Der Stern (2022-02-24)

(EriveltonMoraes) #1
FOTO: CAROLINE TOMPKINS/THE EW YORK TIMES/REDUX/LAIF

Als junges Mädchen lag Emily Ra-
tajkowski im Bett und betete für
Schönheit. Sie konzentrierte sich so
sehr auf den Gedanken, dass sie
Schweißausbrüche bekam. Alle
Frauen, die ihr mächtig erschienen,
die beliebten Mädchen in ihrem
Umfeld, ihre Mutter, sie alle waren
schön. Ratajkowski wünschte sich
nichts mehr, als ebenso auszusehen.
„Es war eine Botschaft, die ich über-
all erhielt: Schön zu sein ist das Bes-
te, was Frauen sein können.“
Etwa 20 Jahre später: Fotos von
ihrem kaum bedeckten Hintern rei-
hen sich an Bilder von tiefen Aus-
schnitten und knappen Bikinis.
Emily Ratajkowski, Tochter eines
Künstlers und einer Literatur-Pro-
fessorin, aufgewachsen in Encinitas
in Kalifornien, posiert freizügig auf
Instagram. Die 30-Jährige ist eines
der gefragtesten Models der Welt.
28,9 Millionen Follower schauen
sich ihre Fotos an. Rund um die Uhr
kommentieren Menschen ihren
Körper, bewundern, kritisieren ihn,
urteilen über sie: Billig. Dumm. We-
nigstens hübsch.
Attribute, die Emily Ratajkowski
seit ihrer Teenagerzeit verfolgen.
Und zu denen sie irgendwann Stel-
lung beziehen wollte. In ihrem
Buch „My Body“, das nun auf
Deutsch erscheint, beschreibt sie in
Essays, wie sehr sie mit ihrem Kör-
per hadert. Wie ihr einstiger
Wunsch sie ins Unglück stürzte,
weil sexuelle Belästigung zu ihrem

Alltag wurde. Und wie sie schließ-
lich, auch durch Instagramfotos,
versuchte, die Macht über ihren
Körper zurückzugewinnen.
Es ist für viele ein überraschendes
Buch. Weil man Tiefgang und kluge
Gedanken immer noch nicht von
einem Bikinimodel erwartet. Oder
weil man denkt, jemand, der so
schön und so berühmt ist,
müsse doch glücklich sein.
Nach der Veröffentli-
chung katapultierte sich
„My Body“ 2021 innerhalb
kurzer Zeit auf die „New
York Times“-Bestseller-
liste. Der „Guardian“
lobte die Gedanken-
sammlung als „klug
und glänzend“, ande-
re Kritiker schwärm-
ten von Ratajkow-
skis schonungsloser
Auseinanderset-
zung mit dem Erfolg
durch den eigenen
Körper.
Bei anderen aber
wirft das Buch Fragen
auf: Darf eine Frau, die
sich derart ausstellt,
beklagen, als Objekt be-
trachtet zu werden? Sind
Nacktfotos ein feministi-
scher Befreiungsakt – oder
in Wahrheit etwas anderes?
Wie viel Macht kann Schön-
heit verleihen?
Ratajkowski selbst stellt sich
diese Fragen seit Jahren. Erstmals
wurde in der breiten Öffentlichkeit
über ihren Körper diskutiert, als sie
im Musikvideo zum Song „Blurred
Lines“ von Robin Thicke, Pharrell
Williams und T.I. halb nackt vor der
Kamera tanzte. Da war sie 21 Jahre
alt. Zuvor hatte sie auf Laufstegen
und für Magazine gemodelt, schau-
spielert außerdem, seit sie 13 ist.
Spätestens seit sie ihre Gedanken
schriftlich veröffentlicht und be-
tont, sie sehe die Darstellung ihres
nackten Körpers als feministisches
Empowerment, wurde Emily Rataj-
kowskis Körper zum Politikum.
Mittlerweile gilt sie sogar
als Aktivistin. 2018
nahm die Polizei
sie fest, als

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BERÜHMTBERÜHMTBERÜHMT
DURCH

BERÜHMT
DURCH

BERÜHMT


MEINE


ERSCHEINUNG“


„ICH


WURDE


BERÜHMT


WURDE


BERÜHMT


78 24.2.2022

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