SdW0517

(coco) #1

FORSCHUNG AKTUELL


Planetenachse (also ein Tag) genau einem Umlauf um den
Stern (einem Jahr). Die Ursache sind Gezeitenkräfte, die eine
ursprünglich schnellere Rotation im Lauf der Zeit abbremsen.
Die Folgen für einen Planeten sind beträchtlich. Wäh-
rend auf seiner einen Seite der Stern unverrückbar am
Firmament stünde, würde die andere Hemisphäre in Kälte
und Dunkelheit verharren. Eine Atmosphäre könnte zwar
für einen Temperaturausgleich sorgen. Auch ist denkbar,
dass Organismen in der Zone zwischen Tag und Nacht, im
ewigen Zwielicht, gedeihen könnten. Zuträglich für ein
Ökosystem ist eine gebundene Rotation aber wohl nicht.
Selbst wenn der Keim des Lebens unter solchen Bedin-
gungen vor vielen Millionen Jahren auf einem der Trappist-
1-Planeten entstanden ist: Um sich zu entfalten, bräuchte
das Leben vermutlich viel Zeit, in welcher der Planet auf
einer stabilen Bahn um seinen Stern kreist. Mit Blick auf
Trappist-1 können die Wissenschaftler nicht sicher sagen,
ob diese Voraussetzung dort gegeben ist. Da die Bahnen
der Planeten viel kompakter sind als im Sonnensystem, ist
die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich zwei der Himmels-
körper ins Gehege kommen und beispielsweise kollidieren.
Etwas Zuversicht in dieser Frage bieten immerhin
kürzlich veröffentlichte Daten des Kepler-Weltraumtele-
skops, denen zufolge das Trappist-1-System mit drei bis
acht Milliarden Jahren viel älter ist als anfangs gedacht
und daher seine turbulente Jugend bereits hinter sich hat.


Neue Teleskope könnten »Biomarker« identifizieren
Insgesamt scheint die Aussicht auf lebensfreundliche
Bedingungen im Trappist-1-System nach wie vor zweifel-
haft. Aber wer weiß schon, welche Formen von Leben sich
unter anderen Verhältnissen bilden können? Vielleicht
haben sich ja Mikroorganismen entwickelt, die der starken
Röntgenstrahlung widerstehen. Oder es gibt bei den
äußeren Planeten zwar kein flüssiges Wasser auf der
Oberfläche, wohl aber unter einem Eispanzer, wie es bei
einigen Monden in unserem Sonnensystem vermutlich der
Fall ist. Und möglicherweise wird das System von weiter
außen kreisenden, noch unbekannten Planeten stabilisiert.
Trappist-1 und seine Begleiter werden für viele weitere
Studien zur Verfügung stehen. Damit bieten sie die bisher
beste Chance, eine der zentralen Fragen der Exoplaneten-
Forschung zu beantworten: ob Felsplaneten in der habi-
tablen Zone kühler Sterne Atmosphären besitzen können,
und wenn ja, woraus diese bestehen. Eine Gashülle würde
dem Lichtspektrum des Sterns während eines Planeten-
transits eine charakteristische Signatur in Form zusätz-
licher Spektrallinien aufprägen. Fänden sich in diesen
Linien so genannte »Biomarker« wie Wasser, Ozon, Sauer-
stoff, Kohlendioxid oder Methan – insbesondere als Kom-
bination –, wäre das ein Hinweis auf biologische Aktivität.
Ozon würde sich als Linie bei einer Wellenlänge von
9,6 Mikrometern zeigen, also im Bereich des infraroten
Lichts. Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST), das
unter Federführung der NASA gebaut wird und Ende 2018
ins All starten soll, könnte eine solche Signatur nachwei-
sen. Je nachdem, wie deutlich die Spektrallinie ist, müss-


ten dafür jedoch viele Transits beobachtet werden, was
Zeit kostet. Bei einem Zwilling der Erde, der einen sonnen-
ähnlichen Stern umkreist, würde zwischen zwei Transits
ein Jahr liegen. Aussagekräftige Spektren wären selbst mit
dem JWST erst nach vielen Jahren möglich.
Dank der kurzen Umlaufzeiten der Planeten um Trap-
pist-1 werden Forscher dort deutlich schneller Atmosphä-
renspektren messen können. Da das Planetensystem der
Erde viel näher liegt als viele vergleichbare Exoplaneten,
etwa vom Weltraumteleskop Kepler entdeckte Gesteins-
planeten, kann man zudem auf direkte Bilder der Planeten
hoffen – in Form eines Lichtpünktchens neben dem Stern.
Solche Aufnahmen könnte die nächste Generation von
Großteleskopen ab Mitte der 2020er Jahre liefern, etwa
das europäische Extremely Large Telescope. Jenseits aller
Spekulationen über außerirdisches Leben zeigen diese
Möglichkeiten, warum die Entdeckung der Planeten um
Trappist-1 so bedeutsam ist.

Jan Hattenbach ist Physiker sowie Astronom und arbeitet als
Wissenschaftsjournalist.

QUELLEN
Bourrier, V. et al.: Reconnaissance of the TRAPPIST-1 Exoplanet
System in the Lyman-α Line. In: Astronomy & Astrophysics 599, L3,
2017
Gillon, M. et al.: Seven Temperate Terrestrial Planets around the
Nearby Ultracool Dwarf Star TRAPPIST-1. In: Nature 542, S. 456–
460, 2017
Wheatley, P. et al.: Strong XUV Irradiation of the Earth-Sized Exo-
planets Orbiting the Ultracool Dwarf TRAPPIST-1. In: Monthly Noti-
ces of the Royal Astronomical Society Letters 465, L74–L78, 2017

Das Planetensystem von Trappist­1 ist äußerst kompakt, und
seine Dimensionen ähneln demjenigen von Jupiter mit den vier
Galileischen Monden. Es ließe sich bequem innerhalb der
Umlaufbahn des sonnennächsten Planeten Merkur platzieren.

Galileische
Jupitermonde

Planeten von
TRAPPIST-1

Io

Europa

Ganymed

Kallisto

100 Millionen Kilometer

5 MillionenKilometer

inneres Sonnensystem

1c1d1e
1b

1g
1g

1f

1c1d1e
1b

1g
1h

1f

Merkur

Venus

Erde

Sonne

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