Ihr seid viel stärker als ihr denkt

(mfitzner) #1

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nen vermittelten Stereotypen zu stellen und sich gegen sie zu wehren, dann
kann sich die Perspektive auf das Stottern grundlegend verändern. Das zeigen
alle in dieses Buch aufgenommenen Beiträge.


Wichtig war uns von Anfang an, den Autor_innen zu vermitteln, dass uns
durchaus auch Beiträge interessieren, die mit positiven Aspekten des Stotterns
einhergehende Ambivalenzen und Brüche schildern. Die Texte sollten nicht um
jeden Preis ‚heile Welten‘ darstellen. Denn auch mit einer veränderten Haltung
gegenüber der bei Erwachsenen in der Regel nicht mehr heilbaren Redefluss-
Störung wird schließlich nicht unvermittelt alles bisherige durch sie bedingte
Leid ungeschehen gemacht und das Leben mit einem Mal ausschließlich leicht.
Die größte Herausforderung für viele unserer Autor_innen war offenbar genau
das, nämlich in ihren Texten weder alle Probleme zu ignorieren, die ihr Leben
mit dem Stottern geprägt hatten, noch umgekehrt und ungeachtet unserer The-
menstellung schlicht bei dieser Problematik zu verharren, ohne positive Aspek-
te auch nur zu erwähnen oder wenigstens ernsthaft und nachdrücklich in Erwä-
gung zu ziehen. In einem von Wolfgang Wendlandt und vier Patient_innen für
diesen Band verfassten, aus mehreren Einzeltexten bestehenden Beitrag spricht
Ersterer in einem kurzen Vorsatz eine Hürde an, die in der Zusammenarbeit zu
überwinden war. Nach einer ersten „wenig ergiebig[en] Niederschrift“ habe er
als Therapeut erst Raum schaffen müssen, um „Widerstände und Vorbehalte
dem Thema gegenüber [...] artikulieren und die unversöhnliche Sichtweise dem
eigenen Stottern gegenüber“ ausdrücken zu können. Erst dann sei der „Schreib-
prozess“ fortgesetzt worden^6. In Form der zuvor genannten Herausforderung
für unsere Autor_innen sind wir auf eine ähnliche Problematik gestoßen. Als
Herausgeber haben wir daher mit unseren begrenzteren Möglichkeiten immer
wieder einen vergleichbaren Prozess anzustoßen versucht. Ohne in irgendeiner
Weise therapeutisch arbeiten zu können, haben wir doch unser Bestes getan,
noch vorhandene „Widerstände und Vorbehalte dem Thema gegenüber“ abzu-
bauen. Als Ergebnis liegen nun vierzehn Texte und vier Interviews vor, die die
angesprochenen Hürden bewältigt haben.


Bei allen ihren Unterschieden kennzeichnen sie zugleich einige Gemeinsam-
keiten. Geradezu eine Konstante stellt die in vielen Texten formulierte Auffas-
sung dar, dass die Bewältigung der zahllosen Schwierigkeiten, die Stottern im


(^6) Vgl. den Beitrag von Wendlandt et al. in diesem Band.

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