Der Stern (2022-02-24)

(EriveltonMoraes) #1
FOTOS: MONIKA KEILER/STERN; GETTY IMAGES

Häßler, 1966 in
Berlin geboren,
begann seine
Bundesligakarriere
1984 als Mittel-
feldspieler beim


  1. FC Köln. Nach
    dem Gewinn des
    WM-Titels in Italien
    (o., Mitte, mit dem
    Pokal) spielte er
    für Juventus Turin
    und den AS Rom.
    Zurück in Deutsch-
    land folgten Statio-
    nen in Karlsruhe,


Dortmund und
beim TSV 1860
München, ehe
er seine Karriere
in Salzburg be-
endete. Später
war Häßler
Technikcoach in
Köln, Berti Vogts’
Assistent bei der
Nationalmann-
schaft Nigerias
und Co-Trainer im
Iran. Er lebt mit
seiner zweiten
Frau Anke in Berlin.

H


err Häßler, bleibt Fußballern nach
dem Fußball nur der Fußball?
Besser hätte man’s nicht ausdrü-
cken können. Das ist so. Mein gan-
zes Leben lang hat mich der Fuß-
ball begleitet. Es ist schwer, davon
wegzukommen. Ich bin kein Mensch fürs
Büro, ich brauche den Duft von frisch ge-
mähtem Rasen.
Den atmen Sie jetzt als Trainer beim
BFC Preussen, Landesliga Berlin. Gab es
keine besseren Angebote – oder gehört
Icke einfach in die Hauptstadt?
Ich habe lange gewartet und gehofft, dass
eine Anfrage kommt. Die eine oder andere
gab es, aber das hat dann für mich nicht so
gepasst. Ich bin ein eher familiärer Mensch,
habe auch immer bei „kleineren“ Tradi-
tionsvereinen gespielt – KSC, 1860. Deshalb
bin ich auch wieder nach Berlin zurück.
Müssen Sie nach Schlusspfiff noch Auto-
gramme schreiben?
Eigentlich werde ich hier ziemlich in Ruhe
gelassen. Aber klar, ab und zu kommt das
vor. Die Leute fragen, wie es damals war,

warum ich nie bei Hertha gespielt habe
und so.
Und, warum nicht?
Na, weil die zu spät dran waren. Ich hatte
schon in Köln unterschrieben, und eine
Woche später kam der damalige Hertha-
Präsident. Dem musste ich dann absagen.
Die Verträge verhandelte Ihre damalige
Frau Angela. Bei den Effenbergs lief es
ähnlich. Die Gattin als Managerin, wie ist
das?
Ich glaube, sie war eine sehr anstrengende
Gesprächspartnerin für die Vereine. Sie
kannte mich am besten. Wenn’s geht,
sollte man das auf jeden Fall machen.
1990, Weltmeister in Rom. Können Sie
sich an die Nacht danach noch erinnern?
Schwer (lacht). Ich habe auf jeden Fall die
Sonne aufgehen sehen. Wir sind nach dem
Spiel mit dem Bus zur Villa Borghese ge-
fahren. Eigentlich muss man dabei ge-
wesen sein. Die Feier war jedenfalls ganz
ordentlich.
Steht das Team von damals noch in
Kontakt, per Chatgruppe oder so?
Wir hatten vorletztes Jahr 30-jähriges TrefWir hatten vorletztes Jahr 30-jähriges TrefWir hatten vorletztes Jahr 30-jähriges Tref--
fen in der Toskana. Ein tolles Wochenende.
Das machen wir alle fünf Jahre. Langsam
muss man sich überlegen, den Abstand
vielleicht zu verkürzen. Wir werden ja alle
älter.
2000 gründeten Sie das Musiklabel „MTM
Music“. Wollten Sie nach der Karriere
Hardrocker werden?
Nicht ganz. Ich habe Rock immer geliebt,
bin mit Survivor, Toto und Chicago groß-
geworden. Ich lernte damals in München
einen Musikmanager kennen. Da kam uns
die Idee, ob man jungen Talenten nicht eine
Chance geben könnte. Wir hatten Bands
unter Vertrag, die heute noch existieren.
Zuletzt sah man Sie öfter in Reality-
shows, unter anderem im „Dschungel-
camp“. Wieso?
Weil ich Bock hatte. Mich hat es gereizt,
noch mal was anderes zu machen. Und so
schlimm, wie alle denken, war es dann auch
nicht. Viele verstehen es nicht. Aber ich
habe das bis heute nicht bereut.
Die Fußballwelt hat sich seit Ihrem Kar-
riereende ziemlich gewandelt. Neunstel-
lige Ablösesummen, aalglatte Jungstars,
der Videobeweis. Wie stehen Sie dazu?
Ich weiß nicht, ob das alles dazugehören
muss. Früher gab es Tatsachenentschei-
dungen. Und dann war det jut. Heute
musst du fünf Minuten warten, bis sich
entscheidet, ob das Hand oder Abseits, Tor
oder nicht Tor war. Das ist nervig.
Dann doch lieber Amateurfußball?
(lacht) Das können Sie auf jeden Fall so
schreiben. 2 Interview: Fabian Huber

Der Berliner, „Icke“ genannt, wurde 1990 in Rom mit
der Fußballnationalmannschaft Weltmeister

Thomas Häßler


Thomas Häßler,
55, im Vereins-
heim des BFC
Preussen Berlin


110 24.2.2022


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