Der Stern (2022-02-24)

(EriveltonMoraes) #1
könnte man es auch sagen, wie ernst es die Polizei meint
mit ihrer Selbstüberprüfung.
Von Dobrowolski läuft treppab, vorbei am Boxsack im
Wohnzimmer. Auf dem Tisch einige Ausgaben von „Der
rechte Rand“, dem antifaschistischen Magazin. Unten
im Hausflur die Stundenpläne der beiden Söhne, die mal
bei ihm wohnen und mal bei der Mutter. Sie hat ihn vor
Monaten verlassen. Es ist seine zweite Ehe, die kaputt-
geht. Von Dobrowolski dachte, sie kämpfen vielleicht
darum. Er ist jetzt oft allein in dem Haus. Die Katze, die
um seine Beine streicht, soll auch noch zur Ex.
Vielleicht fing es mit dem Artikel im „Tagesspiegel“ an,
dem allerersten über ihn, 2014. Von Dobrowolski erzähl-
te von sich als grünem Exoten in einer konservativen
Polizei, davon, wie er mit anderen Exoten PolizeiGrün
gegründet hatte, eine linksliberale Berufsvereinigung,
hervorgegangen aus einer Arbeitsgruppe des Grünen-
Landesverbands in Baden-Württemberg. Viele be-
klatschten ihn damals, einige schäumten. Was redete
der Typ, und wer war das denn? Ein Niemand!
Es wurde schnell ein Jemand aus ihm. Von Dobrowol-
ski gab Interviews, war im Radio, auf Panels. Twitter
wurde sein Megafon ins Land. Er prangerte die Entglei-
sungen der Polizei an, Gewaltexzesse, den Korpsgeist.
Er forderte eine Rassismusstudie, eine Beschwerdestel-
le, ein besseres Auftreten. Er verteidigte die Antifa, er
hieß Refugees welcome.
Vielleicht fing es auch noch früher an. Der Vater eines
Nachbarjungen war Polizist gewesen, und jeden Abend,
wenn dieser Vater von seiner Streife in die kleine Sied-
lung in Steglitz heimkehrte, erzählte er den Jungen, die
staunend lauschten, wie er das Gesetz beschützt hatte.
Von Dobrowolski wurde auch Polizist, um auf der Stra-
ße zu helfen. „Der Wille, Gutes zu tun, Menschen froh
zu machen, und dann hoffen, das mich das froh macht“,
so erinnert er sich in diesen Monaten, da man ihn be-
gleitet, einmal zurück. Es klingt beinahe rührend naiv.
Fragt man ihn, warum er anfing, seine Polizei zu kriti-
sieren, sagt von Dobrowolski: „Ich will mich noch im
Spiegel angucken können.“ Er sagt den Satz oft. Es klingt
wie ein Mantra, wie die Beschwörung der eigenen Inte-
grität, eine Selbstvergewisserung auch: Es ist richtig,
was ich mache, ist es doch, oder?

@Neuro06574791: Du Olli, du bist deines Jobs unwür-
dig. Mach dich mal lieber an die Traumabearbeitung.
@MarkMei63985707: Werd doch Sozialarbeiter. Als
Polizist bist du fehl am Platz.

Zur Wahrheit gehört aber wohl auch, dass ihm die
Dinge entglitten sind. Es gibt wenige Polizisten, die sich
öffentlich mit der eigenen Polizei anlegen, also stürz-
ten sich die Medien auf ihn. Einen, der interessant
aussah, reden konnte, anders war. Einen, der über den
G20-Gipfel, bei dem er im Einsatz war, bloggte und die
Polizeistrategie zerriss. Einen, der sich sogar mit Rainer

