aus Kalkstein herauszuarbeiten. Ihren Hochrechnungen
zufolge hätten an die 20 Personen mehrere Monate dafür
benötigt.
Durch die TForm erhielten die Monolithen ein mensch
ähnliches Aussehen – das obere Querstück sollte wohl
einen Kopf darstellen. Bei einigen Exemplaren arbeiteten
Steinmetze zusätzlich aus dem Schaft angewinkelte Arme
heraus. Außerdem verzierten sie einige Pfeiler mit Tier
skulp turen und reliefs. Dabei hatten die Künstler offenbar
klare Vorstellungen davon, wie das fertige Stück aussehen
sollte. »Die Hochreliefs sind so präzise gearbeitet, das
können nur Spezialisten«, ergänzt Clare.
Auch die nächsten Schritte erforderten Erfahrung und
ein gut koordiniertes Vorgehen. Die runden Anlagen waren
bis zu zwei Meter eingetieft und oberhalb des Grundge
steins mit Mauern ausgekleidet worden. Wahrscheinlich
halfen Rampen aus Erde, die Pfeiler dort hineinzuziehen.
Mit Seilen könnte man sie dann aufgerichtet haben. Zwei
besonders große kamen in die Mitte, die anderen in Ni
schen in der Wand. Für manche der zentralen Pfeiler hatte
man regelrechte Fundamentgruben ausgehoben. Andere
standen zwar in Vertiefungen, doch diese waren zu flach,
um ausreichend Halt zu bieten. In solchen Fällen war eine
Stützkonstruktion oder ein hölzernes Dach nötig.
Der Berliner Architekt und Bauhistoriker Dietmar Kurap
kat gibt hierbei der Überdachung den Vorzug. Ansonsten
hätten Herbst oder Winterregen die eingetieften Anlagen
seiner Meinung nach unter Wasser gesetzt. Ein weiteres
Argument ist zudem der gute Erhaltungszustand der
Reliefs – die Witterung hätte dem weichen Kalkstein weit
stärker zugesetzt.
Bei den meisten Anlagen fehlen Zugänge. Zwar fand
man Steinplatten, die Öffnungen aufwiesen, aber anschei
nend keine davon an dem Ort, an dem sie ursprünglich
verbaut waren. Nach Kurapkats Vorstellungen betrat man
die Gebäude über Luken im Dach, gleich einem Gang in
die Unterwelt. Das von Fackeln oder Feuern erhellte Halb
dunkel ließ den Raum noch magischer wirken. In seiner
Mitte erhoben sich die beiden großen Megalithen. Ihre
Verzierung mit Gürteln, einem fuchs oder pantherfellähnli
chen Lendenschurz und einem über die Schulter gelegten
Schal verlieh ihnen ein besonders würdevolles Aussehen.
Die TKöpfe der Pfeiler blieben aber anonym – vermutlich
mit Absicht: Kein Mund, keine Augen verraten die Identität
der steinernen Wesen. Niemand wird je wissen, ob die
AUF EINEN BLICK
SCHLANGEN, VÖGEL UND SKORPIONE
1
Vor mehr als 11 000 Jahren errichteten Jäger und
Sammlergruppen in Vorderasien monumentale Kult
stätten. Vermutlich spiegeln diese den sich abzeich
nenden Wandel zu einem sesshaften Leben als Bauern.
2
Die Rituale, die auf dem Göbekli Tepe und in anderen
Kultbauten durchgeführt wurden, sind zwar weit
gehend unbekannt, aber bildliche Darstellungen
weisen auf schamanistische Praktiken hin.
3
Viele der Ritualgebäude wurden wohl gezielt zerstört
oder zugeschüttet, andernorts kleinere neue errichtet.
Forscher deuten dies als Zeichen, dass sich die bäuer
liche Wirtschaftsweise durchgesetzt hatte.
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT / EMDE-GRAFIK
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17 16
Mittel-
meer
SYRIEN
TÜRKEI
IRAK
LIBANON
Euphrat
Tigris
0 – 200m
200 – 500m
500 – 1000m
1000 – 2000m
> 2000m
Siedlungen der frühen
Jungsteinzeit
Siedlungen mit T-Pfeiler-
gebäuden
heutige Landesgrenzen
1: Tell Qaramel
2: Mureybet
3: Jerf el Ahmar
4: Tell Dja‘de
5: Tell ‘Abr 3
6: Nevalı Çori
7: Hamzan Tepe
8: Göbekli Tepe
9: Taşlı Tepe
10: Karahan Tepe
11: Sefer Tepe
12: Çayönü
13: Körtik Tepe
14: Demirköy
15: Hallan Çemi
16: Gusir Tepe
17: Hasankeyf Höyük
Frühe Jungsteinzeit im nördlichen Mesopotamien:
Fundorte mit figürlichem Symbolsystem und/oder
T-Pfeilergebäuden
N
100 km
Höhenangaben:
Am Oberlauf von Euphrat und Tigris fanden Jäger und Sammler im 10. Jahrtausend v. Chr.
so reichlich Wild und essbare Pflanzen, dass sie sesshaft wurden.