Frankfurter Allgemeine Zeitung - 14.03.2020

(Nancy Kaufman) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Finanzen SAMSTAG, 14.MÄRZ 2020·NR.63·SEITE 25


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In Asien undAustralien wurden


mit viel Geld die Märkte


stabilisiert.


Wenn Bankenwanken, soll die


Einlagensicherung helfen. Die


aber benachteiligt Aktionäre.


In allen Ligen Europasruht der


Ball, nur in der Bundesligasoll


nochmal gekicktwerden.


Auch die Formel 1verliert


das Wettrennengeg en


das Coronavirus.


GELDSPRITZE FÜR DIEMÄRKTE SCHUTZ FÜR DIESPARER

Dax
in Punkten

12.3.20 13.3.20
F.A.Z.-Index 1675,13 1683,99
Dax 30 9161,13 9232,08
M-Dax 20168,02 20256,48
Tec-Dax 2320,98 2360,54
Euro Stoxx 50 2545,23 2586,02
F.A.Z.-Euro-Index 92,45 94,42
Dow Jones 21200,62 23185,62
Nasdaq Index 7201,80 7874,88
Bund-Future 176,32 173,40
Tagesgeld Frankfurt -0,51%-0,48 %
Bundesanl.-Rendite 10 J. -0,74%-0,59 %
F.A.Z.-Renten-Rend. 10 J. --0,31 %
US-Staatsanl.-Rend. 10 J. 0,79%0,98 %a
Gold, Spot ($/Unze) 1577,18 1530,37
Rohöl (London $/Barrel) 32,76 34,99b
1Euro in Dollar 1,1240 1,1104
1Euro in Pfund 0,8862 0,8907
1Euro in Schweizer Franken 1,0549 1,0608
1Euro in Yen 116,84 119,11
a) Ortszeit 16 Uhr, b) Ortszeit 22 Uhr

Bundesanleihe
Rendite 10 Jahre

16.12.19 13.3.20 16.12.1 91 3.3.20

„WIE AFFEN IM ZIRKUS“

W


ie gern würde man sichals
Verbraucher in Deutsch-
land über das billigeÖl
freuen!Auch wenn der Preisrutsch
an denRohölmärkten nicht eins zu
eins an denTankstellen in Deutsch-
land undinden Rechnungen der Heiz-
öl-Lieferanten ankommt, so sind
dochdeutlicheFolgen zu spüren. Ben-
zin und Diesel sind im Durchschnitt
erheblichbilliger als nochvor zwei
Monaten.Auch werjetzt seinen Heiz-
öltankgefüllt bekommt,kann sparen.
Die Commerzbank hat ausgerechnet,
wenn Öl so billig bleibt,wäre das für
die Verbraucher in Deutschland wie
eine Lohnerhöhung um 0,7 Prozent.
Das könnteauchdie Wirtschaftstüt-
zen –wenn, jawenn nicht auf der an-
deren Seitedie Ausbreitung des Coro-
navirus deutlichstärkerenegativeEf-
fekteauf Konsum und Bruttoinlands-
produkt haben dürfte. Dieser Effekt
wirdalles dominieren,räumt auch
die Commerzbank ein. ImVergleich
zu den absolut außergewöhnlichen
Maßnahmen zur Eindämmung der
Pandemie spielt das billigereÖldann
dochwohl nur eine untergeordnete
Rolle.Zumal dasVirus unddie er war-
tete nAusfälle auf Seiten der Ölnach-
frageneben dem Preiskrieg der An-
bieterschließlich aucheine wichtige
Ursache für das billigeÖlist.

VOLLBREMSUNG

die KanzleiQuinn EmanuelUrquhart
&Sullivan der PrivatbankM.M. War-
bung in Sachen Cum-Ex zur Seite
steht?

der aktivistische AktionärCarlIcan
seine Beteiligung an OccidentalPe-
troleumvon2,5 auf 10 Prozent er-
höht hat?

die Bundeskunsthallein Bonn eine
große Ausstellung zum Thema„Wir
Kapitalisten. VonAnfang bisTurbo“
eröffnethat?

eine neue Umfrageder Dating-Platt-
form Gleichklang.de.zeigt, dass50
Prozent der Befragten sichdurch das
Coronavirus in ihrerPartnersuche
beeinflusst sehen.

derVerbandderVeran staltungswirt-
schaftmit Absagenvonrund 80 000
Veranstaltungenrechnetund der
Schadenrund 1,25 Milliarden Euro
betragenkann.

der Bankenstresstestwegender Co-
rona-Krise erst mal verschoben ist?

