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(coco) #1

BIOLOGIE


MEHR ALS DER


MÜLLEIMER DER ZELLE


Störungen der Lysosomen verursachen nicht nur spezielle,
eher seltene Stoffwechselerkrankungen. Sie tragen auch
zu häufi geren Störungen wie Alzheimer und Parkinson bei –
ja spielen sogar eine Rolle bei Ebolainfektionen.

Kelly Rae Chi arbeitet als Wissenschaftsautorin
in Cary, North Carolina.

 spektrum.de/artikel/1438958


Die Niemann-Pick-Krankheit Typ C ist eine seltene
lysosomale Speicherkrankheit, die einen von
150 000 Menschen betrifft. In fast allen Fällen – etwa
95 Prozent – wird sie von einem Defekt im NPC1-Gen
ver ursacht. Die Mutation führt dazu, dass sich im gesam-
ten Organismus Cholesterin ansammelt, und zwar in
den Lysosomen – jenen Zellorganellen, deren Aufgabe
darin besteht, Moleküle zu verdauen und in ihre
Monomere zu zersetzen. Die Cholesterinanhäufung hat

verheerende Folgen: Betroffene werden nur selten älter als
20 Jahre.
Auf den ersten Blick scheint die Niemann-Pick-Krank-
heit kaum etwas mit dem Ebolafieber zu tun zu haben, das
durch Körperflüssigkeiten übertragen wird und zwischen
2014 und 2016 in Westafrika mehr als 11 000 Menschen
tötete (siehe Spektrum November 2016, S. 38). Wie sich aber
herausgestellt hat, gibt es eine Verbindung zwischen den
beiden, und sie birgt vielleicht die Chance, die Übertra-
gung des Virus zu unterbinden: Menschliche Zellen, denen
das NPC1-Gen fehlt, sind gegen Ebola immun.
Es war eine riesige Überraschung, als sich im Jahr
2011 herausstellte: Der Rezeptor, an den das Ebolavirus
andockt, sitzt nicht auf der Zelloberfläche. Er befindet
sich in der Zelle, und zwar sogar innerhalb der Lysosomen,
wie die Zellbiologin Fran Platt von der University of Oxford
dargelegt hat. Noch vor zehn Jahren galten diese Zell-
organellen als wenig bemerkenswert; Wissenschaftler
sahen in ihnen kaum mehr als einen Behälter für
Verdauungs enzyme. Das hat sich grundlegend geändert.
»Die Bedeutung der Lysosomen erscheint heute in
völlig anderem Licht als früher«, sagt der Neurowissen-
schaftler Steven Walkley vom Albert Einstein College of
Medicine in New York, der sowohl über lysosomale Spei-
cherkrankheiten (LSK) als auch über Ebola forscht. Die
Organelle sei einer der wichtigsten Akteure im zellulären
Geschehen. In den zurückliegenden Jahren ist den Wis-
senschaftlern klar geworden, dass Lysosomen nicht nur
unerwünschte Mole küle und alte Zellbestandteile ver-
dauen, sondern ebenso für den Zellstoffwechsel und das
Detektieren von Aminosäuren von Bedeutung sind.

AUF EINEN BLICK
ENTSORGUNGSZENTRUM UND
SCHALTSTELLE

1


Lysosomen sind Zellorganellen, die überschüssiges
Material verdauen und dafür sorgen, dass es wieder
zellulär aufgearbeitet wird. Wissenschaftler sahen
in ihnen früher kaum mehr als eine Recyclingstation.

2


Funktionieren jene Organellen nicht richtig, können
Krankheiten entstehen. Diese sind erblich bedingt und
treten relativ selten auf.

3


Neueren Studien zufolge sind Lysosomen außerdem
stark in zelluläre Signalprozesse eingebunden. Ver-
mutlich wirken sie so an sehr viel mehr Erkrankun gen
mit, etwa an Hirnstörungen und am Ebolafieber.
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