schaffe die Atomwaffen ab, sorge für De
militarisierung. Das ist Humbug, Ponyhof.
Wir sollten also nicht versuchen, Werte-
Exportweltmeister zu werden?
Muss man aufpassen, sich nicht lächerlich
zu machen, etwa wenn Frau Baerbock nach
Kiew fliegt, keine Waffen mitbringt, aber
ein Büro für grünen Wasserstoff ankün
digt. Das ist sicher sinnvoll, aber nicht,
wenn die Ukraine sich akut sorgt, wie lan
ge sie noch eine souveräne Regierung hat.
Was ist die Alternative zum Multilatera-
lismus, zur Politik mit EU und UN und
internationalen Verträgen?
Wir sollten uns eines bei den Großen ab
schauen: Statt ewig darauf zu warten, bis
sich alle auf einen Weg geeinigt haben,
sollten auch wir politische Koalitionen der
Willigen schmieden. Bei uns überwiegt
noch immer der Reflex, das sei böse. Da
rum reagieren wir auf Krisen immer nach
demselben Muster: Wir organisieren eine
große Konferenz, verlagern das Thema in
OSZE, EU, Vereinte Nationen – und am
Ende passiert genau gar nichts.
Und wenn es gelänge, die EU als eine Art
vierte Großmacht zu etablieren?
Nun kommen wir zum Kernproblem deut
scher Außenpolitik: Natürlich ist die Idee
richtig. Aber wir Deutschen wollen immer
alle mitnehmen, das steckt tief in unserer
DNA. Aber es müssen ja gar nicht alle alles
gemeinsam machen, die EUVerträge erVerträge er
lauben es längst: Länder mit gemeinsamen
Interessen können vorangehen.
Die alte Idee vom Kerneuropa...
Egal, wie Sie es nennen, wenn nicht einige
Mitglieder vorangehen, wird sich die EU
substanziell nicht weiterentwickeln. Die
se Karte muss man spielen. Aber genau die
se Karte zieht Deutschland nicht. Darf ich
eine Prognose abgeben?
Wir bitten darum.
Wenn dieser UkraineKonflikt hoffentlich
einmal diplomatisch beigelegt ist, werden
wieder viele Stimmen fordern, die EU müs
se gestärkt werden. Es muss nur jemand
vorangehen. Und Deutschland wird es
wieder nicht sein. Ich kann mich an den
Kölner EUGipfel von 1999 erinnern. Als
große Lehre aus dem Kosovokrieg wurde
dort debattiert: Wir dürfen nicht so abhän
gig von den Amerikanern bleiben. Noch
im selben Jahr beschlossen die EUVertei
digungsminister, eine EUEingreiftruppe
von bis zu 60000 Mann aufzubauen. Und
wo sind wir heute, über 20 Jahre später? Bei
battle groups von 1500 Mann, und selbst
die wurden noch nie aktiviert. So wird es
jetzt wieder kommen. 2
Interview:
Andreas Hoidn-Borchers, Jan Rosenkranz
„DIE
KLASSISCHE
GROSSMACHT-
POLITIK
IST ZURÜCK“
Carlo Masala
24.2.2022 31