Iran auf Grundder Virus-Krise erst-
mals seit den 1960er Jahren Hilfe
beim InternationalenWährungs-
fonds beantragt hat?

das ThemaDeutschlandfondswie-
der an Dynamikgewonnen hat.Der
UnionsfraktionsvizeCarsten Linne-
mann nannteeine Größenordnung
vonbis zu 100 Milliarden Euro?

es unbedingteineHauptversamm-
lunggeben muss, damit auchnur ein
Cent Dividendefließenkann, die
Telekom an ihrer Hauptversammlung
festhält, Conti aberverschiebt? ins.

Billiges Öl


VonChristian Siedenbiedel

S


ollten Moskau und Riad das al-
les so geplant haben, dann
mussman ihnen gratulieren.
Die amerikanischen Öl-Fracker
haben nacheiner ohnehin
schlechten Phase einer der schlimmsten
Wochen überhaupthinter sich. Viele
kämpfen jetzt ums wirtschaftlicheÜberle-
ben: Siestreichen Dividenden undkürz en
Investitionen.Fachleutesehen jetzt eine
Welle vonNotverkäufenvoraus.
OccidentalPetroleum,einer dergro-
ßen Namen imFracking-Metier derVerei-
nigtenStaaten,verlor in diesem Monat al-
lein zwei Drittel seines Börsenwertsund
istnun Ziel einerAttackedes aggressiven
InvestorsCarlIcahn. Apache büßte
knapp dreiViertelein seit den Jahres-
höchststand vorachtWochen.
Werdie Kursverläufeder amerikani-
schen Ölaktien seit Jahresbeginn betrach-
tet, sieht überall dasgleicheMuster. Am


  1. Januar setzteein steter Niedergang ein.
    EndevergangenenWochefielen die Ak-
    tienvonder Klippe, nachdemRussland
    und Saudi-Arabien ihreKooperationauf-
    gekündigt hatten und sichnicht aufweite-
    re Kürzungenverständigten.Nach dem be-
    reits katastrophaleAbsturz, bei dem eini-
    ge Werte50Prozent und mehrverloren,
    ging es in dieserWocheweiter nachun-
    ten, nachdem Präsident DonaldTrump
    ein zunächst30Tagewährendes Einreise-
    verbotaus der Europäischen Union ver-
    hängt hatte.
    Nunsteigt die Sorge,die negativeEnt-
    wicklungkönnteauf die Anleihemärkte
    überschwappen. Einigeunabhängige Öl-
    förderer haben sichamAnleihemarkt mit
    teuren Hochzinsanleihenverschuldet.Des-
    halbgrassiertdie Befürchtung, siekönn-
    tenihreSchulden nicht mehr bedienen.
    Nach einer Analyseder Deutschen Bank
    stellen Energieunternehmen elf Prozent
    des Marktes für Hochzinsanleihen und da-
    mit dengrößten Sektor.Die Hälfte davon
    sindUnternehmen mit dem Schwerpunkt
    Exploration und Ölförderung, die hoch-
    sensibel auf Preisentwicklungenreagie-
    ren. Zwei Drittelvonihnengalten nach
    Definition der Deutschen Bank bereits am
    vergangenenFreitag als notleidend (Spre-
    ad mehr als 1000 Basispunkte). Analysten
    des Instituts spekulieren nun, die Schwie-
    rigkeiten der schuldenbeladenen Ölförde-
    rerkönnten dieganze Anleiheklasse der
    Hochzins- oder Junkbonds nachunten zie-
    hen. Gerade passiveAnlegerkönnten ihr
    Geld zurückziehen und damit eineKetten-
    reaktion auslösen, fürchten die Deutsche
    Bank-Analysten.
    Waresdas, wasRussland erreichen
    wollte? Präsident Wladimir Putin hat
    schon oftklargemacht,waservon der
    amerikanischen Schieferöl-Industrie hält.
    Die Fracking-Technologie sei „barba-
    risch“, sagteerimNovember auf einem
    Forum; in einigen Gebieten, in denen auf
    dieseWeise Schieferölgewonnenwerde,
    laufekein Wasser aus dem Hahn, sondern
    „schwarze Brühe“.
    Ähnlichdürftedas IgorSetschin sehen,
    der Chef desstaatlichkontrolliertenund
    größtenrussischen ÖlkonzernsRosneft.
    Setschin arbeitet seit Anfang der neunzi-
    gerJahremit Putin zusammen, gilt als ei-
    ner seiner engstenVertrautenund damit
    als einer der mächtigsten MännerRuss-
    lands. Setschin kämpft spätestensseit
    Ende 2016gegendie Fracking-Industrie.
    Damals hatte sichRussland mit der Orga-
    nisation erdölexportierender Länder
    (Opec) aufFörd erkürzungengeeinigt, um
    den Ölpreis zustabilisieren. Diese Zusam-


