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(coco) #1

wirken sich nur auf die räumliche Gestalt der Moleküle aus.
»Die betroffenen Enzyme erfüllen ihre Funktion nicht, ob-
wohl sie aktiv sind; um dem abzuhelfen, müssen wir sie le-
diglich dazu bringen, sich in die richtige Form zu falten«,
sagt Thomas Kirkegaard, wissenschaftlicher Leiter am
Biotechunternehmen Orphazyme in Kopenhagen. Fehlge-
faltete Proteine baut die Zelle meist rasch ab. Wenn sie
jedoch in die korrekte Gestalt gebracht und dann an die
richtige Stelle in den Lysosomen gelotst werden, können
sie ihren Aufgaben dort nachkommen.
Wirkstoffe, die das vollbringen, nennt man pharmakolo-
gische Chaperone. Wie die Arzneistoffe bei der Substrat-
reduktionstherapie haben auch sie meist eine geringe
Molekülgröße und somit das Potenzial, die Blut-Hirn-
Schranke zu überwinden. Chaperontherapien zur Behand-
lung von LSK sind relativ neu, werden aber in anderen
Bereichen der Medizin bereits genutzt. Zwei Wirkstoffe
dieses Typs sind für die Behandlung der Mukoviszidose
zugelassen.
Gegen lysosomale Speicherkrankheiten lassen sich
zwei Chaperontypen einsetzen, wie die Neurogenetikerin
Ellen Sidransky vom National Human Genome Research
Institute in Bethesda, Maryland, erläutert: inhibitorische
und nichtinhibitorische. Erstere binden an das aktive
Zentrum ihres Zielenzyms und stabilisieren es während
des Transports zu den Lysosomen. Dort angekommen,


lösen sie sich ab, so dass das Enzym seine Tätigkeit auf-
nehmen kann.
Die erste Chaperontherapie gegen LSK, die 2016 auf
den europäischen Markt kam, basiert auf einem solchen
inhibitorischen Mechanismus. Der Wirkstoff heißt Migala-
stat und besitzt einen chemisch ähnlichen Aufbau wie
Miglustat. Er ist zugelassen zur Behandlung von Personen,
die am Fabry-Syndrom erkrankt sind und bei denen sich
das Enzym Alpha-Galactosidase A auf Grund einer gene-
tischen Mutation falsch faltet. Die Betroffenen machen
immerhin 35 bis 50 Prozent aller Fabry-Patienten aus.
Inhibitorische Chaperone sind allerdings chemisch
schwer zu handhaben und kompliziert zu dosieren, sagt
Sidransky. Deshalb fahndet die Neurogenetikerin nach
nichtinhibitorischen Chaperonen, die nicht am aktiven
Zentrum eines Enzyms binden, um es zu stabilisieren,
sondern an anderen Stellen des Moleküls. Mit solchen
Wirkstoffen sei einfacher umzugehen, sie seien aber
schwerer zu finden. Sidransky und ihre Kollegen haben
250 000 Substanzen auf ihre potenzielle Eignung geprüft
und sind dabei auf einige viel versprechende Kandidaten
gestoßen.
An Neuronen und Makrophagen, die aus umprogram-
mierten Hautzellen von Gaucher-Patienten gewonnen
worden waren, wiesen Sidransky und ihr Team nach: Das
nichtinhibitorische Chaperon NCGC607 befähigt mutierte

Schocktaktik


Lysosomale Speicherkrankheiten,
die von falsch gefalteten Proteinen
verursacht werden, lassen sich
mit Chaperonen behandeln, die
den Molekülen zur richtigen Ge-
stalt verhelfen. Der Arzneistoff
Arimoclomol aktiviert zu diesem
Zweck das Hitzeschockprotein
HSP70, ein natürliches Chaperon

des Körpers. In Zellen, die nicht
unter Stress stehen (1), ist der
hitzeschockproteinaktivierende
Transkriptionsfaktor HSF1 (in den
Abbildungen gelb) über den Zell-
innenraum verteilt. Geraten die
Zellen jedoch unter Stress (2),
findet sich HSF1 zunehmend in
Stresskörperchen (nuclear stress

bodies, nSBs) wieder – ein Zeichen
dafür, dass die Produktion von
Hitzeschockproteinen angelaufen
ist. Arimoclomol verlängert diesen
Aktivierungszustand und fördert
die Bindung von HSF1 an Hitze-
schockelemente auf der DNA, so
dass entsprechende Proteine
vermehrt entstehen.

CLAUS BORNAES UND LUKASZ M. SOLANKO; MIT FRDL. GEN. VON ORPHAZYME APS

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