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(coco) #1
Bipalium kewense war der erste fremde Landplattwurm, auf den For­
scher aufmerksam wurden. Sie entdeckten diesen Strudelwurm aus
Südostasien zuerst 1878 in den Kew Gardens, einer ausgedehnten
botanischen Anlage südwestlich von London. Anfang des 20. Jahrhun­
derts fand man ihn erstmals auch in Gewächshäusern Nordamerikas.

NATURE PICTURE LIBRARY / MYN / GIL WIZEN

Hälfte, sogar der Kopf, wächst dann binnen etwa zwei
Wochen nach. Gleiches geschieht, wenn man einen Wurm
in der Mitte durchtrennt.
Bis vor einigen Jahren waren die Landplanarien ein
rechtes Stiefkind der Forschung, und bis heute wissen wir
längst noch nicht genug über sie. Nur wenige Forscher,
darunter ich, haben ihre Arten und ihre Verbreitung er-
fasst. Das änderte sich durch Justines Entdeckung. Nun
gibt es allerorten Meldungen von invasiven terrestrischen
Strudelwürmern. Diverse Arten dieser anpassungsfähigen
Tiere scheinen tatsächlich in immer mehr Gebiete der
ganzen Welt vorzudringen. Es wäre dringend geboten,
ihrer Herr zu werden. Nur wie?


Ihr außerordentliches Regenerationsvermögen
faszinierte schon Charles Darwin
Kein Geringerer als Charles Darwin (1809–1882) sammelte
auf seiner Weltreise in Chile und Tasmanien landlebende
Planarien und war von ihnen fasziniert. Er schrieb, sie
ähnelten äußerlich kleinen Nacktschnecken, wären jedoch
viel schmaler, und manche Arten hätten Längsstreifen in
wunderschönen Farben. Es gelang ihm sogar, einige Tiere
zwei Monate lang am Leben zu halten, die, wenn man sie
nur anfasst, oft einfach zu Schleim werden. Und er experi-
mentierte bereits mit ihrem erstaunlichen Regenerations-
vermögen.
Dass Landplanarien aus südlichen Regionen sich ein-
mal auf der Nordhalbkugel ausbreiten würden, stellte sich
Darwin vermutlich nicht vor. Doch 1878, noch zu seinen
Lebzeiten, entdeckten Forscher eine bis dahin unbekannte


Art in einem Gewächshaus der Kew Gardens südwestlich
von London, einem der ältesten botanischen Gärten. Sie
erhielt den wissenschaftlichen Namen Bipalium kewense.
Vertreter der Gattung Bipalium kannte man sonst nur von
Indien, Südostasien und Madagaskar. Wie sich allerdings
schon bald erwies, hatte sich dieser bis zu 35 Zentimeter
lange Wurm bereits auf der ganzen Welt, auch in Deutsch-
land, in Gewächshäusern und Gärtnereien eingefunden.
Von dort aus besiedelte er bald Gärten beispielsweise in
US-Südstaaten und auf den Westindischen Inseln.
Die Individuen aller Bipalium-Arten sind Zwitter, besit-
zen also sowohl Hoden wie Eierstöcke. Allerdings vermag
sich B. kewense im gemäßigten Klima meist nicht sexuell
fortzupflanzen. Stattdessen vermehrt sich das Tier in
unseren Breiten offensichtlich durch Teilung und Regene-
ration. Und fast jedes Jahr scheint diese Art als blinder
Passagier in Pflanzgefäßen neue Orte zu erobern. Erst
kürzlich fand man Exemplare auf den Azoren und auf einer
Insel im Golf von Guinea.
Auf den Britischen Inseln verzeichnen Biologen und
Naturfreunde seit den 1960er Jahren zunehmend weitere
Landplanarienarten von der Südhemisphäre, die wahr-
scheinlich zumeist aus Neuseeland oder Australien stam-
men, darunter den Australischen Plattwurm Australoplana
sanguinea. Ihre Anzahl stieg in den folgenden Jahrzehnten
auf inzwischen 15 nicht heimische Spezies an. Viele der
neuen Arten entdeckte man zuerst in Gewächshäusern,
aber die meisten tauchen längst auch im Freien auf. Si-
cherlich trug die bekannte Gartenleidenschaft vieler Briten,
die mit Vorliebe exotische Gewächse aus aller Welt kulti-

Kopf von
Bipalium kewense
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