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(coco) #1

MONUMENTE II


DIE ÄLTESTE UNIVERSITÄT


DER WELT


Im frühen Mittelalter Indiens war Nalanda eine Hochburg
der Gelehrsamkeit. Mit dem Verschwinden des Buddhismus
im 13. Jahrhundert geriet es jedoch in Vergessenheit.

Der Religionswissenschaftler Max Deeg lehrt Buddhist Studies
an der Cardiff University. Derzeit forscht er als Gastwissenschaftler
am Käte-Hamburger-Kolleg der Ruhruniversität Bochum. Einer
seiner Schwerpunkte ist die Verbreitung des Buddhismus in Asien.

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Jahrhundertelang ahnte niemand, dass ein Ruinenfeld
im indischen Bundesstaat Bihar das wohl älteste
Schulungszentrum der buddhis tischen Lehre verbarg:
Nalanda. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter-
suchten die britischen Laienarchäologen Francis
Buchanan-Hamilton und Markham Kittoe zwar die noch
sichtbaren Überreste und bezeichneten sie lapidar als
Hügel. Tatsächlich aber war das im 4. oder 5. Jahrhundert
n. Chr. gegründete Nalanda eine monumentale und äu-

ßerst erfolgreiche Lehranstalt des Buddhismus gewesen.
Experten erkennen ihr den Rang einer Universität zu – der
schieren Ausmaße und anspruchsvollen Architektur der
Anlage wegen, aber auch auf Grund des umfassenden
Kurrikulums und der Außenwirkung: Nalanda zog Studen-
ten aus ganz Asien an, die das Gelernte in ihren Heimat-
ländern verbreiteten.
Nur etwa zwölf Kilometer von der Ruinenstätte entfernt
liegt heute die Kleinstadt Rajgir. Im 5. Jahrhundert v. Chr.
war sie als Rajagriha gegründet worden, damals Hauptstadt
des Reichs Magadha, dessen Machtbereich ungefähr dem
heutigen indischen Bundesstaat Bihar entsprach. Wichtige
Orte der Biografie Buddhas (gestorben 483 v. Chr.) lagen in
Magadha: der Geiergipfel, auf dem der Religionsstifter
gepredigt haben soll; das als Bambushain bezeichnete
Kloster, das als eines der ältesten dieser Religion gilt; vor
allem aber Bodhgaya, der legendäre Ort der Erleuchtung
Buddhas. Wer zwischen den religiösen und wirtschaftlichen
Zentren im Norden und Süden des Reichs unterwegs war,
kam zwangsläufig an Nalanda vorbei.
Man muss Hamilton und Kittoe zugutehalten, dass
europäische Forscher damals noch keine Schriftquellen
kannten, die den Ort und seine Bedeutung erwähnten. Das
änderte sich erst, nachdem der französische Sinologe
Stanislas Julien 1853 die Biografie des chinesischen
Mönchs Xuanzang (600/603–664) und vier Jahre später
dessen Reisebericht übersetzt hatte. Xuanzang hielt sich
zwischen 629 und 645 in Indien auf. Er besuchte heilige
Stätten und studierte einige Jahre lang in Nalanda die
Lehre und die Philosophie des Buddhismus. Nach seiner
Rückkehr verfasste Xuanzang den »Bericht über die West-

AUF EINEN BLICK
ERLEUCHTUNG
ALS UNTERRICHTSFACH

1


Im 4. oder 5. Jahrhundert n. Chr. wurde das Kloster-
zentrum Nalanda als buddhistische Ausbildungsstätte
gegründet. Sein Einfluss reichte bis nach China und
Indonesien.

2


Mehrere tausend Mönche und Laien studierten auf
dem Gelände die Lehren Buddhas und buddhistische
Philosophie, aber auch nichttheo lo gische Fächer wie
Logik, Grammatik und Medizin.

3


Archäologen korrigieren und ergänzen das Bild, das
zeitgenössische Texte von Nalanda zeichnen. So
wurde die Einrichtung wohl nicht von Eroberern
zerstört, sondern verfiel ab dem 13. Jahrhundert.
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