Der Spiegel (2022-02-26)

(EriveltonMoraes) #1
WIRTSCHAFT UKRAINE-KRIEG

60 DER SPIEGELNr. 9 / 26.2.2022

W


enn alles nach Plan gelaufen
wäre, dann stünde Thomas
Laxhuber, 49, jetzt in einer
Messehalle im ukrainischen Kiew
hinter seinem Stand und würde das
machen, was er am besten kann: Ge-
schäfte. Der Unternehmer aus Nie-
derbayern stellt mit seiner Firma Stela
Trocknungsanlagen für Landwirt-
schaft und Industrie her. Es gibt nicht
viele auf der Welt, die diese Art von
Anlagenbau beherrschen. Daher ist
Laxhuber normalerweise das ganze
Jahr über in aller Welt unterwegs –
als einer jener berühmten »Hidden
Champions«.
Derzeit aber läuft bei Laxhuber
kaum etwas nach Plan. Noch immer
wegen der Pandemie, vor allem aber
wegen des Krieges in Europa. Der

Wirtschaft als Waffe


GLOBALISIERUNG Putins Invasion in der Ukraine zeigt, wie extrem Unternehmen
inzwischen geopolitischen Risiken ausgesetzt sind. Vor allem das
exportorientierte Geschäftsmodell der deutschen Industrie steht jetzt auf dem Spiel.

russische Angriff auf die Ukraine und
die vom Westen als Antwort darauf
verhängten Sanktionen verderben
Laxhuber die Grain-Tech-Messe in
Kiew. Und wohl auch so manches
künftige Geschäft in Russland.
Schon ohne die Invasion Putins sei
es in den vergangenen Jahren »un-
gemütlicher« geworden für Mittel-
ständler wie ihn, seufzt Laxhuber am
Telefon: Etwa zwei Prozent Marge
koste ihn der zunehmende Protek-
tionismus in China, den USA und
selbst in Europa. »Unternehmen wie
unseres werden zum Spielball der
Geopolitik.«
Neben allem menschlichen Leid
wirft der Krieg in der Ukraine ein
Schlaglicht darauf, wie geopolitische
Auseinandersetzungen und Risiken

der Wirtschaft zusetzen. »Bis Ende
letzten Jahres war die Rivalität zwi-
schen China und den USA mit den
möglichen handelspolitischen Konse-
quenzen das beherrschende geoöko-
nomische Risiko«, sagt Eckart von
Klaeden, Cheflobbyist des Autokon-
zerns Mercedes-Benz. »Jetzt hat Pu-
tin sich mit Gewalt auf die geopoliti-
sche Agenda zurückgebracht.«
Unternehmen verlieren Umsätze,
ächzen unter steigenden Ener-
giepreisen, fürchten ein Abreißen
ihrer Lieferketten, die Börsen geben
nach.
Dass die Kurse bislang nicht noch
stärker eingebrochen sind, ist ein In-
diz, für wie unbedeutend Investoren
Russlands Rolle in der globalen Wirt-
schaft halten. Nur was, wenn der

Deutsche
Wirtschaftsvertreter
bei Gesprächen in
Moskau 2018: Die
Ära des Freihandels
und der relativen
weltpolitischen
Stabilität ist passé

Mikhail Metzel / TASS / action press

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