Handelsblatt - 11.03.2020

(singke) #1

150


MILLIONEN
Euro Umsatz macht
der Darmstädter Optik-
konzern
Isra Vision im Jahr.

Quelle: Isra Vision

sind vollständig transparent“,
schreibt ISS-ESG-Anwalt Rieken in ei-
ner Stellungnahme ans Gericht, die
dem Handelsblatt vorliegt. Investo-
ren würden aus der Note „D“ nicht
herauslesen, dass Isra Vision zu den
schlechtesten Unternehmen am
Markt in puncto Nachhaltigkeit gehö-
re.
Der Hinweis auf fehlende Infor-
mationen zu ESG-Faktoren sei für
viele professionelle Anleger ebenso
wichtig wie die Informationen
selbst. Indikatoren wegen fehlender
Informationen nicht zu bewerten,
wie es Isra Vision fordert, sei keine
Option, schreibt Anwalt Rieken wei-
ter. Das „würde für die Unterneh-
men den falschen Anreiz setzen, ne-
gative Performance-Aspekte zu ver-
schweigen, um so ein verfälschtes
besseres Gesamtergebnis zu bewir-
ken“. ISS ESG betont: „Die Analys-
ten suchen auch aktiv das Gespräch
mit den jeweiligen Unternehmen
während des Ratingverfahrens, um
ihnen die Gelegenheit zu geben, die
Ergebnisse zu kommentieren und
weitere Informationen zur Verfü-
gung zu stellen.“
ISS verweist im Streit mit Isra Visi-
on auf ein Positivbeispiel: den Licht-
konzern Osram, den die Agentur mit
„B–“, also „gut“, bewertet. Osram
veröffentlicht unter anderem einen
66 Seiten starken Nachhaltigkeitsbe-
richt. Der wesentlich kleinere Report
von Isra Vision lasse dagegen „auf-
grund seiner Substanzlosigkeit“ nicht
den Schluss zu, dass das Unterneh-
men „das Thema Nachhaltigkeit
strukturiert und nachdrücklich an-
geht“. Isra-Anwalt Matthes verweist
jedoch darauf, dass Osram mit über
25 000 Mitarbeitern und einem Jah-
resumsatz von vier Milliarden Euro
ganz andere Möglichkeiten habe als
ein Mittelständler, Nachhaltigkeits -
reports zu erstellen. Der Ansatz von
ISS „führt daher zu einer strukturel-
len Bevorzugung großer Unterneh-
men“, kritisiert er.
Ökoratings sind nur ein Teilbereich
von Green Finance – doch der Rechts-
streit sagt viel aus über den Hype,
den das Thema Nachhaltigkeit in der
Finanzbranche ausgelöst hat. Die EU-
Kommission arbeitet derzeit an einer
Taxonomie, die auch Vorgaben ma-
chen könnte, wie Unternehmen über
Nachhaltigkeitsziele zu berichten ha-
ben. In der Branche warnen viele da-
vor, dass Brüssel zu strikte Vorgaben
macht. Solange es keine Regeln gibt,
definiert jedoch jeder das Thema
Nachhaltigkeit anders. Neuer Streit ist
vorprogrammiert.


Aktien

Mehr Dividende für Anleger


Nach dem Kursrutsch wegen
Corona steigt der
Renditeabstand zwischen
Aktien und Anleihen in
Deutschland auf Rekordhöhe.

Frank Wiebe Frankfurt

D


ie DZ-Bank bringt in einer
neuen Studie einen interes-
santen Vergleich: „Weltweit
werden rund 1,6 Billionen Dollar an
Dividende ausgeschüttet. Damit
könnte man alle Dax-Unternehmen
kaufen und hätte noch 350 Milliar-
den Dollar übrig.“
Weltweit steigen die Ausschüttun-
gen nach Berechnungen der Bank
um vier Prozent, obwohl die Unter-
nehmensgewinne im Durchschnitt
nicht zugelegt haben. Die deutschen
Unternehmen werden dagegen mit
47,2 Milliarden Euro vier Prozent we-
niger als im Vorjahr ausschütten.
„Die nachlassende Dynamik des
Welthandels und sektorspezifische
Probleme haben die industrie- und
exportabhängigen deutschen Unter-
nehmen gebremst“, heißt es in der
Studie.
Die Summe bezieht sich auf den
sogenannten H-Dax. Der setzt sich
zusammen aus dem Dax, also dem
Aktienindex mit den Top-30-Unter-
nehmen, dem M-Dax mit den mittle-
ren Unternehmen und dem TecDax
für die Tech-Unternehmen. Er um-
fasst rund 100 Unternehmen, wobei
es leichte Schwankungen gibt, weil
TecDax-Titel zum Teil gleichzeitig in
den anderen beiden Indizes enthal-
ten sind und im H-Dax nicht doppelt
gezählt werden. Dabei haben zwei
Unternehmen ihre Dividenden deut-
lich gekürzt, was zusammen einen
Unterschied von rund drei Milliarden
Euro ausmacht: die Deutsche Tele-
kom und Daimler. Die Telekom hat
die Dividende von 70 auf 60 Cent ge-
kürzt, Daimler sogar von 3,25 Euro
auf 90 Cent.
Die Telekom hat 2019 zwar sehr
gut verdient, aber sie braucht im lau-
fenden Jahr viel Geld für die Ersteige-
rung von Frequenzen in Deutschland
und in den USA. Bei Daimler brach
dagegen der Gewinn im Vorjahr um
rund zwei Drittel ein. Gründe dafür
waren unter anderem hohe Investi-