menarbeit spiele bloßden Vereinigten
Staaten in dieHände und sei eine„strategi-
sche Bedrohungfür Russland“,schrieb Set-
schin Ende 2018 an Putin. Man überlasse
den Ölmarkt den Amerikanern, lautet
sein Argument,deren Ölförderung sich
dank hoherPreise prächtig entwickeln
könne,währendrussischeUnternehmen
Investitionen zurückhalten müssten.
Viele russischeFachleute sehen daher
Setschin als Hauptgrund für das Schei-
tern der Verhandlungen zwischenRuss-
land und dem Opec-Anführer Saudi-Ara-
bien an, das zum massiven Einbruchdes
Ölpreises führte.

Russengeben sichkonfliktfreudig

Russische Analysten, aber aucheinzelne
Vertreterder Ölbranche hatten zunächst
schockiertauf die Entscheidung ihrerRe-
gierunggegendie Opec reagiert. Am Don-
nerstag aber demonstriertendie Konzern-
führer bei einemTreffenimrussischen
Energieministerium Einigkeit undKamp-
feswillen: Ein niedriger Ölpreis seikein
Problem, lautete der Tenor.Wenn Saudi-
Arabien Kriegwolle, könne es den haben.
Voneiner baldigenRückke hr zuVerhand-
lungen mit der OpecwarkeineRede.
Die russische Ölbranchekann sichsol-
chen Optimismus einerseits erlauben.
Diegesamten Produktions- undTrans-
portkosteneines Barrels (Fasszu159 Li-
ter) russischen Öls liegen nur beietwa 15
Dollar;zudem profitiertdie Exportbran-
chevon demfallendenRubelkurs.Außer-
demverringertsichmit sinkendem Öl-
preis dieSteuerlast. Allerdingskann Russ-
land, wasdie Produktionssteigerung an-
geht, nicht mit Saudi-Arabien mithalten:
höchstens 500 000 Barrelmehr amTag
und damit insgesamt knapp 11 Millionen
Barrelkönnen dierussischenUnterneh-
menfördern. Saudi-Arabien will 12,3 Mil-
lionen BarrelamTag zurVerfügungstel-
len, 2,5 MillionenFass mehr als nochim
Februar.Das sei nur möglich,wenn das
Land auchÖlaus Lagernzur Verfügung
stelle, weil die Kapazitätsgrenzen des
Landes für die Ölförderung bei ungefähr
12 Millionen BarreljeTag lägen, sagt Gio-
vanni Staunovo,Ölanalystder Bank UBS.
Dem Kremlkommen dieTurbulenzen
indesgelegen: Als Argument dafür,dass
RusslandStabilität brauche und Putin per
Verfassungsänderung nochweiter eAmts-

zeiten ermöglichtwerden sollten. Putin
versicherte dann auchdiese Woche, Russ-
landwerdediesePeriode „würdig“ über-
stehen. Das allerdings hängt davonab,
wie langeder Preiskrieg dauert. Die Zen-
tralbank hat zwar seit der letzten Ölpreis-
krise 2014 enormeReservenvon 570 Mil-
liarden Dollar aufgebaut und denRubel-
kurs entkoppelt;die Staatsverschuldung
istniedrig, ebenso die Inflation. Dochist
dieseStabilität zumindestteilweise auf
Kosten der Bevölkerung erreicht worden,
etwadurch S teuererhöhungen; dieReal-
einkommen sind wie dieWirtschaftseit
Jahrenkaum gewachsen. All das sorgt zu-
nehmend für Unzufriedenheit, die sich
auchinPutinsZustimmungswertennie-
derschlägt.Deshalb hatte ergroße Investi-
tionsprogramme und einen „Durch-
bruch“ in allen Lebensbereichenverspro-
chen. Das wirdmit einem niedrigen Öl-
preis, der mit denFolgen der Corona-Kri-
se dieReservenschmelzen lässt,deutlich
schwieriger sein.Nacheiner Analysevon
IHS Markit fußtRusslandsRegierungs-
haushalt auf einem Ölpreisvon42Dollar
je Fass.Aktuell liegt der Preis bei gut 33
Dollar.Saudi-Arabien braucht sogar noch
mehr,wenn es seine ambitionierte Vision
2030 umsetzen will, die für denradikalen
Umbau der Volkswirtschaftbinnen 20
Jahrensteht.
Vieles spricht dafür,dassRussland und
Saudi-Arabien durch die Aufkündigung
der Kooperation eine Leidensgemein-
scha ft allergroßen und kleinenProduzen-
tenund derVolkswirtschaftenorganisiert
haben, die überproportionalvomÖlab-
hängen. DieFrageist,wer die Entwick-
lung am bestenüberlebenkann.
In denVereinigtenStaaten bemühen
sichÖlförderer umStaatshilfe. Anvor-
derster Front dieser Initiativesteht Ha-
rold Hamm, Chef und Großaktionärvon
ContinentalResources und Berater und
früherFörderer DonaldTrumps. Er be-
schreibt das Vorgehen derRussen und
Araber alsVersuch, dieglobalePandemie
zu nutzen, um die amerikanischeFra-
cking-Industrie zu zerstören. Dochdas
werdenichtgeschehen, die Produzenten
würden aktivwerden. Tatsächlichhaben
sie schon in einerResolutionTrumpsRe-
gierung aufgefordert, ein Anti-Dumping-
Verfahrengegendie ausländischeKonkur-
renz einzuleiten. DieRede istaber auch
davon, dassdie Regierung durch Ölkäufe