Wendt anlegte, dem rechtskonservativen Vorsitzenden
der Deutschen Polizeigewerkschaft. Von Dobrowolski
startete eine Petition, in der Medienschaffende aufge-
rufen wurden, dem mächtigen Wendt weniger Geltung
zu verschaffen. Wendt, danach gefragt, sagt: „Ich ken-
ne ihn persönlich nicht, verstehe aber, dass er meinen
Bekanntheitsgrad für seine Aktivitäten nutzbar
machen will.“ Von Dobrowolskis Namen mag er nicht
mal in den Mund nehmen, nennt ihn „der von Ihnen
erwähnte Beschäftigte“. Am Ende sagt Wendt:
„Deutschland hat ohnehin die beste Polizei, die es in
unserem Land je gab.“
Wer von Dobrowolski begleitet, hat ein Problem. Man
prallt erst mal an diesem Mann ab. Kommt ihm zwar
näher, aber nie ganz nah. Man merkt, dass er einen Pan-
zer angelegt hat, und der Panzer hält. Von Dobrowolski
hat viele Interviews gegeben, vielleicht zu viele. Viel-
leicht sind die Interviews Teil des Problems. Er ist darin
immer in einer Rolle gefangen, ist Mahner, schlechtes
Gewissen, erhobener Zeigefinger. Man liest, wie er von
Missständen in der Polizei erzählt, man nickt, und das
war es meist. Schaudern auf Distanz, Empörung als
Reflex. Von Dobrowolski ist ein bisschen zu gut darin
geworden, vom Schlechten zu erzählen.

@NobeEtt: Man kann diesen Herrn auch Verräter des
Rechtsstaats und Beschmutzer der Polizei nennen.
Dagegen klingt Ratte doch richtig vornehm.
@Ebrillianten: Wie fühlt man sich denn so als antifa-
schistisches Kameradenschwein?

An einem Montagmorgen sitzt er vor dem „Litehouse“
in Berlin, und ihm gegenüber sitzt die Karriere, die er hät-
te machen können. Ein Masterstudent der Deutschen
Polizeihochschule, deutlich jünger, aber schon zum Poli-
zeihauptkommissar befördert, möchte von Dobrowolski
für seine Abschlussarbeit befragen, in der es um „stereo-
type Denk- und Handlungsmuster“ im Polizeieinsatz
geht. Von Dobrowolski trinkt Kaffee und trägt einen Ka-
puzenpullover, der Student bestellt Minztee, ein elegan-
tes Slim-Fit-Jackett spannt über seiner Brust. Das Thema
sei ihm persönlich wichtig, sagt er, er habe nun mal dunksei ihm persönlich wichtig, sagt er, er habe nun mal dunksei ihm persönlich wichtig, sagt er, er habe nun mal dunk--
lere Haut, einen ghanaischen Vater. Er wird, wenn alles
nach Plan läuft, schnell und steil aufsteigen. In der Öfnach Plan läuft, schnell und steil aufsteigen. In der Öfnach Plan läuft, schnell und steil aufsteigen. In der Öf--
fentlichkeit ist er einmal aufgefallen, und zwar als die
SPD-Vorsitzende Saskia Esken auch in Deutschland einen
„latenten Rassismus in Reihen der Sicherheitskräfte“ er-
kannt haben wollte. Da hat dieser Student die Polizei
verteidigt, in der „Bild“-Zeitung. Von Dobrowolski wie-
derum hat Eskens Zitat auf Twitter gefeiert. Das ist, bei
allen Gemeinsamkeiten, dann wohl der Unterschied.
Ob von Dobrowolski, fragt der Student, vom Bogen
ablesend, Stereotype im Einsatz gesehen habe? Von Do-
browolski räuspert sich, erzählt dann in dem ihm eige-
nen Singsang, sanft und stets ein bisschen zu leise. Eine
Stimme wie mit Frottee umwickelt. Irritierend im Kon-
trast zum Kommissarskörper, zum an den Schläfen und
im Nacken ausrasierten Haar. „Es gibt Kollegen, die lau-
fen durch Berlin-Dahlem oder Hamburg-Blankenese,
und wenn die einen Menschen mit anderer Hautfarbe
sehen, schalten sie in den Kampfmodus. Den muss ich
nur lange genug schütteln, dann fallen unten Drogen 4

ER IST DAS SCHWARZE SCHAF.


UND DER VORZEIGEBULLE


24.2.20 2 2 87

Free download pdf