SdW0517

(coco) #1

vieren, das ihre hierzu bei. Der eingangs erwähnte Neu-
seelandplattwurm A. triangulatus hat es mittlerweile sogar
bis auf die Färöer-Inseln zwischen Schottland und Island
geschafft.
Darwin hatte angenommen, dass Landplanarien mor-
sches Holz fressen. In Wirklichkeit ernähren sie sich als
räuberische Generalisten unter anderem von Regenwür-
mern, Nackt- und Gehäuseschnecken, Insektenlarven,
Asseln, Springschwänzen und diversen anderen Gliederfü-
ßern. Nicht selten ist ihre Beute wesentlich größer als sie
selbst. Peter Ducey von der State University of New York
in Cortland beobachtete, wie Vertreter der Art Bipalium
adventitium Regenwürmer vom 100-Fachen ihrer eigenen
Körpermasse überwältigten.


Dabei kombiniert der Strudelwurm Körperkraft mit
einigen speziellen Tricks, wie dem Einsatz eines klebrigen
Schleims, mit dem er sich an die Beute anheftet. Beim
Fressen nutzt er dann ein aggressives Verdauungssekret.
Er spuckt es auf das noch lebende Opfer und leitet es
durch seinen ausstülpbaren Schlund in dessen Inneres,
wozu er diesen in das Opfer einführt. Der Schlund oder
Pharynx ist eine muskulöse Struktur, die in den Magen
mündet und beim Fressen wie ein Rüssel in der Mitte der
Bauchseite hervortritt. Durch ihn saugt der Plattwurm
seine Beute mit peristaltischem Pumpen der Schlundmus-
kulatur regelrecht Stück um Stück aus.
Manche Arten vertilgen sogar speziell andere Landpla-
narien, wie Piter K. Boll von der Universidade do Vale do
Rio dos Sinos (Brasilien) kürzlich nachwies. Normalerwei-
se bemerkt der Angegriffene die Gefahr sofort. Sobald er
die Berührung spürt oder auf eine verräterische Schleim-
spur trifft, sucht er mit allen Mitteln zu entkommen (siehe
das Video: https://youtu.be/-kTUr1t6ZyU). Es gibt überdies
auf Plattwürmer spezialisierte Spezies, die ihrerseits wie-
der von einer anderen Planarienart gefressen werden.
Zu den verheerendsten Auswirkungen der weltweiten
Plattwurminvasion zählen Biologen die Dezimierung der
Regenwürmer, die vielerorts für die Bodenökologie sehr
wichtig sind. Schon 1970 erkannte der Bodenbiologe
Daniel Dindal von der State University in New York, dass
B. adventitium in Nordamerika kommerziellen Regen-
wurmzuchten schwer zusetzt. Und wie Ducey zudem
aufzeigte, findet man diesen Plattwurm dort bereits in
größerer Zahl besonders in der Nähe von Gärten mit
exotischen Zierpflanzen.
Man könnte nun einwenden, das sei speziell für die
nordamerikanischen Ökosysteme nicht so tragisch.


Schließlich haben erst die Europäer viele der heute auf
dem Kontinent vorhandenen Regenwurmarten einge-
schleppt und teils sogar absichtlich für ihre Verbreitung
gesorgt. Als die letzte Vereisung vor rund 12 000 Jahren zu
Ende ging, die weite Teile Kanadas und der nördlichen
USA mit einem dicken Eisschild bedeckt hatte, gab es in
der Region so gut wie keine Regenwürmer mehr. Manche
Arten konnten sich zwar von Süden her langsam wieder
nach Norden ausbreiten, doch insbesondere viele nördli-
che Waldgebiete blieben bis zur Ankunft der Europäer
regenwurmfrei, und einige sind es offenbar heute noch.
Pflanzen und Tiere haben sich darauf eingestellt. Für diese
Ökosysteme ist eine dicke Schicht aus nur langsam verrot-
tendem Pflanzenmaterial typisch, das sich über Jahre
aufhäuft und das Substrat vieler Keimlinge bildet.
Jenes eingespielte System stören die invasiven Regen-
würmer massiv, weil sie die toten Blätter und Pflanzen-
reste in die Tiefe befördern und damit keimenden Bäumen
und Kräutern den Nährboden entziehen. Dieser Wald
bildet dann praktisch keinen Unterwuchs mehr. Dass die
europäischen Würmer so großen Schaden anrichten,
hängt auch damit zusammen, dass einige in Nordamerika
vorherrschende Bäume recht weiche Blätter haben, mit
denen die invasiven Regenwürmer gut fertigwerden. Die
Neulinge machen heute etwa ein Drittel der nordamerika-
nischen Arten aus. Zunächst kamen sie wohl meist in der
Erde von Pflanzen und mit Schiffsballast ins Land, später
zudem gezielt als Köder zum Angeln. Besonders über Sied-
lungen und entlang von Straßen haben sie sich bald
verbreitet. Heute geschieht das auch etwa über die Räder
schwerer Waldarbeitsfahrzeuge.
Ihre weitere Ausbreitung versucht man inzwischen
mit verschiedensten Maßnahmen einzudämmen. Ob die
invasiven Landplattwürmer dabei helfen könnten, indem
sie die unerwünschten Regenwürmer fressen, ist aller-
dings fraglich. Niemand weiß, ob sie den in den Süd-
staaten einheimischen Regenwürmern ebenfalls schaden
würden. Die eingeschleppten Plattwürmer Bipalium penn-
sylvanicum und B. adventitium mögen sich gegen die
Ringelwurmplage zwar als nützlich erweisen. Doch ein
anderer Neuling, B. vagum, frisst lieber Schnecken. Ducey
befürchtet daher, dass er seltene amerikanische Mollusken
dezimiert.

Ein erster Aufruf zur Plattwurmjagd in Großbritannien:
Unter Steinen, Hölzern, Plastikfolien ...
Ganz andere Sorgen haben die Briten. In Europa sorgen
nicht zuletzt Regenwürmer für fruchtbare Böden und
unterstützen somit den Feldanbau. Gefürchtet ist etwa
Australoplana sanguinea, der sich ausschließlich von den
Ringelwürmern ernährt. Dass der Neuseelandplattwurm
Arthurdendyus triangulatus auf landwirtschaftlichen
Flächen Nord irlands Schaden anrichtet, da er sowohl die
Anzahl als auch den Artenreichtum der Regenwürmer ver-
ringert, wies Rod Blackshaw, damals beim Landwirtschaft-
samt von Nord irland tätig, schon in den 1990er Jahren in
mehreren Studien nach. Angesichts dieser Bedrohung rief
ein Team um Hugh D. Jones, der heute am Natural History
Museum in London arbeitet, 1995 zur landesweiten Platt-

Mehr Wissen auf
Spektrum.de
Unser Online-Dossier zum Thema
finden Sie unter
spektrum.de/t /parasiten
CDC / JAMES GATHANY
Free download pdf