger:
»Dabei bleibt völlig unklar, warum das
so ist. Kopfbälle sind nur eine mögliche
Erklärung.« Bei der Studie seien
zum Beispiel soziokulturelle Faktoren

wie Alkoholkonsum, Medikamenten -
einnahme oder ungesunde Ernährung
nicht berücksichtigt worden.
Reinsberger leitet das Institut für Sport-
medizin an der Universität Paderborn und
forscht seit vielen Jahren zu Kopfverlet -
zungen im Sport. Sein Resümee: Beim The-
ma Kopfbälle gibt es immer noch mehr

Fragen als Antworten. »Wir wissen, dass
sich das Gehirn durch wiederholte Kopf-
bälle verändert, was aber an sich nicht
schockierend ist, denn jedes lebende Gewe-
be reagiert auf einen chronischen Reiz.
Was wir noch nicht wissen, ist, ob und
wenn ja, ab welcher Intensität es patholo-
gisch wird.« Darüber hinaus gebe es große
individuelle Unterschiede. »Gehirn ist
nicht gleich Gehirn«, sagt Reinsberger.
In Deutschland empfiehlt der Deutsche
Fußball-Bund Kopfballtraining erst ab
dem 13. Lebensjahr, ein Verbot – wie
auch in den USA bis zum 11. Lebensjahr –
gibt es bislang nicht.
Reinsberger sieht in frühzeitigem, ad -
äquatem Training eher »einen zentralen
Schutzfaktor« vor Verletzungen. »Eine
gut ausgebildete Nackenmuskulatur kann
die Gefahr einer Gehirnerschütterung
und ihre Folgen nachweislich reduzieren.»
Was das Maß beim Kopfballtraining
betrifft, rät der Experte zu gesundem
Menschenverstand und ausreichend
Pausen zwischen den Einheiten: »Am
besten fragen Eltern nach dem Training
nach. Klagt das Kind über Kopfbrum-
men oder Schwindel, war es eindeutig
zu viel.« WIN

Doping macht erfinderisch: Erklärungen von Sportlern, wie verbotene Substanzen in ihren Körper gelangten, sind
zum Teil obskur. Manche Mittel zur Leistungssteigerung machen offensichtlich vergesslich. Der britische Lang -
strecken-Olympiasieger Mo Farah trainierte beim umstrittenen und jüngst gesperrten Starcoach Alberto Salazar. Farah,
inzwischen zurückgetreten, soll dabei L-Carnitin gespritzt bekommen haben, was nur in einer geringen Menge
erlaubt ist. Jetzt kam in einer BBC-Dokumentation heraus, dass er die Einnahme zunächst mehrmals vehement ab-
gestritten hatte, kurz darauf aber zugab: »Tut mir leid, ich habe es damals genommen, ich dachte, ich hätte es nicht.«

»Das Gehirn verändert sich«


Gut zu wissenIst es eine gute Idee, Kopfbälle im Fußball zu verbieten?


KINZIE RIEHM / PLAINPICTURE / IMAGE SOURCE

Die Asthma-
spraydose
ihrer Mutter
sei explodiert,
und sie selbst
habe dann
wohl das Mittel
eingeatmet.

Ivonne Kraft,
deutsche
Mountainbike-
Fahrerin, bei
der 2007 das
Asthmamittel
Fenoterol nach-
gewiesen wurde:

REUTERS (2) / DPA PICTURE-ALLIANCE / IMAGO

Skurrile Dopingausreden


Kurz vor dem
Test habe er
viermal Sex
mit seiner Frau
gehabt. »Es
war ihr Ge-
burtstag, sie
hatte eine
Belohnung
verdient.«

Sara Errani,
italienische
Tennisspielerin,
die 2017 positiv
auf das doping-
verschleiernde
Letrozol getestet
wurde:

Das Krebs-
medikament ihrer
Mutter sei ihr ins
Tortelliniwasser
gefallen.

Dennis Mitchell,
US-Sprinter, bei
dem 1998 ein
zu hoher Testos-
teronwert fest-
gestellt wurde:

Tyler Hamilton,
US-Radrennfahrer,
bei dem 2004
fremde Blutzellen
gefunden wurden:

Dies liege an
Stammzellen
seines noch
vor der Geburt
verstorbenen
Zwillingsbruders.
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