Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
58 DER SPIEGELNr. 9 / 26.2.2022

WIRTSCHAFT


D


ie rund 500 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Bundesverwaltung arbeiten mit Software von
Microsoft, und diese Abhängigkeit wird immer
teurer. Überwies der deutsche Staat 2015 noch jährlich 43
Millionen Euro für Software, Serverdienste und Wartung,
waren es im vorigen Jahr bereits mehr als 205 Millionen
Euro. Gegenüber 2020 betrug die Kostensteigerung knapp
15 Prozent, wie aus einer Antwort der Bundesregierung
auf eine Anfrage des Haushaltspolitikers Victor Perli
(Linke) hervorgeht. Demnach bilden das Verteidigungs­
ministerium mit 95 Millionen Euro sowie das Finanzres­
sort (rund 43 Millionen) und das Bundes innenministerium
(32 Millionen) die größten Einzelposten. Eine vom Innen­
ministerium beauftragte Marktanalyse hatte 2019 bereits
die hohe Abhängigkeit von Microsoft­Produkten kritisiert
und »dringenden Handlungsbedarf« festgestellt. Zudem
hatte der Bundesbeauftragte für den Datenschutz im vori­
gen Jahr allen Nutzerinnern und Nutzern in der Bundes­
verwaltung neue Vorgaben im Umgang mit Microsoft­
Produkten gemacht – um zu verhindern, dass Nutzungs­
daten an Microsoft abfließen. Auf Hunderten Rechnern

sind diese Anforderungen noch nicht umgesetzt, wie
aus der Antwort hervorgeht. »Microsoft nutzt seine
Monopolstellung aus und diktiert der Bundesregierung
die Preise«, kritisiert Perli. »Mehr Datensouveränität
erreicht man nur mit mehr eigener quelloffener Soft­
ware, die häufig qualitativ gleichwertig oder sogar besser
ist.« Auch der neue Standardarbeitsplatz in der Bundes­
verwaltung (»Bundesclient«) basiert auf Microsoft­
Produkten. Zudem will der Konzern zusammen mit SAP
und Arvato künftig auch eine Verwaltungs­Cloud
anbieten, wobei die Daten in Deutschland liegen sollen.
Im Innenministerium heißt es, dass man Open­Source­
Alternativen prüfe – eine solche Arbeitsplatzlösung des
Dienstleisters Dataport werde derzeit auf 150 Verwal­
tungsrechnern erprobt. Für die Cloud will der Bund
künftig mehrere Anbieter nutzen – auch Google im Ver­
bund mit T­Systems hat bereits Interesse signalisiert.
Zudem werde Open­Source auch in der Cloud­Strategie
»eine prominente Rolle einnehmen«, so das Minis­
terium. Als möglicher Anbieter dafür wird die United­
Internet­Tochter Ionos gehandelt. ROM, WOW

Abhängig von Microsoft


IT Die Bundesverwaltung setzt bei der Software bislang vor allem auf den US-Anbieter. Doch die Kritik daran
wächst, die Kosten explodieren: Im vorigen Jahr zahlte der Bund für seine Lizenzen fast fünfmal mehr als 2015.

Bundeswehrsoldaten an Rechnerarbeitsplätzen

Softwarekosten
des deutschen Staa-
tes und der Bundes-
verwaltung für
Microsoft-Produkte,
in Mio. Euro

SQuelle: Bundesregierung

50

100

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200

2015 2021

205,1

Spiegl / ullstein bild

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