12 DER SPIEGELNr. 2 / 8.1.
CHAPPATTES WELT
Schadensbegrenzung
der Hohenzollern
GESCHICHTE Der Vorschlag
der Hohenzollern, die Stiftung
Preußische Schlösser und Gär-
ten (SPSG) möge eine Ausstel-
lung über die Familie im 20.
Jahrhundert und damit auch die
Nazizeit zeigen, ruft in Potsdam
nicht nur Begeisterung hervor.
Offenbar misstraut die Landes-
regierung der plötzlichen
Imageoffensive Georg Friedrich
von Preußens, der die Kollabo-
ration seiner Vorfahren mit den
Nazis jahrelang herunterge-
spielt hat. Zwar sei die Ausstel-
lungsidee »durchaus reizvoll«,
sagt Manja Schüle (SPD), Bran-
denburgs Wissenschaftsministe-
rin und Chefin des SPSG-Stif-
tungsrats. Allerdings verwahrt
sie sich gegen jede inhaltliche
Einflussnahme des ehemaligen
Kaisergeschlechts. Die Familie
habe bisher »großen Wert auf
die Feststellung gelegt, dass sie
nie gefordert habe, Einfluss auf
die Darstellung ihrer Geschichte
zu nehmen«, so Schüle. »Ich bin
ganz sicher, dass das auch in Zu-
kunft so bleiben wird«. Der
Vorstoß der Hohenzollern über-
rascht: Prinz von Preußen hat
bereits einige Historiker ver-
klagt, weil diese angeblich be-
haupteten, er wolle die Ge-
schichtsschreibung über seine
Familie beeinflussen. Nun regt
er einen Ausstellungsort an,
schlägt den befreundeten Histo-
riker Lothar Machtan als Bera-
ter vor und bietet Leihgaben an,
was als Einflussnahme gedeutet
werden könnte – auch wenn die
Familie betont, keine derartigen
Absichten zu verfolgen. KLW
Schwarzfahren bald
keine Straftat mehr?
RECHTSSTAAT Der neue Bun-
desjustizminister Marco Busch-
mann (FDP) will die Justiz ent-
lasten. Dafür sollen bestimmte
Verfahren digital stattfinden
und das Strafrecht überarbeitet
werden. »Für diese Legislatur-
periode ist mir vor allem die
weitere Digitalisierung der Jus-
tiz wichtig«, so Buschmann.
Denkbar sei »ein bürgerfreund-
liches, rein digitales Verfahren
zur Durchsetzung kleiner For-
derungen«. Zudem will die Am-
pelkoalition das Strafrecht ent-
schlacken. »Gerade das Straf-
recht ist keine Allzweckwaffe,
sondern als schärfstes Schwert
des Rechtsstaats nur letztes Mit-
tel«, so Buschmann. Man werde
das »Strafrecht systematisch
überprüfen und mit einer Mo-
dernisierung für eine Entlastung
der Justiz sorgen.« Unter ande-
rem wird nach Angaben aus Ko-
alitionskreisen geprüft, ob bis-
herige Bagatelldelikte wie
Schwarzfahren zur Ordnungs-
widrigkeit herabgestuft werden
können. Die Justiz gilt seit Jah-
ren als überlastet. Sven Rebehn,
Geschäftsführer des Deutschen
Richterbunds, kritisiert, man
komme mit der Arbeit kaum
noch hinterher: »Es fehlt dem
Rechtsstaat nicht in erster Linie
an Regelungen, Verboten und
Strafvorschriften, sondern an
technisch wie personell gut ge-
nug ausgestatteten Gerichten
und Behörden, um die be-
stehenden Gesetze stringent
durchsetzen zu können«. SOG
Kampagne gegen
die Impfkampagne
CORONALEUGNER Die deut-
sche Ärzteschaft ist empört über
Versuche der Basisdemokrati-
schen Partei Deutschland (Die
Basis), Arztpraxen mit dubiosen
Informationsschreiben vom
Impfen abzubringen. In Berlin
hatte der Neuköllner Bezirks-
verband der Partei, die Esoteri-
kern und sogenannten Querden-
kern nahesteht, mehrseitige
Briefe an Ärztinnen und Ärzte
verschickt. Darin wird unter an-
derem behauptet, die Vakzinen
seien »unnötig«, »unwirksam«
und »gefährlich«. »Machen Sie
sich nicht mitschuldig an der
sinnlosen Verlängerung dieser
verantwortungslosen Impfkam-
pagne, die schon so viele Men-
schen ihre Gesundheit und nicht
wenige ihr Leben gekostet hat«,
heißt es darin. Nach Angaben
der Bundesärztekammer gehen
diese oder ähnliche Briefe der-
zeit vermehrt in Arztpraxen in
ganz Deutschland ein. »Diese
Schreiben sind nichts anderes
als der durchsichtige Versuch,
Ärztinnen und Ärzte zu verun-
sichern«, sagt Bundesärztekam-
mer-Präsident Klaus Reinhardt.
Die in Deutschland zugelasse-
nen Impfstoffe gegen das Coro-
navirus seien weder unwirksam
noch unnötig oder gefährlich,
wie in den Schreiben suggeriert
werde. Auch die Behauptung,
Ärzte würden persönlich für
mögliche Impfschäden haften,
ist nach Auskunft der Bundes-
ärztekammer unwahr. »Falsch-
meldungen, wie die der Partei
Die Basis können lebensbe-
drohlich sein«, sagt auch Peter
Bobbert, Präsident der Berliner
Ärztekammer. »Wer sie in die-
ser Form verbreitet, bringt
Menschen in Gefahr. Man kann
es nicht oft genug betonen: Die
Impfstoffe sind der Weg aus der
Pandemie heraus.« Die Partei
Die Basis ließ SPIEGEL-Fragen
an den Bundesvorstand und
den Bezirksverband Neukölln
bis Redaktionsschluss unbeant-
Wahlkämpfer der Basis in Berlin wortet. cos
HC Plambeck
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