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(coco) #1


Auf mein Editorial in Heft 1.17 erhielt ich mehrere harsche Leserzu­
schriften. Tenor: »Spektrum« solle sich nicht in die Politik einmischen,
sondern über Forschung berichten. Ich hatte an dieser Stelle gefordert,
dass mehr Wissenschaftler den direkten Dialog mit der Öffentlichkeit su­
chen sollten, damit der gesellschaftliche Rückhalt für ihr Tun hier zu Lande
nicht bröckelt. Denn der Stellenwert von Wissenschaft hängt bei den
Menschen, die sie nicht selbst betreiben, nicht nur von den Erkenntnissen
und Anwendungen ab, die sie hervorbringt, sondern auch von Vertrauen.

Jetzt mischt sich die Wissenschaft selbst in die Politik ein. Am 22. April
wollen Forscherinnen und Forscher in zahlreichen Ländern für evidenz­
basiertes Denken demonstrieren; auch bei uns sind in einem Dutzend
Städten Kundgebungen geplant (www.marchforscience.de). Der Aufruf
zum »March for Science« schallt aus den USA. Raus aus den Labors, ab
auf die Straße! Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die Wissen­
schaftspolitik der neuen US­Regierung. Man darf gespannt sein, wie viele
Menschen sich den Veranstaltungen anschließen. Dass Wissenschaftler
ihre Anliegen in öffentlichen Kundgebungen artikulieren, ist bereits ein
Ausrufezeichen. Allerdings macht eine Massenversammlung noch keinen
Dialog mit der Gesellschaft aus. Warten wir daher ab, wie sich das Projekt
weiterentwickelt, hinter das sich in Deutschland sehr verschiedene Insti­
tutionen wie die großen Wissenschaftsorganisationen, aber ebenso welt­
anschaulich geprägte Gruppierungen stellen. Bei allem Drang: Missiona­
risch sollte die Wissenschaft nicht auftreten. Das erschwert den Dialog –
und passt nicht zu ihrem Wesen!

Eine Symbiose aus Glaube und Wissen stellte einst das Klosterzentrum
Nalanda dar, das im 4. oder 5. Jahrhundert in Indien gegründet wurde.
Auf dem Lehrplan standen neben buddhistischer Philosophie auch Logik
und Medizin – was die Einrichtung zur ältesten Universität der Welt
macht. Die Darstellung des Religionswissenschaftlers Max Deeg ab S. 18
ist Teil unserer neuen Serie »Kultbauten der Menschheit«. Davor stellt ab
S. 12 die Archäologin Marion Benz die mehr als 11 000 Jahre alten Ruinen
auf dem Göbekli Tepe vor – imposante Symbole der Sesshaftwerdung des
Menschen auf dem Gebiet der heutigen Südosttürkei.

Eine gute Lektüre wünscht Ihr

ANGUS DEATON
Der emeritierte Professor of Eco­
nomics and International Affairs
an der Princeton University
erhielt 2015 den Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften
für seine Analyse von Konsum,
Armut und Wohlfahrt (S. 78).

MARION BENZ
Vor mehr als 11 000 Jahren ent­
standen die ersten Monumente
der Menschheit. Die promo­
vierte Archäologin Marion Benz
erkennt in ihnen Symbole des
Übergangs von der Altsteinzeit
zum Neolithikum (S. 12).

DETLEF KOSCHNY
Der Leiter der Abteilung für Near
Earth Objects der ESA über­
legt, wie sich der Einschlag gro­
ßer Asteroiden auf der Erde
ver hindern ließe (S. 66). Seine
Lieblingsfilme sind »Armaged­
don« und »Deep Impact«.

AUTOREN DIESER AUSGABE


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EDITORIAL


WISSENSCHAFT


UNTER DAS VOLK


Von Carsten Könneker, Chefredakteur
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