ihrestrategische Reserve aufstocken
könnte oder diePachtraten für Ölbohrun-
genauf Bundesland senkenkönnte.
SchließlichforderneinzelneUnterneh-
mer Finanzspritzen.Zeitungen berichten,
dassÖlförderer dasWeiße Haus seit Be-
ginn derWochemit Anrufen beschäfti-
gen. Es istaber unklar,obdie Branche
mit ihren Bemühungen Erfolg haben
wird. Die Demokraten haben sichlaut-
starköffentlichdagegen positioniert: Sie
wollen nicht Milliardären helfen, sondern
Arbeitnehmern, istdie vonNancyPelosi,
der Sprecherin desRepräsentantenhau-
ses, ausgegebene Losung.
SelbstPräsident DonaldTrumpscheint
nichtkomplett überzeugt zu sein. Er lobte
nochindieserWoche in einer Pressekon-
ferenz denniedrigen Ölpreis, der einegrö-
ßereWirkung habe als eineSteuersen-
kung. Tatsächlichhatten niedrigeÖlprei-
se für die amerikanischeKonjunktur in
den verg angenen JahrengemischteErgeb-
nisse produziert. Sie stützten denKon-
sum und hieltengleichzeitig den Energie-
sektorvonInvestitionen ab.

In Deutschland wirdTanken billig

WasDeutschland betrifft,ist die Frage
spannend:Kann Deutschland alsgroßer
Ölimporteur womöglichder „lachende
Dritte“ beim Preiskrieg zwischenRuss-
land und Saudi-Arabien sein–sowie die
VereinigtenStaaten mit ihrenFrackern
ein wichtiger Leidtragender sein dürften?
Immerhin hat der Preiskrieg mit dem
Ölpreis-Kollaps in der zurückliegenden
Wochedurchaus schon positiveFolgen
für Verbrauchergezeitigt–nur werden sie
überlagertvon den negativenAuswirkun-
gender sichausbreitenden Corona-Epide-
mie. Der Benzinpreis beispielsweise ist
zum zweiten Mal inFolgeauf Wochen-
sicht deutlichgesunken, wie derAutoklub
ADAC berichtet.Super E10kostetezu-
letzt 1,308 EurojeLiter ,sobilligwares
nochnie in diesem Jahr.Und der Preis für
Dieselfiel bis 1,158 EurojeLiter ,auch
das istein Langzeittief. Immerhin fühlte
sichder ADAC schon bemüßigt, die Leu-
te in Deutschland zuwarnen, dasssie kei-
nen Sprit unsachgemäß daheim in irgend-
welchen Behälternbunkernsollten.
„Kraftstoffedaheim zu lagernkann le-
bensgefährlichsein, da schnell entzündli-
cheDämpfeleicht aus denReservebehäl-

