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(coco) #1

Lysosomen sind deshalb möglicherweise an weit mehr
Krankheiten beteiligt als bisher bekannt. Tatsächlich
bezeichnen Mediziner die Niemann-Pick-Krankheit vom
Typ C manchmal als kindlichen Alzheimer, weil sie mit der
klassischen Alzheimerdemenz viele Symptome und Krank-
heitsmechanismen gemeinsam hat. Bei Kindern, die an
dieser Form der LSK leiden, sammeln sich in den Neuro-
nen große Mengen Tau-Protein an, ganz ähnlich wie bei
erwachsenen Alzheimerpatienten.


Einfache Defekte im Genom führen zu sehr
komplexen Krankheitsverläufen
In den kommenden Jahren wird die Erforschung seltener
LSK wahrscheinlich Erkenntnisse bringen, die dabei hel-
fen, auch andere Krankheiten zu behandeln. Man kennt
mehr als 50 Formen lysosomaler Speicherkrankheiten, und
jede wirkt sich anders auf die Zelle aus. Manche stören
das Kalziumgleichgewicht, andere intensivieren den oxida-
tiven Stress und kurbeln Entzündungsreaktionen an,
wieder andere beeinflussen den intrazellulären Lipidtrans-
port. Die zellbiologischen Mechanismen dahinter mögen
komplex sein, die Ursache ist es häufig nicht: Viele LSK
resultieren aus Mutationen in einzelnen Genen. Diese zu
untersuchen, könnte deshalb ein relativ einfacher Weg
sein, um herauszufinden, wie Lysosomen zu häufigeren
und komplexeren Erkrankungen beitragen.


Die neue Sicht der Dinge ist insbesondere von zwei
Forschungsrichtungen beeinflusst worden. Die eine nahm
ihren Anfang im Jahr 2008, im Labor von David Sabatini
am Whitehead Institute for Biomedical Research in Cam-
bridge, Massachusetts. Sabatinis Team experimentierte
mit jenem Molekül, an das der immunsystemhemmende
Stoff Rapamycin bei Säugern bindet: »mTOR« (mechanis-
tic target of Rapamycin) ist ein Enzym, das an zahlreichen
mensch lichen Erkrankungen mitwirkt. Mit bestimmten
anderen Proteinen bildet mTOR einen Komplex namens
mTORC1. Trifft dieser auf Aminosäuren, also die Bausteine
der Proteine, signalisiert er der Zelle, die Proteinherstel-
lung anzukurbeln.
Wie Sabatini und seine Kollegen feststellten, enthalten
Zellen, denen es an Aminosäuren mangelt, mTORC1-
Komplexe in ihrem Zytoplasma. Gaben die Forscher nun
Aminosäuren hinzu, wanderten die Komplexe auf die
Oberfläche der Lysosomen. Dies legte die Vermutung
nahe, die Lysosomen gehörten zu einem baustofferken-
nenden System – eine These, die allseits auf Erstaunen
stieß. »Es lag plötzlich auf der Hand, dass diese Zellorga-
nelle, die man bis dahin nur für eine Recyclingstation
oder einen Mülleimer gehalten hatte, mit dem Rest der
Zelle kommuniziert«, erinnert sich Sabatini.
Etwa zeitgleich kratzte auch ein Team um den Mole-
kulargenetiker Andrea Ballabio vom Telethon-Institut für

PICTURE ALLIANCE / AP PHOTO / ABBAS DULLEH

Kann die Erforschung lysosomaler Speicherkrankheiten dazu beitragen, Ebolaepidemien wie die 2014 in West afrika zu vermeiden?

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