tionen in neue Technik und Altlasten
aus der Dieselaffäre. Nach dem Kurs-
einbruch wegen des Coronavirus lie-
gen die Dividendenrenditen, also
Ausschüttung bezogen auf den Kurs,
wieder bei den historischen Durch-
schnittswerten. Für den Dax errech-
net die Bank einen Durchschnitt von
3,6 Prozent, für den Euro Stoxx 50
mit den 50 Schwergewichten im
Euro-Raum sind es sogar 4,1 Prozent.
Weil die Anleiherenditen zugleich ge-
sunken sind, liegt der Renditevor-
sprung derzeit bei 4,5 Prozentpunk-
ten.
Diese Differenz bezeichnet die
Bank als „extrem hoch und nahe den
Rekordwerten“. Die Bank warnt aber,
dass in vielen Fällen Gewinne und
damit auch Dividenden unter der Co-
ronakrise leiden könnten. Interessant
sind auch die Verschiebungen zwi-
schen den Branchen. Finanz- und
Tech-Unternehmen schütten tenden-
ziell immer mehr aus, Firmen aus
den Bereichen Energie und Kommu-
nikation immer weniger.
Die DZ-Bank findet Dividendentitel
„attraktiv und für einen langfristigen
Vermögensaufbau unerlässlich“. Zu-
gleich warnt sie vor möglichen Rück-
schlägen und rät dazu, die Ausschüt-
tungen im Blick zu halten und das
Portfolio entsprechend anzupassen.
Hohe Dividendenrenditen können
ein Zeichen für die Finanzstärke ei-
nes Unternehmens sein. Manchmal
entstehen sie aber auch durch einen
Fall des Aktienkurses und bringen
somit einen Vertrauensverlust der

Anleger zum Ausdruck. Das kann
sich auf einzelne Titel beziehen, auf
Branchen oder, wie im Fall der Coro-
nakrise, auf den gesamten Aktien-
markt.
Deutsche Autotitel haben zum Bei-
spiel hohe Dividendenrenditen, so-
weit sie noch hohe Dividenden zah-
len, weil die Anleger die Probleme
der Branche sehen – vom schwäche-
ren Welthandel über die Umstellung
auf Elektrotechnik bis zum Abgas-
skandal. Beim Vergleich von Aktien
ist außerdem wichtig, dass Aktien-
rückkäufe de facto eine Alternative
zu Ausschüttungen sind. Die Unter-
nehmen pumpen damit ja Geld in
den Markt, der ihren Aktionären in
Form von höheren Kursen zugute-
kommt.
Hohe und weit verbreitete Rück-
käufe waren zeitweise dafür verant-
wortlich, dass die Kurse gestiegen
sind. Weil damit die Zahl der Aktien
verringert wird, steigt aber entspre-
chend auch der Gewinn je Aktie, so-
dass die populäre Kennzahl Kurs/Ge-
winn je Aktie (KGV) nicht entspre-
chend angewachsen ist. Wer auf
Aktien mit hohen Ausschüttungen
setzt, wird auch bei speziellen Fonds
fündig. Dividendenstrategien gelten
als defensiv, also als vorsichtig. Sie
sind verwandt mit anderen defensi-
ven Konzepten wie etwa dem Value-
Ansatz, der auf unterbewertete Ak-
tien abzielt, oder Low-Vola-Ansätzen,
bei denen es auf Papiere mit unter-
durchschnittlichen Schwankungen
ankommt.

Daimler-Zentrale: Der Konzern hat die Dividende kräftig gekürzt.

AFP

 
    
 
 



  

 


 



 

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MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
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