tern entweichen können“, warnte ein
Sprecher.Den Heizöltank aufzufüllen,
wenn er leer ist, und man einen Händler
in Zeiten wie diesen zu einer Lieferung
bewegenkann, istdagegen sicherlich
klug. Heizölkostetezuletzt 54 Euroje100
Liter bei derAbnahmenvon3000 Litern,
wie das InternetportalHeizoel24 berich-
tet, an das 500 Ölhändler ihrePreise mel-
den. ImVergleichzum „Schwarzen Mon-
tag“ amWochenbeginn istder Preis da-
mit wiederetwasgestiegen.Aber im län-
gerfristigenVergleichist das immer noch
ziemlichbillig.Noch zum Jahresanfang,
in anderen Jahren oftdie günstigste Zeit
zum Heizölkauf, hatteder Preis nochbei
fast 70 Euroje 100Liter gestanden.
Weitet man den Blickvom einzelnen
Verbraucher auf die Gesamtwirtschaft,
dannstellt sichdie Frage, ob das billige
Öl für Importländer wie Deutschland
auchals Konjunkturprogramm wirken
kann. Mit dieserFragehat sichdie Com-
merzbank in einerStudie beschäftigt.Sie
kommt immerhin auf das Ergebnis, der
Ölpreiskollaps senkedie deutsche Ölrech-
nungumeinenBeitrag,der0,9Prozent
des Bruttoinlandsproduktes entspreche.
„Das dürftefreilichnicht verhindern,
dassdas Bruttoinlandsprodukt in
Deutschland und im Euroraum sowohl im
ersten als auchimzweiten Quartal
schrumpfen wird“, sagt JörgKrämer,der
Chefvolkswirtder Commerzbank.
Immerhin dürfteder Ölpreisrutsch
auchAuswirkungen auf die Inflation in
derEurozone haben, wie Christine Lagar-
de,die Präsidentin der EuropäischenZen-
tralbank, am Donnerstag auf ihrer Presse-
konferenz andeutete.Die Commerzbank
hat versuchsweise mal ausgerechnet,was
mit der ohnehin eher niedrigen Inflations-
rate passieren würde,wenn der Ölpreis in
der Nähe von30Dollar bliebe. Im März
und April würde die Inflation immerwei-
terinRichtung null sinken, so istihrePro-
gnose.UndimMai könntesie dann auf
die psychologischwichtigeMarkevon 0
Prozentfallen und damitvermutlichwie-
der Deflationsängste schüren.
Für Verbraucher hingegen habe der
niedrigereÖlpreis sogar so ähnliche Ef-
fektewie eine Lohnerhöhung, berichtet
die Commerzbank:Undzwar, wenn es
beim billigen Öl bleibe, so entspreche der
Effekt einer Lohnerhöhung um ungefähr
0,7 Prozent.Theoretischkönntedas den
Konsum ankurbeln–aber wohl nicht in
dieser Situation. Commerzbank-Chef-
volkswirtKrämer meint:„Der Ölpreis-
rutschentsprichtrechnerischeiner Lohn-
erhöhung um 0,7 Prozent–aber das än-
dertnichts daran, dassdie Menschenwe-
gender Corona-Epidemieverunsichert
sind.“ Sie dürften für einigeMonateRe-
staurants, Hotels und Flughäfen meiden.
Diese drei Sektorenstünden im Euro-
raum aber immerhin für fünf Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. „Fielen dieUm-
sätze in diesem Bereichfür drei Monate
um 30 Prozent, dann würde das Bruttoin-
landsprodukt allein deshalb um andert-
halb Prozentgedrückt“, sagt Krämer.Hin-
zu kämenweniger Exporte nachChina
und mögliche Produktionsunterbrechun-
gendurch fehlende Zulieferungen aus
demAusland. DasResümee des Ökono-
menfällt deshalb eher skeptischaus: Der
Ölpreisrückgang seikein Konjunkturpro-
gramm–und dürftenichtverhindern,
dassdas Bruttoinlandsprodukt in
Deutschland sowohl im ersten als auch
im zweiten Quartalmerklichschrumpfen
werde. „Lachender Dritter“ in einem Öl-
preiskrieg zu sein klingt anders.

Die Börse


Schon gehört,dass ...


Der Kampfum


den Ölpreis


Russlandund Saudi-Arabienliefern sicheinen Preiskampf umsÖl.Wer


hatden längerenAtem?Für Amerikas Frackerjedenfalls wirddas billige


Öl zumDesas ter. Vielleichtkann Deutschlandprof itieren.


VonWinandvonPetersdorff,Washington, Christian Siedenbiedel,Frankfurt,


und MarieKath arinaWagner,Moskau


30

40

50

60

70

50

55

60

65

70

Öl

1.1.2020 13.3.2020 1.1.2020 13.3.2020 1.1.2020 13.3.2020

SorteBrent,inD ollar jeBarrel

Heizöl

Benzin

in Euro je 100 Liter,
bei 3000 Litern Abnahme

Super E10inEurojeL iter

1,30

1,35

1,40

1,45

FrackinginInglewood,VereinigteStaaten

Quelle: Bloomberg/Foto:Bloomberg/F.A.Z.-Grafik Niebel
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