SdW0517

(coco) #1

FORSCHUNG AKTUELL


26 Spektrum der Wissenschaft 5.17


ONKOLOGIE


SCHÜTZENDES


X-CHROMOSOM


Männer leiden häufiger an Krebs als Frauen
und sterben auch öfter daran. Ursachen dafür
liegen auf den Geschlechtschromosomen.


Fast jeder zweite Deutsche kämpft mindestens einmal
im Leben mit einer Krebserkrankung. Männer sind
dabei stärker betroffen: Im Jahr 2013 stellten sie laut
dem Zentrum für Krebsregisterdaten am Robert Koch-
Institut 252 600 von 482 500 Krebspatienten. Umgerechnet
auf 100 Erkrankte ergibt das ein Geschlechterverhältnis
von 52 Männern zu 48 Frauen. Klammert man ge-
schlechtsspezifische Tumorleiden – Wucherungen in
Sexualorganen oder im Brustgewebe – aus, sind sogar 59
von 100 Krebspatienten männlich. An fast allen Krebsarten
erkranken Männer häufiger, seien es Tumoren im Magen
(drei von fünf Patienten männlich) oder in der Leber (vier
von fünf). Entsprechend stirbt etwa jeder dritte Mann an
Krebs, aber nur jede vierte Frau.
Gründe dafür suchten die Mediziner lange im unter-
schiedlichen Lebensstil. Männer trinken mehr Alkohol,
rauchen häufiger und ignorieren öfter Frühwarnzeichen,
die auf eine Erkrankung hindeuten können. Doch dies
scheint ihr erhöhtes Krebsrisiko nicht vollständig zu erklä-
ren. Hinweise auf zusätzlich benachteiligende Faktoren
haben Wissenschaftler nun im Genom gefunden: Frauen
könnten durch ihre geschlechtsspezifischen Erbanlagen
besser vor Tumorerkrankungen geschützt sein.

Doppelt hält besser
Andrew Lane von der Harvard Medical School und seine
Mitarbeiter vermuten, dass Gene auf dem X-Chromosom
daran mitwirken, bösartige Krebsleiden zu verhindern.
Frauen tragen in jeder Körperzelle zwei Exemplare des
X-Chromosoms. Gibt es auf beiden davon ein Gen, wel-
ches das Krebsrisiko herabsetzt (etwa ein Tumorsuppressor-
gen), dann ist die entsprechende Zelle doppelt geschützt.
Männliche Körperzellen dagegen haben nur ein X-Chromo-
som und tragen folglich nur eine Genkopie. Wird diese
beschädigt, etwa durch Mutation, gibt es keinen Ersatz.
Dann steigt das Risiko, dass die Zelle entartet und einen
Tumor hervorbringt – so die These der Forscher.
Allerdings ergibt sich daraus eine weitere Frage. Denn
obwohl Frauen in jeder Zelle zwei X-Chromosomen zur
Verfügung haben, sind diese nicht gleichzeitig aktiv. Eines
davon schaltet die Zelle ab, damit nicht die Erbanlagen
von beiden abgelesen und dadurch zu viele Proteine
produziert werden. Mittlerweile ist aber klar, dass manche
Gene dieser Inaktivierung entgehen können. Zu ihnen
gehören wahrscheinlich solche, die das Krebsrisiko min-
dern, vermuten Lane und seine Kollegen. Die Forscher
bezeichnen diese mysteriösen Gene als »Exits« und be-

gannen, im Erbgut von Krebspatienten nach ihnen zu
suchen.
Insgesamt analysierte das Team die DNA von mehr als
4100 menschlichen Tumoren 21 verschiedener Krebsarten.
Im Fokus standen dabei Mutationen, die zu einem Funk-
tionsverlust X-chromosomaler Gene führen und in männ-
lichen Tumorproben öfter vorkommen als in weiblichen.
Die Forscher wurden fündig: Sechs Gene fischten sie aus
dem Datenpool. Umgekehrt fanden sie keine X-chromoso-
malen Erbanlagen, die in weiblichem Tumorgewebe häu-
figer beschädigt sind als in männlichem. Die sechs identi-
fizierten Gene stellen also gute Kandidaten für Exits dar.
Vier von ihnen standen schon zuvor im Verdacht, bei
bestimmten Krebserkrankungen eine Rolle zu spielen.
In weiteren Experimenten konzentrierten sich die For-
scher auf zwei Krebsarten: Kopf-Hals-Karzinome und
bösartige Nierentumoren. Männer sind hier mehr als
doppelt so oft betroffen wie Frauen. Neben DNA-Mutati-
onen untersuchte das Team auch, wie aktiv die zuvor
entdeckten Exits-Gene in einzelnen Tumoren waren. Dazu
ermittelten sie die Menge der jeweiligen Boten-RNA, die in
der Zelle als Vorlage für die Proteinherstellung dient. In
einigen Tumoren waren diese Erbanlagen zwar nicht
mutiert, aber weniger aktiv; das betraf jedoch fast aus-
schließlich Männer. Das ist ein weiterer Hinweis darauf,
dass inaktivierte Exits-Gene eine Rolle im Krebsgeschehen
bei Männern spielen.
Während Frauen pro Körperzelle zwei X-Chromosomen
tragen, besitzen Männer neben einem X- ein deutlich
kleineres Y-Chromosom. Dieses enthält weniger Gene,
doch es finden sich auf ihm einige Erbanlagen, die zumin-
dest eine ähnliche DNA-Sequenz wie X-chromosomale
Gene haben und möglicherweise gleichartig funktionieren.
Drei der entdeckten Exits kommen, in abgewandelter
Form, auch auf dem Y-Chromosom vor. Lane und sein
Team überprüften deshalb, ob diese für inaktivierte Exits
auf dem X-Chromosom einspringen können. Wären sie ein
wirksamer Ersatz, dann müsste eine Krebszelle sie los-
werden, um entarten zu können. Der Vergleich zeigte aber,
dass dies nicht geschieht: Männliche Krebszellen mit
mutierten Exits-Genen verloren das Y-Chromosom nur in
jedem zehnten Fall. Das Y-Chromosom scheint die Krebs-
zellen also nicht zu behindern.

Geschlechtschromosomen,
die im Alter abhandenkommen
Zusammen bestimmen X- und Y-Chromosom, ob ein
Fötus männlich oder weiblich wird. Aber nicht alle männ-
lichen Körperzellen enthalten ein Y-Chromosom; besonders
im Alter geht es in mehr und mehr Blutzellen verloren.
Forschern ist dies schon seit den 1960er Jahren bekannt,
doch dass dieser Verlust sich aufs Krebsrisiko auswirkt,
wurde ihnen erst vor wenigen Jahren klar.
Wissenschaftler um Jan Dumanski von der Universität
Uppsala (Schweden) analysierten Daten einer Langzeit-
studie mit 1153 Männern im Alter von 70 bis 84 Jahren.
Fast einer von zehn der getesteten Probanden wies einen

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